04.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 45 / Tagesordnungspunkt I.12

Thomas HitschlerSPD - Verteidigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Haushaltsdebatten kann man sich leicht in den vielen Zahlen und Details verlieren. Natürlich schauen wir genau hin und prüfen, wofür wir welches Geld verwenden. Das schulden wir den Bürgerinnen und Bürgern, die dieses Geld erwirtschaften. Wir schulden der Bevölkerung aber auch eine Einordnung dieser Zahlen in die großen Linien. Dazu hilft es, einen Schritt zurückzutreten, sich das große Ganze anzuschauen. So wird greifbar und verständlich, warum wir einzelne Entscheidungen treffen.

2013 etwa lag der Verteidigungshaushalt bei rund 30 Milliarden Euro. Jetzt steigt er auf 38,5 Milliarden Euro. Demnächst sind wir bei weit über 40 Milliarden Euro. Innerhalb von nur zwei Legislaturperioden haben wir damit die Verteidigungsausgaben um fast ein Drittel erhöht. Das ist eine ordentliche Steigerung, aber eine mit Augenmaß, abgeleitet von den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben und den dafür benötigten Fähigkeiten. Das ist sinnvoller, als blind irgendwelchen Prozentzielen nachzujagen. Für unsere Truppe zählt nämlich nicht, ob der Verteidigungshaushalt bei 1,2 Prozent oder bei 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Für sie zählt, dass wir sie ihren Aufgaben gemäß ausrüsten.

(Beifall bei der SPD)

Der Bevölkerung müssen wir erklären, warum wir überhaupt so viel Geld für Verteidigung ausgeben.

Machen wir den Schritt zurück und fragen uns: Wo kommen wir her? Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Landes- und Bündnisverteidigung hat in den letzten Jahren wieder deutlich an Bedeutung gewonnen. Mit dem Ende des Kalten Krieges waren wir noch „umzingelt von Freunden“. Große Armeen schienen damals nicht mehr gebraucht zu werden, Personal wurde abgebaut, und Verteidigungshaushalte wurden gekürzt. Die Bundeswehr wurde in den letzten Jahren zu einer kleineren, zu einer moderneren und zu einer sehr schlagkräftigen Einsatzarmee umgebaut. Da kommen wir her, Kolleginnen und Kollegen.

Die Weltlage hat sich abermals dramatisch geändert. Terrorgruppen gründen Quasistaaten, autoritäre Herrscher sind auf dem Vormarsch. Sie brechen Völkerrecht und verschieben Grenzen mit militärischen Mitteln. Landes- und Bündnisverteidigung gewinnt damit wieder an Gewicht; leider, muss man fast sagen. Hier stehen wir jetzt.

Bleibt die Frage: Wohin wollen wir? Um ein Ziel zu erreichen, brauchte man früher einen Kompass, heutzutage tut es auch ein Navi mit GPS. Aber auch mit moderner Technik findet man seinen Weg nur, wenn man die richtigen Koordinaten hat. Unsere Koordinaten haben wir im Koalitionsvertrag verankert. Sie finden sich auch im Verteidigungshaushalt wieder. Willy Brandt sagte einst:

Nicht der Krieg, der Friede ist der Vater aller Dinge.

Das muss heute oberster Grundsatz unserer Sicherheitspolitik sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt aber Szenarien, bei denen es gerade nicht dem Frieden dient, wegzuschauen; vielmehr muss Verantwortung übernommen werden,

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Altes Denken!)

im Kampf gegen den selbsternannten „Islamischen Staat“ beispielsweise, der ganze Bevölkerungsgruppen auslöscht und in die Flucht treibt, oder beim Wiederaufbau fragiler Staaten, und genau in solchen Fällen setzen wir auch die Bundeswehr ein.

(Beifall bei der SPD)

