28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt 8

Martin SichertAfD - Bürgerentlastungsprogramm

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Meine Damen und Herren! Wertes Präsidium! Ich danke der FDP ausdrücklich für diesen Antrag; denn er zeigt, warum die freiheitliche Partei in diesem Land AfD und eben nicht FDP heißt.

(Lachen bei der FDP)

In Ihrem Antrag stehen viele gute Dinge. Ja, wir müssen die besondere Belastung der Mittelständler abbauen. Ja, wir müssen die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenkasse herausbekommen. Ja, wir müssen die Steuer- und Abgabenlast senken. Ja, wir müssen die Bürokratie deutlich reduzieren. Und ja, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gehört gesenkt, und ja, der Solidaritätsbeitrag gehört abgeschafft.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)

Als jemand mit viel Erfahrung im öffentlichen Dienst, der weiß, dass wir immer noch Behörden haben, in denen jeder einzelne noch so unwichtige Vorgang ausgedruckt und in Papierform erfasst und archiviert wird, kann ich Ihnen auch aus vollem Herzen sagen: Ja, die öffentliche Verwaltung braucht dringend einen Schub in Richtung Digitalisierung.

(Michael Theurer [FDP]: Jetzt kommt das Aber!)

All diese Forderungen sind richtig und gut. Und dann kommt da die eine Forderung, die typisch FDP ist und die die ganzen guten Ideen kaputtmacht. Diese eine Forderung lautet – ich zitiere aus Ihrem Antrag –, „europäisches Recht in Deutschland prinzipiell eins zu eins umzusetzen, ohne zusätzliche nationale Maßnahmen“.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael Theurer [FDP]: Das ist Bürokratieabbau!)

Dieser eine Satz zeigt ganz klar den Unterschied in der Denkweise zwischen AfD und FDP. Sie wollen die nationale Souveränität aufgeben. Sie wollen den Deutschen Bundestag zu einem willfährigen Erfüllungsgehilfen Brüssels machen.

(Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn! Sie sind ein Investitionshindernis! Peinlich!)

Es gibt 30 000 Bürokraten der Europäischen Kommission, die alle ihren Job rechtfertigen müssen. Und wie tun die das? Ganz genau: indem sie ständig neue Bürokratie erfinden und alles in Europa bis ins letzte Detail regeln wollen. Die Europäische Union ist ein Monster der Bürokratie. Sie ist das größte Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit Europas.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Oh mein Gott! La, la, la!)

Jedes Unternehmen, jeder Freiberufler in Deutschland kann ein Lied davon singen, was Ende Mai passiert ist, als man, wie Sie es hier fordern, europäisches Recht in Deutschland prinzipiell eins zu eins umgesetzt hat ohne zusätzliche nationale Maßnahmen. Ende Mai trat die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Sie hat unglaubliche rechtliche Unsicherheit und einen immensen bürokratischen Aufwand erzeugt.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Genau wie Sie!)

Ich möchte dazu einen kleinen Unternehmer zitieren, den Sie, liebe Kollegen von der FDP, sicherlich kennen sollten; denn er war bis 2013 Ihr Fraktionsvorsitzender hier im Deutschen Bundestag. Ich zitiere, was Rainer Brüderle diesen Monat gesagt hat: Brüssel habe ich immer sehr skeptisch gesehen, weil Brüssel zu detaillistisch hineingeht. Sie können nicht von Hammerfest bis Palermo alles gleichschalten. Das funktioniert nicht. Europa wird nur überleben, wenn wir den Ländern ein Stück Identität überlassen. Sie brauchen Wurzeln, wo sie herkommen und wo sie hingehören. Und weiter sagte er: Wir stellen die Weichen in Deutschland falsch. Die Großen, Google und Facebook, sitzen drüben in Amerika. Bei uns machen wir die Datenschutz-Grundverordnung, die keiner versteht. Ich habe ein kleines Unternehmen gegründet. Ich muss für meine Internetseite, wo es nur ein Kontaktformular gibt, sechs Seiten Datenschutzerklärung anheften. Kein Land in Europa macht das.

(Beifall bei der AfD)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage aus der FDP-Fraktion?

Gerne.

Bitte schön.

(Michael Theurer [FDP]: Oh Gott, hoffentlich ist er damit nicht überfordert!)

Herr Kollege, Sie haben gerade den Eindruck erweckt, dass die FDP etwas ganz Schlimmes sei. Wie ist denn Ihr Vorschlag? Wollen Sie aus der Europäischen Union am liebsten austreten?

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wollen wir mal was hören!)

Also, unser Vorschlag ist ganz klar: Wir müssen alle Vorschläge, die aus Brüssel kommen, bis ins letzte Detail prüfen, gegebenenfalls, wie bei der Datenschutz-Grundverordnung, muss man dann eben nationale Maßnahmen ergreifen, wie sie beispielsweise die Österreicher ergriffen haben, die dann gesagt haben:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt: rein oder raus? – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Zum Thema bitte!)

Wir nehmen die kleinen Unternehmen an der Stelle aus. Wir schützen die kleinen Unternehmen vor einem massiven bürokratischen Wust, der aus Europa kommt.

(Beifall bei der AfD – Michael Theurer [FDP]: Hätte Deutschland ja machen können! Aber Sie haben uns doch mit Absicht falsch verstanden!)

