Thomas SattelbergerFDP - Enquete-Kommission "Berufliche Bildung"
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Akademikerschwemme – Unwort des Jahrzehnts! Bildungssysteme gegeneinander auszuspielen, um die Fachkräftelücke zu mindern – wie dumm!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber kann berufliche Bildung wieder gleichziehen mit dem Studium?
Vier Punkte für die Enquete:
Erstens. Akademische und berufliche Abschlüsse müssen anschlussfähig sein, wechselseitig. Berufliche Bildung muss Studienmodule anerkennen, Hochschulen berufliche Qualifikation. Vom Wissenschaftsrat vor vier Jahren gefordert, von der GroKo verschlampert!
(Beifall bei der FDP)
Damit Gleichwertigkeit gelingt, müssen Unternehmen beruflich Qualifizierten auch endlich wieder Karrierewege bieten, jenseits von Meister und Fachwirt; denn deren Anteil an Führungspositionen hat sich fast halbiert. Wertschätzung statt Resterampe!
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Punkt zwei. Viele unserer heutigen Berufe sind in zehn Jahren ausgestorben. Die gute Nachricht ist, dass neue Berufe entstehen: 3‑D-Druck-Experte, Industrial Data Analyst. Die Metall- und Elektroindustrie lebt es vor, industrielle Berufsbilder mit dem „Agilen Verfahren“ zügig fitzumachen. Andere schlafen. Kaufmann E-Commerce – 2018 eingeführt, zehn Jahre zu spät! Amazon hat heute 40 Prozent des deutschen Onlinehandels erobert. Wir dürfen nicht schlafen, liebes Bildungs- und liebes Wirtschaftsministerium! Aufwachen, bitte!
(Beifall bei der FDP)
Punkt drei. Nur ein Drittel der Unternehmen wird von Akademikern gegründet, die Hälfte von beruflich Qualifizierten. Reinhold Würth, Artur Fischer, René Obermann – Unternehmer ohne Studium! Dieses Land investiert 340 Millionen Euro im Jahr für Akademikerstipendien, für Spitzenleister beruflicher Bildung klägliche 25 Millionen Euro. Unsere Top- und Facharbeiter, unsere Techniker und unsere Meister brauchen eine adäquate Stiftung für Begabte und Exzellenzwettbewerbe für unsere Berufsbildungszentren.
(Beifall bei der FDP)
Punkt vier. Deutschland hat mehr als 2 Millionen junge Menschen ohne Berufsausbildung, verschüttete Talente zwischen 20 und 34 Jahren, Ausbildungsabbrecher, Schulabbrecher, Schulabgänger ohne Berufsausbildung. Oft Alleinerziehende, die sich strecken müssen, ihre Kinder großzuziehen, Geld zu verdienen, einen Beruf zu erlernen. Und Geflüchtete, die zudem ihre Familien zu Hause unterstützen. Hier hilft nur Ausbildung in Teilzeit und in Modulen bis zum Abschluss.
Meine Damen und Herren, all das ist der Bundesregierung seit Jahr und Tag bekannt. Aber sie handelt nicht. Sie versucht, uns mit Ankündigungslyrik müde zu spielen. Das reicht nicht, und das klappt nicht. Spucken Sie in die Hände! Packen Sie es endlich an! Ran an den Speck, Frau Karliczek!
(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der CDU/CSU – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das war das Beste am Schluss!)
Tja, das ist so eine Sache mit der Lyrik. – Nächste Rednerin: Jutta Krellmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7249300 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Enquete-Kommission "Berufliche Bildung" |