Wo wir Verantwortung übernehmen, dienen wir dem Frieden. Das ist das Ziel eines jeden Einsatzes der Bundeswehr.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Das ist mein Verständnis unserer Parlamentsarmee. Das ist das Selbstverständnis unserer Soldatinnen und Soldaten. Ich meine, darauf können wir stolz sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für unsere Parlamentsarmee haben wir eine besondere Verantwortung, auch mit Blick auf faire Arbeitsbedingungen und die Arbeitnehmerrechte unserer Soldatinnen und Soldaten und all der zivilen Beschäftigten bei der Bundeswehr. Deshalb haben wir in der Koalition vereinbart, Gehalts- und Besoldungsstrukturen, Dienstrecht, die soziale Absicherung von Bundeswehrangehörigen und auch deren Familien sowie den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung für Soldaten auf Zeit zu verbessern. Deshalb machen wir den Arbeitgeber Bundeswehr attraktiver. Deshalb setzen wir im Ministerium eine Beauftragte für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst ein. Deshalb bauen wir Kasernen um und lassen die Abgabe von Liegenschaften erneut überprüfen. Deshalb führen wir die Trendwende Personal fort und erhöhen dort die Ausgaben. Qualifiziertes, hochmotiviertes militärisches und ziviles Personal ist der Kern der Einsatzbereitschaft und aller Fähigkeiten bei der Bundeswehr.

(Beifall bei der SPD)

Zu unserer Verantwortung gegenüber der Parlamentsarmee gehört aber auch folgender Grundsatz: Wenn wir Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz schicken, müssen wir alles tun, damit sie ihrer Aufgabe gemäß ausgerüstet sind. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag die persönliche Ausstattung unterstrichen, und deshalb erhöhen wir die Ausgaben für Bekleidung und Ausrüstung, um beispielsweise Schutzwesten schneller beschaffen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb erhöhen wir die Ausgaben für Material und investieren in gepanzerte Transportfahrzeuge. Unsere Soldatinnen und Soldaten müssen nämlich etwas von den Maßnahmen haben, die wir hier beschließen. Deshalb müssen wir von der Trendwendeankündigung zur Trendwendeumsetzung kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Marie-Agnes Strack-­Zimmermann [FDP]: Bravo! Das unterstützen wir auch!)

Kolleginnen und Kollegen, mehr militärisches Großgerät bedeutet auch höhere Kosten für die Instandsetzung. Gerade mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung müssen wir eigene Fähigkeiten bewahren und dürfen uns nicht von Quasimonopolen in der Rüstungsindustrie abhängig machen. Deshalb sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gegen eine weitere Privatisierung bei der Heeresinstandsetzungslogistik, bei der HIL.

(Beifall bei der SPD)

Rüstungsmanagement und Beschaffungsmaßnahmen müssen wir weiter optimieren. Trotz einer immens gestiegenen Auftragszahl und trotz Personalabbau machen die Kolleginnen und Kollegen im Beschaffungsamt in Koblenz einen guten Job. Deshalb müssen wir sie weiter stärken, mit mehr Personal, mehr Digitalisierung, schnelleren Verfahren und, und, und.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sicherheit erreichen wir schlussendlich nur im vernetzten Ansatz. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag Folgendes vereinbart:

Mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Verteidigung und Bundeswehr – zusätzliche finanzielle Mittel für diese Bereiche sollen im Verhältnis 1:1 prioritär erhöht werden.

Das ist genau richtig so, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Wird aber nicht gemacht!)

Zum vernetzten Ansatz gehört auch die Erkenntnis, dass wir Sicherheit rein national niemals gewährleisten können. Wir leben seit sieben Jahrzehnten in Frieden, weil wir fest an der Seite unserer Bündnispartner stehen. Die NATO, vor allem die transatlantische Partnerschaft, ist eine der beiden großen Säulen, auf denen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland basiert.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz schön wackelig im Moment!)

Der amerikanische Präsident bringt diese Säule zwar sehr zum Wanken; wir wollen sie alle gemeinsam wieder stabilisieren, aber selbstverständlich ist das leider nicht mehr.

Darum wird die zweite Säule immer wichtiger: Europa. Meine südpfälzische Heimat war als deutsch-französisches Grenzgebiet in der Geschichte immer wieder Schauplatz blutiger Konflikte, bis hin zu zwei Weltkriegen. Aus der deutsch-französischen Erbfeindschaft ist eine tiefe europäische Freundschaft gewachsen. Das war ein Segen für die Generation meiner Eltern, und das ist ein Segen für meine Generation. Sorgen wir dafür, dass Europa auch für die kommende Generation ein Segen wird.

Darum bauen wir die Europäische Verteidigungsunion aus. Darum wollen wir eine gemeinsame europäische Armee. Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns deshalb den vielen Maßnahmen, die wir im Verteidigungshaushalt und im Koalitionsvertrag vereinbart haben, zustimmen.

Kollege Hitschler, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Die Sozialdemokraten tragen den Haushalt mit.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Abgeordnete Michael Leutert das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251412
Wahlperiode 19
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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