Machen wir doch weiter mit dem Zitat von Rainer Brüderle: „Kein Land in Europa macht das.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europäische Verordnung!)

Die Österreicher führen es mit ein, aber die kleinen Unternehmen sind ausgenommen. Wir Deutsche machen den Brüsseler Blödsinn in Perfektion!“ Das, liebe FDP, sagt Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender, aber Sie wollen hier machen, was kein Land in Europa macht, und den Brüsseler Blödsinn perfektionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Michael Theurer [FDP]: Das ist doch Schwachsinn, was Sie erzählen! Sie verstehen uns falsch!)

Es sei Ihnen allen hier gesagt: Uns ist die Souveränität Deutschlands heilig. Wir werden im Gegensatz zu Ihnen nicht zum Vollstrecker der Befehle von Herrn Juncker werden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Lieber von Herrn Gauland die Befehle annehmen, ne?)

Sie mögen statt von Deutschland nur noch von „unserem Land“ reden, Sie mögen von den Deutschen nur noch als den „länger hier in diesem Land Lebenden“ reden und Sie mögen aus der Nationalmannschaft die „Mannschaft“ gemacht haben und in ihr Leute spielen lassen, die mit der Verehrung eines islamistischen Autokraten die deutschen Grundwerte mit Füßen treten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Widerspruch bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber mit dem Thema nichts mehr zu tun!)

So, Herr Sichert, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Janecek, Bündnis 90/Die Grünen?

Gerne.

Sehr geehrter Herr Sichert, ich glaube, die Gesetze der Logik müssen in Ihren Ausführungen noch ein bisschen bedacht werden. Sie können doch nicht die relativ schlanke europäische Datenschutz-Grundverordnung dazu hernehmen, um zu argumentieren, dass die Ausführungsbestimmungen in Nationalstaaten, die wiederum durchaus zu kritisieren sein können, das Problem sind.

Wo sind Sie jetzt? Wollen Sie 28 verschiedene Einzelstaatsregelungen in allen bürokratischen Bereichen? Dann müssten Sie den Unternehmen und Mittelständlern erklären, dass Sie 28 Rechtssysteme beachten müssen, um auf dem europäischen Binnenmarkt gut agieren zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Oder ist es vielleicht sinnvoller, dass wir eine europäische Regulierungsebene haben, die möglichst schlank und gut ist?

Beim Handel ist es das Gleiche: Wollen Sie, dass wir 28 Einzelhandelsabkommen mit den USA abschließen? Glauben Sie, dass wir dann im internationalen Kontext überhaupt noch eine Chance hätten?

Sie behaupten, dass nationalstaatliches Handeln uns stark macht. Das Gegenteil ist der Fall: Nur europäisch können wir stark agieren. Was Sie machen, ist gegen die Interessen unseres Landes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Stefan ­Keuter [AfD]: Grüne Denklogik!)

Auf die Frage antworte ich sehr gerne. Ich zitiere noch einmal Rainer Brüderle:

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das wollen wir nicht hören! Wir wollen wissen, was Sie denken!)

Sie können nicht von Hammerfest bis Palermo alles gleichschalten. Das funktioniert nicht.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist schwach! Frage nicht verstanden, oder was?)

Wir sind als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag gewählt. Es ist die Verantwortung von jedem, der in diesem Parlament sitzt, dass wir die besonderen Herausforderungen und die besonderen Anforderungen in Deutschland berücksichtigen

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ganz schwach, Herr Sichert! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: La, la, la!)

und nicht eins zu eins alles durchwinken, was aus Europa kommt.

(Beifall bei der AfD)

Vielmehr müssen wir überlegen, was für Deutschland vernünftig ist und sinnvoll umgesetzt werden kann. Das ist die Aufgabe jedes Volksvertreters, jedes Abgeordneten im Deutschen Bundestag.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ganz schwach, Herr Sichert! Was ist jetzt mit dem Euro?)

Ihren Plan – den Sie mit Ihren Zwischenfragen wieder bestätigt haben –, den Deutschen Bundestag zum Abnickverein der EU zu machen,

(Lachen bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

werden wir zu verhindern wissen.

(Beifall bei der AfD)

Ich prophezeie Ihnen eins: Solange Sie Deutschland an Brüssel verscherbeln wollen, so lange wird die AfD von Wahlsieg zu Wahlsieg eilen, weil die Deutschen sich eben nicht zu fremdbestimmten Untertanen von 30 000 Bürokraten in Brüssel machen lassen wollen.

(Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber Ihr Verstand ist schon fremdbestimmt, oder? – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das noch mit dem Thema zu tun?)

Wenn Christian Lindner sagt: Jede Lösung fängt für uns mit einem Wort an, und dieses Wort heißt „Europa“, dann sagen wir: Jede Lösung muss sich an den Interessen des deutschen Volkes und nicht an den Interessen der EU orientieren. Das ist unser Auftrag hier als Volksvertreter. Deshalb werden wir uns mit aller Kraft jedem entgegenstellen, der Deutschland im Rahmen der EU gleichschalten lassen will.

Deutschland ist unsere Heimat. Wir haben nur diese eine Heimat, und die werden wir nicht aufgeben.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin: Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249316
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Bürgerentlastungsprogramm
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta