29.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 19

Heiko Maas - Deutschland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 184 Jastimmen bei 4 Neinstimmen für Deutschland verkündete der Präsident – –

(Unruhe)

Herr Minister, tun Sie mir einen Gefallen und beginnen Sie noch mal neu. Wir warten, bis die Kolleginnen und Kollegen ihre Begrüßungszeremonien abgehalten und sich entweder gesetzt oder den Saal verlassen haben.

Dann stoppen Sie bitte die Uhr, Herr Präsident, solange ich hier innehalten soll.

Ich weiß, dass Sie in der Lage sind, auch bei einer solchen Lautstärke zu reden, aber diese Unruhe ist einfach nicht nur unhöflich, sondern auch ungewöhnlich in diesem Haus.

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. – Also noch mal – es hat sich nichts verändert –: 184 Jastimmen bei 4 Neinstimmen für Deutschland verkündete der Präsident der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 8. Juni 2018 als Ergebnis der Wahl der nichtständigen Sicherheitsratsmitglieder, und ich finde, das ist eine überwältigende Mehrheit für unser Land und keineswegs selbstverständlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Diese Mehrheit ist Ausdruck der großen Anerkennung für das weltweite Engagement unseres Landes, und manchmal würde ich mir wünschen, dass die, die in unserem Land schlecht über unser Land reden, sich mal außerhalb des Landes erkundigen würden, wie dort über uns geredet wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wir reden über die Regierung! Es geht um die Regierungspolitik! – Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Die lachen über uns!)

Wir sind als aktiver Fürsprecher multilateraler Konfliktlösungen bekannt, wir sind viertgrößter Beitragszahler in den Vereinten Nationen, und wir sind auch ein wichtiger Truppensteller.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Ja, und sehr beliebt dafür!)

Wir sind ein engagiertes Mitglied im Menschenrechtsrat und großzügiger Unterstützer des humanitären Systems und der Entwicklungsorganisationen der Vereinten Nationen.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Toll!)

Unsere Wahl in den Sicherheitsrat ist aber nicht nur die Anerkennung für bereits Geleistetes. Bei meinen drei Besuchen bei den Vereinten Nationen im Vorfeld der Wahl habe ich deutlich erfahren können, welche hohen Erwartungen an uns gerichtet sind. Deutschland wird zugetraut, eine Kraft des Ausgleichs zu sein, ein Verteidiger der regelbasierten Weltordnung, eine Stimme der Vernunft in einer zunehmend radikalisierten Welt. Das sind hohe Ansprüche, denen wir aber gerecht werden wollen.

Vor 60 Jahren sprach der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Dag Hammarskjöld von Zeiten des Friedens, die kein Friede sind. Auch wenn sich die Herausforderungen seitdem verändert haben, spüren wir heute doch, dass unser Friede keineswegs eine Ewigkeitsgarantie hat, dass Konflikte in der Welt auch uns in Europa unmittelbar erreichen und dass die Weltordnung gerade im Moment gewaltige Umbrüche erlebt.

Wichtige Akteure wenden sich vom multilateralen System ab. Denken wir etwa an den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Menschenrechtsrat. Andere Staaten blockieren internationale Konfliktlösungen durch ihr Veto oder brechen internationales Recht, wie wir das bei der Annexion der Krim gesehen haben.

Unsere Antwort darauf muss die Antwort sein, die auch Dag Hammarskjöld gegeben hat, als er sagte: Wir brauchen starke Vereinte Nationen, und wir brauchen sie mehr denn je.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir brauchen natürlich auch einen handlungsfähigen Sicherheitsrat als Herzstück der internationalen Sicherheitsarchitektur. Bei aller berechtigten Kritik dürfen wir eines nicht vergessen: Alleine im vergangenen Jahr wurden 61 Resolutionen im Sicherheitsrat in New York angenommen – 59 davon einstimmig. Das zeigt: Der Sicherheitsrat kann und wird einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Stabilität leisten.

Wenn wir 2019 in den Sicherheitsrat einziehen, wird dieser zu einem Drittel aus EU-Mitgliedern bestehen. Diesen europäischen Moment wollen wir nutzen. Europäische Außenpolitik, die diesen Namen verdient, wollen wir auch in New York machen, dort, wo es um die großen Fragen von Krieg und Frieden geht.

