Josephine OrtlebSPD - Zugang zu Verhütungsmitteln
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute reden wir über ein Thema, über das in diesem Hohen Hause selten gesprochen wird. Warum ist das so? Weil wir uns oft schwer damit tun, offen über Sexualität zu reden, vielleicht aber auch, weil wir nicht zu der Gruppe der einkommensschwachen Menschen gehören.
Aber was ist der eigentliche Kern der Debatte? Es geht um Selbstbestimmung – die Selbstbestimmung, das eigene Leben so zu gestalten, wie man es möchte. Und heute reden wir über die Menschen, denen die finanziellen Mittel für diese Selbstbestimmung fehlen.
Aus diesem Grund geht mein Dank an die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, die sich mit ihren Anträgen um nichts weniger als um diese Selbstbestimmung kümmern. Wir beschäftigen uns mit einem Thema, das aus gleichstellungspolitischer Sicht ein Feld ist, welches immer noch hauptsächlich Frauen überlassen wird – im Kopf und im Geldbeutel.
Als in den 60er-Jahren die Verhütung durch die Pille populär wurde, war das ein Meilenstein der Selbstbestimmung der Frau. Durch den sicheren Zugang zu Präservativen ist es uns gelungen, Frauen und Männern die freie und sichere Gestaltung ihrer Sexualität und familiären Zukunftsplanung zu ermöglichen.
(Beifall bei der SPD)
Das Recht, selbst über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft zu entscheiden, oder die Entscheidung, kinderlos zu leben, hat eine neue Qualität bekommen: die Qualität eines Menschenrechtes. Das hat die internationale UN-Konferenz in Kairo 1994 festgelegt. Auch die CEDAW-Konvention führt uns das immer wieder vor Augen. Sie stellt klar, dass der Staat die notwendigen Mittel bereitstellen muss, um Frauen das Recht zur freien und verantwortungsbewussten Familienplanung zu ermöglichen. Diese Konvention der Vereinten Nationen ist gerade in politisch unruhigen Zeiten ein verlässlicher Wertekompass,
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
der für uns als SPD einen hohen Stellenwert hat.
Wir haben schon vieles umgesetzt, und bei manchem ist auch noch Luft nach oben, so auch bei der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung der Frau. Aber ich bin froh, dass auf der Bundesebene bereits an einer Lösung gearbeitet wird wie zum Beispiel durch das bereits erwähnte vom Bundesfrauenministerium geförderte und von pro familia durchgeführte Modellprojekt biko. An bundesweit sieben Standorten ermöglicht das Projekt einen einfachen Zugang zu verschreibungspflichtigen, sicheren und gut verträglichen Verhütungsmitteln für Frauen mit wenig Geld. Dabei wird die kostenlose Abgabe der Verhütungsmittel nicht ausschließlich an den Empfang von Sozialleistungen geknüpft. Die Studentin, die durch biko den verschriebenen Verhütungsring erstattet bekommt, die Sozialhilfeempfängerin, die ihre Familienplanung abgeschlossen und mit der Spirale nun eine sichere Langzeitverhütung hat, oder die Frau mit sehr niedrigem Einkommen, die durch die Pille nun ihre Familienplanung selbst in der Hand hat – diese Beispiele machen deutlich: Selbstbestimmte Familienplanung darf nicht vom Geldbeutel oder den Lebensumständen abhängen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Neben der Kostenübernahme stellt pro familia als zweiten Schwerpunkt vor allen Dingen aber auch das Angebot einer umfassenden Verhütungs- und Familienplanungsberatung bereit. Denn oft reichen die klassischen Informationsgespräche in den Arztpraxen nicht aus, und es ist gerade dieses Zusammenspiel von Kostenübernahme und Beratungsangebot, von dem das Projekt biko lebt. Ich freue mich sehr, dass auch in meiner Heimatstadt Saarbrücken einer der Modellstandorte zu finden ist. Aus dem Gespräch mit den Mitarbeiterinnen der dortigen Beratungsstelle weiß ich: Der Bedarf ist da, und er ist hoch.
In Ihrem Anliegen, liebe Antragstellerinnen, sind wir uns hier also einig. Trotzdem müssen wir die offenen Fragen im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens klären. Die Auswertung des biko-Modellprojekts wird uns wertvolle Erfahrungen aus der Praxis liefern: Erfahrungen dazu, wie wir den Zugang für Frauen am besten gestalten und somit das Recht auf Selbstbestimmung weiter stärken können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Sprechen über Sexualität tun wir uns schwer. Oft reden wir nicht offen darüber. Ja, wir können es uns vermeintlich leisten, nicht darüber zu reden. Aber Menschen mit niedrigem Einkommen können es sich nicht leisten, dass wir hier nicht darüber reden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Melanie Bernstein für die CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7249369 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Zugang zu Verhütungsmitteln |