29.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 21

Katrin BuddeSPD - Änderung des Tiergesundheitsgesetzes

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns alle darüber einig, dass der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland fatale Auswirkungen hätte. Deshalb handeln wir ja auch heute. Wir wissen, dass handelsrelevante Drittstaaten, auch so große wie China, vermutlich sofort ihre Importe aus Deutschland auf Eis legen würden. Das wäre in der Tat nicht nur nicht lustig, sondern verheerend. Das hätte wirtschaftliche Auswirkungen, die der Deutsche Bauernverband auf 2 bis 3 Milliarden Euro jährlich schätzt. Deshalb müssen wir versuchen, das, was an Bundesgesetzgebung möglich ist, den Ländern an die Hand zu geben, um in einer Krisensituation, also bei einem Auftreten der Schweinepest, reagieren zu können.

Was haben wir? Wir haben den Entwurf eines Änderungsgesetzes, mit dem die Grundlage dafür geschaffen werden soll, dass die Afrikanische Schweinepest eingedämmt wird, wenn sie nach Deutschland eingeschleppt würde, also im Krisenfall ein Ausbruch verhindert wird. Dann soll die Möglichkeit bestehen, unverzüglich einzugreifen. Wenn die Afrikanische Schweinepest plötzlich auftreten würde, bliebe sicherlich keine Zeit mehr, um Gesetze zu ändern. Deshalb haben wir das heute auf der Tagesordnung. Deshalb ist es gut, wenn wir das zügig beraten. Deshalb ist eine rasche Gesetzesänderung jetzt notwendig. Das ist ein Gebot der Stunde, damit wir auf das Szenario bestmöglich vorbereitet sind, ohne Ängste zu schüren oder Ängste zu verbreiten.

Die Zahl der Ausbrüche in den osteuropäischen Ländern ist zwar seit 2014 kontinuierlich gestiegen – zuletzt war ein großer Hausschweinebestand im Nordosten von Polen betroffen –; aber die Afrikanische Schweinepest rückt nicht in dem Maße vor, wie wir das noch vor einem Jahr gedacht haben. Also gemach und vernünftig mit der Situation umgehen! Es hat auch seine Gründe, warum sie eingedämmt worden ist – der Kollege Staatssekretär hat schon darauf verwiesen –: Die Tschechen machen einen verdammt guten Job. Sie haben das ausprobiert und frühzeitig reagiert. Die Änderungsvorschläge, die wir heute vorliegen haben und über die wir hier diskutieren, beruhen auf den Erfahrungen mit der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest in Tschechien. Das dient uns als Vorbild und ist Grundlage für die Gesetzesanpassung. Man muss einfach sagen, dass in Tschechien bisher noch kein Hausschweinebestand von der Afrikanischen Schweinepest betroffen ist. Das ist gut; deshalb können wir uns daran orientieren. Das ist im Grunde auch eine gute Nachricht für unsere Schweinehalter in Deutschland, weil die Afrikanische Schweinepest von dieser Seite nicht vorrückt.

Ergo, mit einem guten Seuchenmanagement kann man die Afrikanische Schweinepest eindämmen. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass die zuständigen Behörden vor Ort die Möglichkeit eingeräumt bekommen, ein bestimmtes Gebiet abzusperren, also einzuzäunen, den Personen- und Lieferverkehr zu beschränken – das ist immer unschön; das will keiner, aber in bestimmten Situationen ist das eben einfach nötig –, und die Behörden befugt werden, vermehrt Fallwildsuche, insbesondere bei den Wildschweinen, anzuordnen, damit die gesunden Tiere sich nicht anstecken können.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass für bestimmte landwirtschaftliche Flächen ein Nutzungsverbot ausgesprochen wird. Das kann dann auch heißen, dass eben nicht geerntet werden darf, damit die Wildschweine in ihrem Bereich bleiben und nicht von dort wegwandern. Wir wissen, dass das mit Entschädigungszahlungen verbunden sein muss, weil es zu wirtschaftlichen Ausfällen bei den Landwirtinnen und Landwirten führt. Wir wissen auch, dass uns der Bundesrat, da das bei den Ländern liegt, schon aufgetragen hat, die Entschädigungszahlungen aufzubringen, natürlich in unbestimmter Höhe. Wenn das so kommen würde, haben wir den Auftrag, darüber nachzudenken, ob wir als Bund nicht mit unterstützen können. Es wird ganz sicher auch eine Aufgabe mit Blick auf den 2019er-Haushalt sein, darüber zu reden, ob wir die Bundesländer dabei unterstützen können.

