29.06.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 43 / Tagesordnungspunkt 24

Sebastian MünzenmaierAfD - Gewerbesteuerliche Hinzurechnung - Urlaubssteuer

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung, im Volksmund oft auch Urlaubssteuer getauft, besorgt Tausende von Menschen in Deutschland und treibt ihnen die Zornesfalten ins Gesicht. Ursprüngliche Intention des Gesetzgebers bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung war die Beteiligung der öffentlichen Hand an den Wachstumsinvestitionen der Industrie. Unternehmen, die also wachstumsbedingt neue Büros oder Werkshallen anmieten, sollten auf den Mietpreis ebenfalls Gewerbesteuer entrichten. Die Besteuerungsgrundlage sollte also verbreitert werden.

Findige Finanzbeamte verkennen jedoch diesen ursprünglichen Zweck der Vorschrift vollkommen und legen jetzt dank eines 2012 ergangenen Ländererlasses, der vom Bundesfinanzminister angestoßen wurde, die Gewerbesteuerhinzurechnung völlig anders aus. Nun sollen beispielsweise Reiseveranstalter auf die Kaltmiete für Hotelzimmer, die sie an Kunden weitervermitteln, plötzlich Gewerbesteuer zahlen. Diese Form der Auslegung ist extrem umstritten und sorgt vor allem für erhebliche Rechtsunsicherheiten.

Voraussetzung ist ein Mietverhältnis nach zivilrechtlichen Grundlagen. Die Überlassung eines Hotelzimmers, das vom Reiseveranstalter natürlich nicht selbst genutzt wird, sondern an einen Kunden weitervermittelt wird, kann aber schwerlich als Mietverhältnis bezeichnet werden. Wie soll man denn außerdem die Kaltmiete eines Hotelzimmers berechnen?

Sie merken schon: Steuererklärungen werden für Reiseveranstalter in Zukunft zum türkischen Basar, auf dem je nach Finanzbeamten mal eine etwas höhere, mal eine etwas geringere Belastung auf das Unternehmen zukommt. Rechtssicherheit: Fehlanzeige.

(Beifall bei der AfD)

Außerdem stellt sich natürlich die Frage: Wer wird denn diese Zusatzbelastung am Ende übernehmen? Zahlt nicht letztendlich wieder der deutsche Michel, der sowieso schon knapp die Hälfte seines hart erarbeiteten Lohns abgibt, einfach mehr Geld für den wohlverdienten Urlaub? Genauso wird es kommen. Experten rechnen mit einer Verteuerung von Reisen um durchschnittlich 2,3 Prozent. Der Leidtragende ist wie so oft in diesem Hohen Haus der deutsche Bürger, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Oder vielleicht die Bürgerin!)

Noch schlimmer als diese Rechtsunsicherheit und auch unnötige Preissteigerungen ist jedoch die Existenzgefährdung unzähliger Firmen. Gerade Reiseveranstalter, die traditionell mit sehr geringen Margen arbeiten, stehen massiv unter Druck. Sollte die gegenwärtige Praxis der Finanzverwaltung nicht gestoppt werden, drohen nach Einschätzung des Deutschen ReiseVerbands Steuernachforderungen von mehr als 1,4 Milliarden Euro – 1,4 Milliarden Euro für eine Branche, die zum Großteil aus kleinen und mittelständischen Familienunternehmen besteht.

Großkonzerne hingegen werden letztendlich von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung sogar noch profitieren. Zum einen ist es für sie wesentlich einfacher, Rückstellungen zu bilden, und zum anderen können sie sich klammheimlich darüber freuen, dass viele kleine Mitkonkurrenten in die Insolvenz gehen müssen. Wieder einmal wird also unser Mittelstand – die Menschen, die das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft bilden – massiv geschädigt und vor nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten gestellt.

(Beifall bei der AfD)

Der Präsident des RDA, des Internationalen Bustouristikverbands, rechnet damit, dass 25 Prozent aller Reisebusunternehmen in Deutschland aufgrund der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung insolvenzgefährdet sind. 25 Prozent, meine Damen und Herren! Welche Kommune hat denn einen Vorteil von einer vermeintlich höheren Gewerbesteuer, wenn danach ein Viertel aller ansässigen Betriebe in diesem Bereich insolvent gehen? Dann gibt es nämlich überhaupt keine Steuereinnahmen von diesen Firmen mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Oder wie wird sich die Situation in den grenznahen Gebieten zu Polen, Frankreich oder Tschechien gestalten? Jeder Reiseveranstalter und jeder Busunternehmer wird, um die eigene Existenz zu retten, den Sitz ins nahegelegene Ausland verlagern,

(Marianne Schieder [SPD]: Ach Quatsch!)

sich so nicht nur die gewerbesteuerliche Hinzurechnung sparen, sondern den deutschen Staat auch um sonstige Steuereinnahmen bringen, ganz zu schweigen davon, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung wieder einmal unsere deutschen Unternehmen vor einen Wettbewerbsnachteil stellt, ausländische Anbieter besserstellt und Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet.

(Beifall bei der AfD)

Wie so oft haben die Finanzminister der Länder und auch des Bundes kurzfristig gedacht und sind sich überhaupt nicht im Klaren über die massiven Folgen der verfehlten Politik.

Fassen wir also kurz zusammen: Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung bedroht Tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland, belastet insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen und somit das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft, sorgt für erhebliche Rechtsunsicherheiten und verteuert das Reisen für unsere Bürger.

Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Schließlich sind alle hier versammelten Fraktionen – von der Linken bis zur AfD – im Ausschuss einhellig der Meinung gewesen, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung im Übernachtungsgewerbe gestoppt werden muss und dass wir als Deutscher Bundestag hier in der Verantwortung stehen. Werte Kollegen, bitte werden Sie dieser Verantwortung endlich einmal gerecht! Verstecken Sie sich bitte nicht wieder hinter irgendwelchen Formalien oder Worthülsen, sondern entscheiden Sie wenigstens einmal bei einem Sachthema ohne parteipolitische Scheuklappen. Gerne gehen wir mit gutem Beispiel voran.

(Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wir freuen uns auf die Debatte über den FDP-Antrag, der in die richtige Richtung geht, in den Ausschüssen.

Wir als AfD-Fraktion stehen an der Seite der deutschen Wirtschaft. Wir stärken den Mittelstand. Wir kämpfen für Rechtssicherheit und gegen soziale Ausgrenzung. Springen Sie also doch bitte einmal über Ihren Schatten! Entscheiden Sie sich für unseren Antrag statt für eine Ausgrenzung aus billigen parteipolitischen Motiven!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Eijeijei!)

Der nächste Redner ist der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7249570
Wahlperiode 19
Sitzung 43
Tagesordnungspunkt Gewerbesteuerliche Hinzurechnung - Urlaubssteuer
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