28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Tagesordnungspunkt 15

Elvan Korkmaz-EmreSPD - Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig: Digitalisierung ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Vielleicht sind wir uns auch einig, dass so viel in Floskeln und mit schönklingenden Forderungen über die Digitalisierung geredet wird wie über kein anderes Thema. Aber das bietet sich auch an, oder? Wir verstehen es selbst nicht richtig, benutzen wichtig klingende Begriffe und lassen damit vermuten, dass wir ganz viel Ahnung haben. Der vermeintlich „dumme“ Bürger wird es schon nicht merken, wenn wir ihm – wie in Ihrem Antrag – die Notwendigkeit von „kryptographischen Validierungen“ oder „Open-Government-Strategien“ einreden. Aber Buzzwords lösen unsere Digitalisierungsherausforderungen nicht,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

sondern ziehen das wichtige Thema nur noch weiter in eine unverständliche Wolke. Aber das passt ja wahrscheinlich auch; denn die Cloud löst ja bekanntlich eh viele unserer Probleme.

Wir müssen Digitalisierung an zentralen Punkten ganz konkret voranbringen und dürfen keine globalgala­ktischen Wunschvorstellungen formulieren. Google und Apple werden nicht nach Deutschland kommen, wenn wir ein Digitalministerium bauen oder tolle und teure Kommissionen einrichten. Wir müssen – und das fängt bei unseren Kindern an – Digitalisierung lernen und dürfen nicht digital lernen. Sinnlos Tablets an Grundschulen zu verteilen und sich zu freuen, dass die Kinder diese bedienen können, aber die dahinterliegende Programmierung und Funktionsweise nicht zu lehren, ist genauso unklug, wie zu denken, dass Digitalisierung lediglich unsere Produkte verändert. Digitalisierung krempelt unsere gesamten Lebens- und Geschäftsmodelle um. Digitalisierung heißt nicht, dass wir statt CDs Musik nun über das Internet streamen. Nein, Digitalisierung heißt, dass für Künstler Erlöse aus ihrem wichtigsten Produkt, nämlich dem Musikhören – egal ob digital oder analog –, weggebrochen sind und sie sich auf einmal komplett neu über Merchandising und Liveauftritte finanzieren müssen.

Um solchen tiefgreifenden Veränderungen in der Wertschöpfung gewachsen zu sein, muss Digitalisierung ein gut organisiertes Querschnittsthema werden. Was hieße es, ein Digitalministerium zu haben, das neben den Fachministerien eingerichtet wird? Das Verkehrsministerium macht undigitalen Verkehr und, ja, das Digitalministerium digitalen Verkehr? Wohin so etwas führt, wissen wir. Dazu müssen wir nur 20 Jahre zurückgucken, und zwar zu Unternehmen wie beispielsweise Bertelsmann in meinem Heimatwahlkreis. Bertelsmann hat neben seine Sparten Buch, Musik, Magazine eine Einheit Multimedia gestellt. Dort waren gute Ideen, von den kleinen Amazons namens BOL bis hin zu kleinen Googles namens Lycos. Aber wer hat das Spiel schlussendlich gewonnen? Das wissen wir: die Unternehmen, die damals Internet und Multimedia zum zentralen Kernthema in jeder Geschäftseinheit gemacht haben. Daher müssen wir – in diesem Punkt stimme ich dem Antrag zu – den Ausschuss Digitale Agenda stärken. Er darf aber nicht neben den Fachbereichen arbeiten, sondern muss in diese hineinarbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sind wir einmal ehrlich: Das beste Kompliment an diesen Ausschuss wäre, wenn er in ein paar Jahren aufgelöst würde, weil jeder Ausschuss, jeder Abgeordnete und jedes Ministerium so viel Digitalisierungswissen inhaliert haben, dass es keinerlei Koordination mehr bedarf.

Liebe FDP, es wundert mich schon, dass Sie im letzten Jahrhundert keinen Antrag auf Einrichtung eines Schreibmaschinenministeriums gestellt haben, damit Briefe in den anderen Ministerien nicht mehr mit der Feder geschrieben werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie, Kollegen von den Freidemokraten, machen es sich da zu einfach. Ein eigenes Digitalministerium klingt genauso gut wie die Überschriften in Ihren Anträgen. Sie helfen uns aber nicht weiter, um Digital-DNA in alle Bereiche unseres Lebens zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn der Kollege Lindner heute nicht da ist – vielleicht ist er schon im Feierabend –: So langsam versteht auch der Letzte, warum Sie die Regierungs- und Gestaltungsmöglichkeiten in Ihrer Partei in NRW zurückgelassen haben. Es ist doch viel komfortabler, hier erst einmal Jamaika scheitern zu lassen und jetzt wohlklingende Anträge zu formulieren, die man eh nicht umsetzen muss.

(Beifall bei der SPD – Manuel Höferlin [FDP]: Da wollen wir mit Ihnen nicht tauschen müssen!)

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Ihre Kollegen in Düsseldorf haben jetzt den undankbaren Job von Ihnen geerbt, Ihre Wahlversprechen Stück für Stück zu begraben.

Frau Kollegin, bitte!

Die SPD und ich wollen nicht gut klingen. Wir wollen gute Politik machen, sodass Digitalisierung das Leben der Bürgerinnen und Bürger verbessert, im Alltag, bei der Arbeit, in den Schulen und ganz konkret.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, herzlichen Dank. Aber das Schöne an der digitalen Uhr, die Sie vor sich haben, ist: Sie zeigt auch das Ende der Redezeit an.

Vielen Dank, Herr Präsident, für diesen Hinweis.

(Falko Mohrs [SPD]: Es war so wichtig, was Sie zu sagen hatte!)

Ja, aber auch für sie gilt die Geschäftsordnung. Ich kann es leider nicht ändern.

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Anke ­Domscheit-Berg für Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249421
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland
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