Entschädigungszahlungen sind immer richtig und immer falsch. Man kann ganz viel darüber diskutieren: Welche sind die richtigen Grundlagen? Ist die Höhe in Bezug auf die Region, die angebaute Sorte und das Jahr richtig gegriffen? Da werden wir uns wahrscheinlich nie einig werden. Deshalb, glaube ich, ist die Grundlage, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist, gut.

Wir müssen allerdings unterscheiden: Wir haben auf der einen Seite das Ausbreitungsrisiko – es gibt schon einige Vorschläge, wie man es für den Fall der Fälle eindämmen kann –, und wir haben auf der anderen Seite die Einschleppungsgefahr. Daran kann ein Gesetz nicht viel ändern. Die Einschleppungsgefahr besteht weiter. Ja, sie besteht über den Menschen. Ja, sie besteht über die berühmte Wurststulle, die immer wieder angeführt wird. So ist es auch, wenn sie nicht aufgegessen wird. Dem Menschen schadet sie nicht. Aber wenn sie zur Hälfte weggeworfen wird, am Wegesrand liegt, dann zufällig von einem Schwein gefressen wird und etwas vom Virus auf sich trägt, dann wäre das natürlich fatal und könnte zu einer Ausbreitung führen. Das ist über Lkw-Reifen und Pkw-Reifen möglich; das ist klar.

Es wird in der Tat sehr schwierig werden, die Einschleppungsgefahr einzudämmen; denn wir können – mit Verlaub – nicht auf jeder Autobahn etwas unternehmen. Aus den alten Zeiten von vor 1989 kenne ich es so – das wird heute auch noch so sein –, dass man, wenn man in einen landwirtschaftlichen Betrieb ging, durch eine Seuchenmatte gehen musste. Dass wir das für alle Lkws und alle Pkws auf den Autobahnen an den Grenzen machen können, halte ich für fraglich. Vermutlich werden wir dieses Risiko nur eindämmen können, indem wir auf die Vernunft derjenigen setzen, die etwas einführen und in diesem Sinne Gefährder sein könnten, das Virus einzuschleppen.

Ja, der Virus kann Hunderte Kilometer zurücklegen. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, sondern wir müssen unsere Aufmerksamkeit auch auf diesen Aspekt richten.

Außerdem bestehen tierschutzrelevante Probleme. Ja, wir wollen das Bundesjagdgesetz ändern. Es sieht vor, dass die Länder die Jagd in Setz- und Brutzeiten aus Gründen des Seuchenschutzes zulassen können. Dabei dürfen wir aber, meine Damen und Herren, nicht außer Acht lassen, dass auch dies zu tierschutzrelevanten Problemen führt. Ich will das an dieser Stelle nur anmerken; denn diese Probleme sind in der Tat da. Das wird immer eine Abwägung sein. Denn wenn Bachen geschossen werden, sind irgendwo die Frischlinge, wenn es denn welche gibt, und sie sind dann in der Tat hilflos, werden entweder verhungern oder von Raubtieren aufgefressen. Deshalb wird es immer eine Abwägung sein, inwieweit hier ein Risiko besteht. Wenn die Seuche das größere Risiko ist, muss diese Genehmigung erteilt werden. Das müssten dann die Länder machen, aber wir schaffen die Ermächtigung dafür.

Es geht also immer um eine Abwägung zwischen der Lockerung des Bundesjagdgesetzes und den tierschutzrelevanten Problemen. Ich bin davon überzeugt, dass sowohl die Länder als auch die Jägerinnen und Jäger damit sehr vernünftig umgehen werden.

Lassen Sie uns keine Zeit verlieren und die vorgelegten Gesetzesänderungen rasch verabschieden, damit wir im Fall der Fälle – auch wenn wir alle hoffen, dass ein Seuchenfall nicht eintreten wird – effektiv und schnell handeln können. Die Tschechen machen es uns mit einem guten Seuchenmanagement vor. Wenn die Behörden vor Ort über das richtige Instrumentarium verfügen, sind wir schon einen Schritt weiter. Ich jedenfalls weiß: Wenn ich im Sommer in Tschechien im Urlaub bin, kann ich ungefährdet mein Picknickkörbchen packen. Darauf freue ich mich. Ich wünsche uns eine gute Beratung des Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Karlheinz ­Busen das Wort.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249559
Wahlperiode 19
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Änderung des Tiergesundheitsgesetzes
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