Siemtje MöllerSPD - Verteidigung
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Wahlkampf habe ich oft gesagt: Es geht uns um Ausrüstung und nicht um Aufrüstung. Und wie wir alle merken, ist das heute noch genauso richtig wie damals. Der Haushalt zeigt: Wir tun etwas, der Verteidigungsetat wächst, im Übrigen wie jedes Jahr. Dies ist angesichts der Materiallage der Bundeswehr und unserer Bündnisverpflichtungen auch angemessen und absolut notwendig.
(Beifall bei der SPD)
Zwei Aspekte treiben mich seit Beginn dieser Wahlperiode um: Das ist einmal die mangelnde Ausrüstung der Marine und zweitens der umständliche Beschaffungsprozess. Ich bin überzeugt: Hier müssen wir endlich besser werden.
Machen wir uns nichts vor: Wir sind abhängig von der Freiheit der Meere. Sie sichert Deutschland als Exportnation auch den wirtschaftlichen Wohlstand, den wir genießen. Diesen Wohlstand wollen wir bewahren und damit einhergehend die Freiheit, die wir so sehr schätzen. Die Einsätze unserer Marine im Mittelmeer zeigen: Die Marine ist europäisch, ja international, sie ist flexibel, anpassungsfähig und belastungsfähig. Sie ist zudem erfolgreich, und das, obwohl sie schlecht ausgerüstet ist. Es fehlt an vielem, angefangen bei Oberhemden bis hin zu den vielen fehlenden Schiffen. Unsere Marine befindet sich an einem Tiefpunkt.
Vor wenigen Wochen feierte sie ihren 170. Geburtstag – ein wunderbarer Anlass. Doch tatsächlich war sie noch nie so klein wie heute. Es gibt ganze Besatzungen, denen momentan kein Schiff, keine Fregatte, kein U-Boot zur Verfügung stehen. Den Unmut und das Unverständnis darüber höre ich tagtäglich direkt von den Soldatinnen und Soldaten, und ich frage mich: Welche Auswirkungen hat ein solcher Ausrüstungsstand auf die Motivation unserer zur See fahrenden Soldatinnen und Soldaten, und welche Auswirkungen hat er auf unser Ansehen bei unseren Bündnispartnern?
Unmut entsteht auch, wo Soldatinnen und Soldaten keine Wertschätzung erfahren. Manchmal würde es helfen, diesem Unmut zu begegnen und Zeichen der Wertschätzung, auch wenn es nur kleine sind, zu gewähren.
Nehmen wir als Beispiel einmal die ehrenvolle Verabschiedung in einen Einsatz oder das Willkommenheißen nach der Rückkehr. Im Moment findet das nur bedingt statt. Selten kann eine ehrenvolle Verabschiedung mit Live-Musik realisiert werden; meistens läuft Musik vom Band. Ich finde, hierfür muss doch ein zusätzliches Marinemusikkorps eingerichtet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Damit können wir allen Soldatinnen und Soldaten, die mit unseren Schiffen in See stechen, unsere Wertschätzung zeigen und eine Tradition der Seefahrt wiederbeleben bzw. aufrechterhalten. Ich finde, das haben unsere Seefahrerinnen und Seefahrer verdient!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mein zweiter Kritikpunkt ist der Beschaffungsprozess. Es zeigt sich doch: Der Prozess ist viel zu langwierig. Mir ist schon bewusst, dass man damals mit dem veränderten Prozess sicherstellen wollte, dass es nachher bei der Auslieferung nicht zu Verzögerungen kommt, wie es bereits vorher so häufig passiert war. Aber wenn nun bereits der Beschaffungsprozess die Gefahr birgt, dass Schlüsseltechnologien wie der maritime Schiffbau aus Deutschland abwandern, dann stimmt doch etwas mit diesem Prozess nicht. Das müssen wir doch erkennen. Das müssen wir auch beheben.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben Vorschläge zur Reformierung des Beschaffungsamtes der Bundeswehr gemacht, die ganz sicher keine Pläne zur Privatisierung umfassen – so wie es von anderer Seite aus geplant ist –,
(Beifall bei der SPD)
eben weil es eine zutiefst staatliche Aufgabe ist, unsere Bundeswehr auszurüsten. Es ist ein Teil unserer Rolle als souveräner Staat.
