04.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 45 / Tagesordnungspunkt I.10

Margit StumppDIE GRÜNEN - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Horst Seehofer kündigt Unionsbündnis mit CDU auf“ – das war vor zweieinhalb Wochen die Sensationsmeldung, unter anderem bei „Reuters“, „Bild“ und „tagesschau24“. Wie sich wenig später herausstellte, war das eine als Eilmeldung getarnte Fake News des Satiremagazins „Titanic“. Es überrascht nicht, dass „Russia Today Deutsch“ als eine der ersten diese Falschmeldung ungeprüft verbreitete und eine begeisterte Konsumentin das hier im Parlament postwendend übernommen und verkündet hat. Das war ein Paradebeispiel für die Mechanismen unserer sensationsgetriebenen Medienlandschaft.

Angesichts von Fake News und Desinformation, zunehmender Medienkonzentration und der weltweit immer stärker bedrohten Pressefreiheit ist die Medienpolitik der Bundesregierung ein Armutszeugnis. Schon im Koalitionsvertrag sucht man vergeblich nach mutigen Impulsen. Der Haushaltsentwurf fällt entsprechend mau aus. Wo ist der Plan für den Kampf gegen den grassierenden Populismus, gegen Nationalismus und die Diffamierung von Minderheiten?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Kulturpolitik, Frau Staatsministerin Grütters. Aber gibt es in Zeiten, wo Antidemokraten fast ihr ganzes Fraktionsgeld in ihre Propagandamaschinerie stecken, nicht deutlich wichtigere Herausforderungen als die Rekonstruktion eines Barockschlosses?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In Ihrer Regierungserklärung erwähnten Sie pflichtschuldig, dass „die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien“ zu pflegen seien. Mit Verlaub: Das ist nichts weiter als eine leere Worthülse. Mittel im Haushalt zur Stärkung der Medienvielfalt? Null!

(Beifall der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch beim wichtigen Thema Medienkompetenz findet sich wenig. Wo ist das im Koalitionsvertrag versprochene gesamtstaatliche Bündnis für kulturelle Bildung und Vermittlung sowie Medienkompetenz?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glauben Sie wirklich, die 4 Millionen Euro für die Initiative „Ein Netz für Kinder“ decken den so drängenden Handlungsbedarf? Warum wurde die Nationale Initiative Printmedien beerdigt? Wo bleibt der Blick in die Breite? Fazit: Beim Thema Medienkompetenz mangelt es der Bundesregierung sowohl an Bewusstsein als auch an Strategie.

Auch andere wichtige Themen liegen brach. Wie schützt die Bundesregierung verfolgte Journalisten? Die Bundesregierung führt keine Statistik über die Erteilung von Visa für verfolgte Medienschaffende. Das wirft die Frage auf, ob solche Visa überhaupt erteilt werden. Die Bemühungen zur Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalistinnen und Journalisten stocken auch. Ihre Willensbekundungen zum Einsatz für die Pressefreiheit in allen Ehren, aber wenn de facto nichts passiert, dann ist auch Ihr guter Wille irgendwann nicht mehr glaubhaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit bin ich bei der Deutschen Welle. Deren finanzielle und strukturelle Stärkung tut gleichfalls not. Der Mittelaufwuchs sollte noch enger an die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags geknüpft werden; denn dieser geht weit über das reine Verbreiten von Nachrichten hinaus. Es ist nicht hinzunehmen, dass die Verantwortlichen die Bereinigungssitzungen abwarten müssen, um einschätzen zu können, welche Vorhaben realisierbar sind. Damit sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen kann, braucht die Deutsche Welle mitsamt ihrer wichtigen DW-Akademie Planungssicherheit und eine Verstetigung der Mittel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zur Kulturpolitik. Im Koalitionsvertrag sind durchaus bedenkenswerte Absichten formuliert. Ansätze im Haushaltsentwurf? Wieder Fehlanzeige! Der Einzelplan 04 enttäuscht. Es reicht nicht, immer wieder den Aufwuchs des Kultur- und Medienetats zu feiern, wenn es innerhalb der Kulturförderung kein Gleichgewicht gibt und die wahren Probleme nicht angegangen werden.

Wir wollen die Teilhabe an Kunst und Kultur stärken und die Förderung ausbauen. Deshalb haben wir die Mittelaufstockung bei den Bundeskulturfonds und der Musikförderung, insbesondere die Rücknahme der Etatkürzung für den wichtigen Spielstättenprogrammpreis APPLAUS, beantragt. Dies wurde von der Koalition leider abgelehnt. In der Bereinigungssitzung ist man unserer Forderung dann doch noch nachgekommen. Das freut uns. Kultur braucht Verlässlichkeit. Deshalb werden wir auch 2019 eine weitere Aufstockung der notwendigen Mittel beantragen.

Unsere Kunst- und Kulturlandschaft ist zwar reich, aber sie ist größtenteils gebaut auf prekären Lebensverhältnissen, unsicheren Jobs und der Leidenschaft der Künstlerinnen und Künstler. Von Beifall und Lob allein kann niemand leben, Frau Motschmann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erwarten mehr als Loblieder auf große Projekte und inhaltsleere Ankündigungen.

Zum Schluss ein Wort zum Einheitsdenkmal. Werter Herr Kahrs, werte SPD, Sie haben in der letzten Sitzungswoche den überfälligen Baubeschluss für das Denkmal gezielt von der Tagesordnung des Haushaltsausschusses genommen. Damit haben Sie sich über die Beschlusslage des Deutschen Bundestages hinweggesetzt. Zwei Wettbewerbe, mehrere Anhörungen im Kulturausschuss und zwei Bundestagsbeschlüsse sind damit Makulatur. Diese Aktion ist peinlich und den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr vermittelbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer so mit Projekten umgeht, zeigt: Es geht hier nicht um die Sache.

Ich fürchte, mit dieser Koalition werden uns unwürdige Machtspielchen und verantwortungslose Machtproben weiter begleiten. Um es mit meinem Kollegen zu sagen: Braucht’s des? Und um es auf Schwäbisch zu beantworten: Noi, des braucht’s ned. Es wäre auch ein Zeichen von Kultur, dieses Gebaren endlich zugunsten der Inhalte und damit der Menschen in diesem Land zu beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als letzter Redner in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Dr. Jens Zimmermann für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251360
Wahlperiode 19
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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