29.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 20

Wiebke EsdarSPD - Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn Sie erlauben, beginne ich meine Rede mit einigen Zitaten aus dem Antrag der FDP. Darin heißt es nämlich unter anderem: „Deutschland droht den Anschluss zu verlieren.“ Oder es heißt: Unser Land „rutscht ab“. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, so viel Untergangsstimmung hören wir doch sonst eigentlich nur von ganz rechts außen. Offen gesagt, klingt das für mich nicht nach „German Mut“, sondern eher nach „Liberal Panik“.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt uns aber in Panik treiben zu lassen, brauchen wir einen coolen, einen kühlen Kopf.

Bildung und Forschung sind in der Tat die zentralen Zukunftsfragen unseres Landes. Darum wollen wir die Anliegen Ihres Antrags auch gar nicht kleinreden. Ganz im Gegenteil: Bei vielen Punkten – unter anderem, wenn Sie schreiben, dass die Digitalisierung in der schulischen Bildung sozial gerecht gestaltet werden soll – rennen Sie bei uns offene Türen ein. Aber bei all der Dramatik, die Sie in Ihren Antrag legen, würden wir uns wünschen, dass Sie sich mit der gleichen Vehemenz daranmachen, echte, wirklich zielführende und umsetzbare Lösungen vorzuschlagen. Die fehlen nämlich.

(Beifall bei der SPD)

Sie möchten Bildung und Forschung in den Mittelpunkt stellen. Das Wort „Hochschule“ findet sich aber an keiner einzigen Stelle in dem Antrag.

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Stimmt gar nicht! Lesen!)

Wenn Sie Bildung und Forschung in den Mittelpunkt stellen wollen, sage ich Ihnen: Wer das will, der muss doch die Beschäftigungsbedingungen und die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft betrachten. Auch dazu kein einziges Wort.

Wir brauchen Spitzenqualität an den Hochschulen und in den Forschungseinrichtungen – keine Frage. Aber vor allem brauchen wir Qualität in der Breite, damit daraus Spitzenleistungen entstehen können. Da stellt sich doch die Frage: Wie viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler kehren der Wissenschaft in Deutschland den Rücken, weil sie schlecht bezahlt sind, unsichere Karriereperspektiven haben, befristet beschäftigt sind und sich zum Beispiel nicht einmal trauen, eine eigene Familie zu gründen?

2017 gaben in einer Erhebung der Max-Planck-Gesellschaft 49 Prozent der Doktorandinnen und Doktoranden an, ihr Verdienst reiche nicht aus, um ein Kind aufzuziehen. 58 Prozent erklärten, ihre Forschungseinrichtung unterstütze Promovierende zu wenig, wenn sie eine Familie gründen möchten. Ich könnte noch weitere Zahlen nennen: zur Unzufriedenheit mit der eigenen Vergütung, aber auch im Hinblick auf zu wenige Urlaubstage. Als jemand, der selber Doktorandin und auch Postdoc war, sage ich, dass diese Befragung beispielhaft für die Situation in Deutschland steht. Das müssen wir angehen, und da werden wir uns auch ans Werk machen.

Wir als SPD haben mit dem Pakt für Forschung und Innovation bereits die Grundlage dafür geschaffen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen pro Jahr mit 3 Prozent Aufwuchs auszustatten. Was jetzt fehlt, ist – da würde ich Ministerin Karliczek gerne noch stärker in die Pflicht nehmen –, dass von diesem zusätzlichen Geld am Ende auch die Beschäftigten profitieren. Wir haben das bereits konkret angemahnt, und wir werden da auch dranbleiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Darüber hinaus werden wir in dieser Legislaturperiode den Hochschulpakt dauerhaft verstetigen. Wir setzen den Qualitätspakt Lehre fort. Mit dem Tenure-Track-Programm haben wir die Karrierewege an Universitäten bereits planbarer und transparenter gemacht. Mit dem Nachwuchspakt für die Fachhochschulen legen wir jetzt in diesem Bereich nach. Wir fördern Frauen mit dem Professorinnenprogramm. All das sind konkrete Schritte, mit denen wir den Wissenschaftsstandort in Deutschland gestärkt haben.

Kolleginnen und Kollegen, das sind zentrale Schritte, die erst einmal für mehr soziale Sicherheit in der deutschen Wissenschaft sorgen. Durch mehr soziale Sicherheit schaffen wir dann attraktive Beschäftigungsverhältnisse. Attraktive Beschäftigungsverhältnisse ebnen für unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Weg hin zu exzellenten Leistungen und Spitzenleistungen an den Hochschulen und in den Forschungseinrichtungen. Dann sind sie dabei – ganz nebenbei – auch noch Aushängeschild im Wettbewerb um die besten Köpfe in der ganzen Welt.

Wir als Bundestagsfraktion sind überzeugt: Wenn wir die Zukunftsfähigkeit der Wissensgesellschaft Deutschland erhalten wollen, dann brauchen wir Spitzenforschung. Die Grundlage dafür ist aber soziale Sicherheit.

Ich bin hoffnungsvoll, dass auch Sie von der FDP noch zu dieser Erkenntnis kommen können, und ich hoffe, dass Sie dann auch Ihren liberal Mood entdecken. Dann können wir gemeinsam daran arbeiten.

Danke schön.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249503
Wahlperiode 19
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Zukunftsfähigkeit Deutschlands - Bildung und Forschung
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