Meine Damen und Herren, natürlich ist die Arbeit im Sicherheitsrat zuallererst von den aktuellen Krisen unserer Zeit geprägt. So schwierig es auch sein wird, bei der Konfliktlösung in Syrien, in der Ukraine, im Südsudan oder im Jemen voranzukommen: Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Wir sitzen schon jetzt am Verhandlungstisch, wenn es um eine politische Lösung für Syrien oder um eine friedliche Lösung für die Ostukraine geht.

Klar ist aber auch, dass der Sicherheitsrat nicht immer erst dann aktiv werden kann, wenn es schon lichterloh brennt. Er muss Brände verhindern, und er muss sich zunehmend auch um die Brandbeschleuniger kümmern. Wie im Antrag von CDU/CSU und SPD gefordert, wollen wir daher unseren Vorsitz im Sicherheitsrat auch nutzen – das wird schon im April des nächsten Jahres der Fall sein –, um Menschenrechtsverletzungen, die Auswirkungen des Klimawandels oder Gesundheitsrisiken wie Ebola auf die Tagesordnung zu setzen; denn wir wissen, dass Entwicklung und Achtung der Menschenrechte immer die Voraussetzung für dauerhaften Frieden sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch der vielfach zu wenig beachtete und unverzichtbare Beitrag, den Frauen für Frieden und Sicherheit leisten, muss noch stärker berücksichtigt werden. Hier wollen wir schwedische Initiativen aus dem Sicherheitsrat aufgreifen und fortführen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Krisenprävention ist eine unserer deutschen Stärken. Unsere Erfahrungen, unsere Ideen und unsere Kapazitäten bei der Stabilisierung, der Mediation und der Konfliktnachsorge werden schon jetzt weltweit abgefragt. Wir werden sie auch aus dem Sicherheitsrat heraus überall dort einbringen, wo Länder in Konflikte abzurutschen drohen.

Ein weiterer Brandbeschleuniger ist die unkontrollierte Proliferation von Waffen, insbesondere von Kleinwaffen. Hier wollen wir gemeinsam mit den Vereinten Nationen Verbesserungen für Menschen in Kriegsgebieten erreichen. Auch dieses Thema werden wir auf die Tagesordnung setzen.

(Beifall bei der SPD)

Angesichts der globalen Aufrüstung begrüßen wir deshalb ganz außerordentlich, dass Generalsekretär Guterres die Themen Abrüstung und Rüstungskontrolle wieder auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen gesetzt hat. Auch das wird ein Punkt sein, mit dem wir uns außerordentlich intensiv beschäftigen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss will ich noch einen Punkt ansprechen, der auch im Antrag der Regierungsfraktionen zu Recht aufgeworfen wird: Wie können wir die Effektivität und die Legitimität der Vereinten Nationen stärken? Ein Ansatzpunkt ist, um das deutlich zu sagen, den Sicherheitsrat inklusiver zu machen. Das heißt, ihn endlich an die Realität des 21. Jahrhunderts anzupassen. Das heißt auch: Deutschland steht bereit, in einem reformierten Sicherheitsrat auch dauerhaft Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist das Wichtigste dabei!)

Neben den Sicherheitsratsreformen müssen wir aber auch die Reform des Entwicklungssystems der Vereinten Nationen und der Managementstrukturen voranbringen. Auch das ist eines der großen Reformvorhaben des Generalsekretärs. Dabei gibt uns auch die breite Unterstützung des Deutschen Bundestages Rückenwind dafür, die freiwilligen Beiträge Deutschlands im Rahmen bestehender Handlungsspielräume noch einmal zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, das ist ein wichtiges Signal. Das ist aber auch ein notwendiges Signal, besonders in Zeiten, in denen auch der eine oder andere in Deutschland schon den Abgesang auf die multilaterale Weltordnung angestimmt hat. Je breiter der Multilateralismus infrage steht, desto entschiedener müssen wir ihn verteidigen. Wir müssen für mehr internationale Zusammenarbeit und nicht weniger eintreten. Das wollen wir tun: als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Minister Maas. – Als Nächstem erteile ich für die AfD-Fraktion dem Kollegen ­Armin-Paulus Hampel das Wort.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249507
Wahlperiode 19
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Deutschland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
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