29.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 20

Marc JongenAfD - Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die FDP hat einen typischen Schaufensterantrag vorgelegt, mit dem Titel „Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern“. Das ist so etwas wie das Bildungs- und Forschungsprogramm einer imaginären FDP-Alleinregierung. Bei aller Sympathie für einzelne Aspekte des Antrags, muss man doch froh sein, dass solch eine Alleinregierung nicht besteht.

(Beifall bei der AfD – Christian Dürr [FDP]: Weil wir nicht wie Sie zurück ins 18. Jahrhundert wollen!)

Sie würde nach der allzu simplen Maxime handeln: Je radikaler und schneller der Wandel, desto besser. – Das in dem Antrag massiv propagierte lebenslange Lernen entfaltet so ein unterschwelliges Drohpotenzial, für das die FDP in ihrer grenzenlosen Digitaleuphorie offenbar blind ist.

(Katja Suding [FDP]: Man kann auch einfach die Augen verschließen vor der Welt! – Christian Dürr [FDP]: Wir mauern uns einfach ein!)

Wer nämlich irgendwann nicht mehr fähig ist, sich nach der „schöpferischen Zerstörung“ seiner Firma oder seiner Branche immer wieder und wieder neu zu erfinden und völlig umzulernen,

(Christian Dürr [FDP]: Wir schotten uns ab!)

für den ist nicht wirklich Platz in dieser schönen neuen digitalen Welt.

Bildung, werte Kollegen von der FDP, heißt, sich neue Technologien auf der Grundlage bewährter Kulturtechniken anzueignen und sich ihnen nicht bedingungslos unterzuordnen.

(Beifall bei der AfD)

Denken Sie vielleicht einmal über das Bonmot von Harald Schmidt nach: „Je proll, desto digi.“

Der Stimmung nach vermittelt Ihr Antrag eine Art von Torschlusspanik. Mir kam beim Lesen folgendes Bild in den Sinn: Da rast ein Zug in die Zukunft, und der deutsche Michel steht mit der Schlafmütze daneben

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist hier eine Schlafmütze?)

und wird sich, wenn er nicht schleunigst aufspringt, bald in einem biedermeierlichen Freilichtmuseum wiederfinden. Dort kommen ihn dann Chinesen und Amerikaner besuchen, um zu sehen, wie man früher so lebte.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist Ihr Modell!)

Das ist natürlich grell überzeichnet; aber da ist auch etwas dran. Das muss man eingestehen.

Richtig ist: In der deutschen Wissenschafts- und Forschungspolitik sind seit Jahrzehnten die Weichen falsch gestellt worden. Mit dem Bologna-Prozess hat eine wissenschaftsfeindliche Verschulung des Studiums stattgefunden. Man hat ohne Not die bewährten Diplom- und Magisterstudiengänge aufgegeben; man hat den international hoch angesehenen deutschen Diplomingenieur durch Bachelor und Master ersetzt, wofür wir in den USA, wo wir damit ja Anschluss finden wollen, im Übrigen nur Kopfschütteln geerntet haben.

(Beifall bei der AfD)

Die Dominanz der Projektförderung in der Forschung, hauptsächlich nach EU-Vorgaben, und die damit verbundenen Antrags- und Berichtspflichten haben zu einer exorbitanten Mehrbelastung der Forscher mit wissenschaftsfremden Aufgaben geführt. All die EU-Programme und Initiativen, die der Wissenschaft übergestülpt werden, sind im Wesentlichen für eines gut, nämlich eine neue Kaste von Bürokraten und Wissenschaftsmanagern zu nähren, die selbstreferenziell dafür sorgt, dass die bürokratischen Mühlen mahlen und ihre eigene Reproduktion gesichert ist. Zum Wohle der Wissenschaft ist das nicht.

(Beifall bei der AfD)

Gute Wissenschaft gibt es weiterhin in Deutschland, aber nicht wegen, sondern trotz dieser bürokratischen EU-Programme, meine Damen und Herren. Hinzu kommt noch der schädliche Einfluss der Ideologie. Das Gender-Mainstreaming,

(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das den Aberwitz der Genderideologie auch in seriöse Forschungsfelder hineinträgt, hat inzwischen einen ähnlichen Status erreicht wie weiland der Marxismus-­Leninismus in der DDR.

(Beifall bei der AfD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Gott!)

Alle müssen diesen Gessler-Hut grüßen, wenn sie weiterhin in Ruhe forschen wollen und nicht einer neuen Inquisition zum Opfer fallen wollen. Das bedeutet eine schleichende Korruption des freien Forschergeistes, meine Damen und Herren.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uiuiui! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie bedrohen die Genderforscherinnen und -forscher! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Billig!)

Kein Wunder, dass seit vielen Jahren ein Braindrain stattfindet, auch deswegen übrigens, weil die Arbeits- und Karrierebedingungen der Wissenschaftler hierzulande nicht gut genug sind. Ebenso wie die Millionäre verlassen auch die klügsten Köpfe scharenweise unser Land.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht in Ihrer Fraktion! Aber bei uns nicht!)

Und bei aller Notwendigkeit der künstlichen Intelligenz: Diese klugen Köpfe werden wir durch KI nicht ersetzen können.

(Beifall bei der AfD – Zurufe der Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] und Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man müsste endlich ernst machen mit der vielbeschworenen Autonomie der Universitäten und Forschungsinstitute. Lassen wir die Wissenschaft sich aus ihrer Eigenlogik heraus entwickeln. Statten wir sie mit ausreichenden Mitteln aus, aber überlagern wir sie nicht mit bürokratischen Programmen, mit Ideologie und mit staatlichen Strukturvorgaben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes erteile ich das Wort für die SPD-Fraktion dem Kollegen Dr. Karamba Diaby.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249498
Wahlperiode 19
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung
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