Die Debatte darum, ob wir 2 Prozent, 1,9 Prozent oder 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – wie viel auch immer – für Verteidigung ausgeben, führt in die Irre; denn bei dieser Debatte diskutieren wir am Wesentlichen vorbei: Was braucht die Truppe? Was ist realisierbar? Wie können wir den Beschaffungsprozess erfolgreich verändern? Wann steht das Gerät auf dem Hof bzw. liegt im Hafen?
(Beifall bei der SPD)
Ein einziges Trauerspiel ist wirklich – und zu meinem Leidwesen – der gesamte Prozess um die Fregatte 125. Meine Fragen dazu bleiben quasi unbeantwortet. Sie lauten: Können die bisherigen Mängel tatsächlich behoben werden? Wie lange müssen unsere Soldatinnen und Soldaten noch auf ihr Schiff warten? Ist die Fregatte überhaupt irgendwann einsatzfähig? Sechs fertig ausgebildete Besatzungen warten schließlich auf Schiffe.
Die NATO wartet ebenso – nicht nur auf die Fregatte 125, sondern auch auf die Tanker als Teil des deutschen Beitrages. Nur leider sind diese Tanker seit 40 Jahren in Betrieb, sodass sie nun altersschwach den Dienst versagen und wir eine Zusage an die NATO zurückziehen müssen. Ich finde diesen Vorgang beschämend.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mir ist sehr wichtig, zu betonen: Wir als SPD stehen zu diesen Beschaffungen für die Marine, aber die Prozesse müssen eben einfach endlich besser werden. Unsere Soldatinnen und Soldaten sollen sehr gut ausgerüstet sein, denn das ist unsere Pflicht ihnen gegenüber.
Ehrlich gesagt, ärgert es mich, dass wir immer die gleiche Diskussion führen, die noch dazu nicht zielführend ist. Wenn wir nämlich nicht mehr über abstrakte Zahlen ohne konkrete Vorhaben, nicht mehr über die Mängel bei der Ausrüstung, über unvernünftige Privatisierungen oder über die Verspätungen bei Beschaffungen sprechen müssten, könnten wir endlich auch einmal über die strategische Rolle von Deutschland im 21. Jahrhundert diskutieren und diese skizzieren, und zwar, ohne dass diese Diskussion überschattet ist von den Fragen, welches Gerät wann und wo doch hoffentlich zur Verfügung stehen könnte. Dahin muss doch die Reise gehen: ein klares Bekenntnis zur guten Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten, zu schlanken und funktionierenden Beschaffungsprozessen in einem souveränen Staat.
Frau Ministerin, ich schließe mich meinen Kollegen Hitschler und Rohde an: Lassen Sie uns dafür sorgen, dass der Trendwende „Ankündigung“ nun die Trendwende „Umsetzung“ folgt! Hierfür stehen wir an Ihrer Seite.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die notwendige Aufmerksamkeit auch noch für die übrigen Rednerinnen und Redner in dieser Debatte herzustellen. Dazu gehört auch, dass sich alle Abgeordneten, welche sich im Plenarsaal befinden, an einen Platz begeben und die Debatte von ihrem Platz aus verfolgen. Ich bitte, das sicherzustellen und das gegebenenfalls durch die Parlamentarischen Geschäftsführer in die hinteren Reihen ihrer Fraktion zu übermitteln, wenn die Kolleginnen und Kollegen mich jetzt gerade nicht gehört haben.
Es wäre prima, wenn sich alle Kolleginnen und Kollegen hinsetzen würden.
Das Wort hat der Kollege Henning Otte für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7251430 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |