28.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 42 / Zusatzpunkt 7

Johannes FechnerSPD - Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat will die Fraktion der Linken die Ersatzfreiheitsstrafe komplett abschaffen. Ersatzfreiheitsstrafe bedeutet – wir haben es schon gehört –, dass Straftäter, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, sie dann aber nicht bezahlen können, als Ersatz für die Geldstrafe in Haft müssen.

Ich finde, wir müssen hier das Problem diskutieren. Die aktuelle Regelung hat zur Folge, dass 10 Prozent aller Inhaftierten ärmere Menschen sind, die, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten, in Haft mussten. Das sind in Deutschland über 4 000 Personen; überwiegend sind es Menschen, die keinen Job haben, die einen Krankheitshintergrund haben. Deswegen ist das Grundanliegen der Linken tatsächlich interessant zu diskutieren, wenngleich ich Ihren Gesetzentwurf in der Sache ablehne;

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Schade eigentlich!)

denn es gibt schon heute die Möglichkeit, dass die Länder Regelungen treffen, dass man durch das Ableisten gemeinnütziger Arbeit nicht in Haft muss, die Ersatzhaftstrafe nicht antreten muss, wenn es unangemessen erscheint.

Zum Beispiel hat der frühere Justizminister Kutschaty in Nordrhein-Westfalen intensiv mit Bistümern oder mit der Caritas daran gearbeitet, entsprechende Schritte einzuleiten, und es so den Strafvollstreckungsbehörden ermöglicht, Verurteilte anstelle von Ersatzfreiheitsstrafe in gemeinnützige Arbeit, etwa bei den Kirchen, zu bringen oder sie an Sozialeinrichtungen zu vermitteln.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist gut! Aber davon brauchen wir mehr, viel mehr!)

Auch in Niedersachsen haben wir ein solches Projekt. Schon seit 1991 gibt es das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“. Im Jahr 2016 konnten so etwa 1 200 Menschen, die nur zu Bagatelldelikten verurteilt wurden, vor der Ersatzfreiheitsstrafe bewahrt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Beispiele, die zeigen, dass in den Ländern sehr sinnvoll von dieser Möglichkeit, die wir schon heute haben, Gebrauch gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch wollen Sie generell die Ersatzfreiheitsstrafe abschaffen. Das halte ich für falsch; denn dadurch machen Sie die Geldstrafe zu einem stumpfen Schwert. Ich finde, auch eine Geldstrafe muss abschreckende Sanktion sein; denn wenn ein Straftäter weiß, dass er die Geldstrafe gar nicht bezahlen muss, dann stellt sich doch die Frage: Was soll ihn zur Zahlung motivieren? Wie soll die Sanktion dann überhaupt greifen?

(Niema Movassat [DIE LINKE]: 30-jähriger Pfändungstitel!)

Es zeigt sich, dass die Geldstrafen oft erst bezahlt werden, wenn als Sanktion die Haft angedroht wird.

Man muss auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass es schon heute in der Strafprozessordnung viele soziale Möglichkeiten gibt: Es können Zahlungserleichterungen gewährt werden, etwa Ratenzahlungen, und schließlich gibt es auch die Härteklausel, nach der ein Gericht von der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe absehen kann. Ich schaue mir gerne den Fall der Frau mit dem kleinen Kind an, den Sie genannt hatten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einem solchen Fall nicht von der Härtefallklausel Gebrauch gemacht wurde.

Also, wir haben schon heute zahlreiche Möglichkeiten, ärmeren Menschen entgegenzukommen, indem sie gemeinnützige Arbeit leisten oder Ratenzahlungen erbringen. Man hört nun oft von Landesjustizministern die Forderung, die Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen. Ich finde, da ist ganz oft das Hauptmotiv, dass man Geld sparen will. Ich finde, das kann kein überzeugendes Motiv sein. Wir können keinen Strafvollzug nach Kassenlage machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es mag sein, dass in Ländern die Angebote für gemeinnützige Arbeit ausgebaut werden können, dass man da noch mehr tun kann. Es mag sein, dass manche Länder die Mittel für diese Angebote erhöhen müssen. Deshalb ist es gut, dass das Bundesjustizministerium gemeinsam mit den Ländern in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe derzeit prüft, wie diese Angebote ausgeweitet werden können, ob es alternative Sanktionsmöglichkeiten gibt. Ich finde, genau das ist der richtige Weg: gemeinsam mit den Ländern zu prüfen, ärmere Menschen bei Bagatelldelikten vor der Haft zu bewahren durch andere Sanktionen wie etwa gemeinnützige Arbeit. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Ländern prüfen, ob und wie wir alternative Sanktionen schaffen können, um Ersatzfreiheitsstrafen gerade bei Bagatelldelikten zu vermeiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Dr. Jürgen Martens.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249432
Wahlperiode 19
Sitzung 42
Tagesordnungspunkt Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe
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