Dagmar ZieglerSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Oehme, Ihr Kollege Frohnmaier hat vorhin von intellektueller Zumutung gesprochen. Er muss Ihre Rede im Sinn gehabt haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Carsten Körber [CDU/CSU])
Anders kann ich mir das nicht vorstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, wir haben festgestellt: Es gibt einen tollen Zuwachs von 10 Prozent; das ist viel Geld, nämlich 900 Millionen Euro. Wir liegen bei 9,4 Milliarden Euro, die für unsere Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen. Das ist schon mal ein Erfolg.
Die berühmte Bereinigungssitzung der letzten Woche hat in wichtigen Punkten nochmals Verbesserungen gebracht. Deshalb sind wir auch unseren Koalitionären im Haushaltsausschuss sehr dankbar. Herzlichen Dank!
(Zuruf von der CDU/CSU: Immer gern!)
Natürlich ist Entwicklungspolitik ein Feld, für das wir nie genug Geld bekommen können. Das Geld reicht an allen Ecken und Enden nicht. Neue Gräben tun sich auf, sobald sich andere geschlossen haben. Dennoch blicken wir auf einen Haushalt, der uns, sehr geehrter Herr Minister, tatsächlich viele Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Es ist ein Haushalt, der unserer Verantwortung im Ausland gegenüber internationalen Organisationen und auch im Inland gerecht wird.
Mit Blick auf die Stimmen, die – wir haben es gerade gehört – ein Absinken der ODA-Quote erreichen wollen, will ich sagen: Meine Fraktion tritt gegen ein solches Absinken ein. Das Erreichen der Quote zugunsten einer effektiven Entwicklungspolitik bleibt unser Ziel.
(Beifall bei der SPD)
Dieser Anspruch ist Teil unserer sozialdemokratischen DNA, und es spricht auch kein sozialdemokratischer Finanzminister dagegen.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, das ist ja noch zu beweisen!)
Es wäre aber falsch, lediglich den Haushalt des BMZ für das Erreichen der Quote verantwortlich zu machen. Wir wissen: Das Entwicklungsministerium trägt zu rund 40 Prozent der deutschen ODA-Ausgaben bei. Die weiteren Teile werden durch das Auswärtige Amt, nämlich durch humanitäre Hilfe, zivile Krisenprävention und Auswärtige Kulturpolitik, sowie durch das Umweltministerium getragen.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Dürr von der FDP-Fraktion?
Ja, gerne.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin, nach Ihren Worten eben und der doch bemerkenswerten Rede des Herrn Bundesministers, in der er das Parlament sozusagen um Nothilfe
(Lachen der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
gegenüber dem Bundesfinanzminister gebeten hat, und der Tatsache, dass, wenn ich mich recht erinnere, Herr Scholz sogar Mitglied Ihrer Partei ist,
(Marianne Schieder [SPD]: Gott sei Dank!)
wollte ich einfach nur wissen: Steht die SPD-Fraktion an der Seite des Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder an der Seite des Bundesfinanzministers?
Es gibt im Parlament Spielregeln, wie Sie wissen; die Bundeshaushaltsordnung gibt sie vor. Es gibt ein Kabinett, das über den Haushaltsentwurf berät. Das ist der erste Schritt. Wir als Fraktionen sind da raus; das wissen Sie. Danach erfolgt das parlamentarische Verfahren, und da sind wir als Fraktionen gefragt. Ich war früher selber Landesfinanzministerin. Daher weiß ich, wie man so etwas macht. Das sind die Spielregeln, die einzuhalten sind: im Kabinett für die Ziele, die man durchzusetzen hat, zu kämpfen
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das war doch eine klare Frage! Die kann man doch beantworten! – Christian Dürr [FDP]: Die Frage war einfach!)
und im Parlament dann für Veränderungen zu sorgen, wenn die Fraktion einen Koalitionspartner hat, der das genauso sieht. So ist das Spiel. Wenn Sie mitregiert hätten, hätten Sie es lernen können.
(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Das war eine sehr lange Antwort auf eine kurze Frage! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War eine gute Frage!)
So, jetzt ist Frau Ziegler wieder dran.
Ich möchte mich auf drei Bereiche konzentrieren.
Herr Müller, Sie planen dem Einzelplan zufolge, schwerpunktmäßig in Bildung zu investieren und gemeinsam mit der deutschen und der lokalen Wirtschaft berufliche Bildung, Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern. Diese Initiativen begrüßt meine Fraktion sehr, aber ich bitte Sie wirklich mit Nachdruck, bei der Umsetzung der Offensive und bei der Bereitstellung von Mitteln darauf zu achten, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen gefördert werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich will Ihnen erläutern, warum. – Vielleicht hilft das auch, zwischen den Ohren der AfD ein bisschen für Bewegung zu sorgen. – Grund und Ziel unserer Entwicklungspolitik muss es sein, Gesellschaften so zu stärken, dass sie wirtschaftlich und politisch an Perspektive und Stabilität gewinnen. Wir wissen, dass Länder, in denen die Gleichberechtigung gestärkt wird, sowohl ökonomisch erfolgreicher als auch politisch handlungsfähiger sind; Sie haben ja auch eine Doppelspitze. In unser aller Interesse haben wir hier noch viel, und zwar sehr viel zu tun. Dies will ich durch einige Beispiele belegen.
Der Weltbank zufolge würde die Produktivität weltweit um 40 Prozent steigen, wenn alle Benachteiligungen von Frauen auf dem globalen Arbeitsmarkt beseitigt würden.
(Beifall bei der SPD)
Während Frauen in Entwicklungsländern 80 Prozent der Nahrungsmittel produzieren, stellen sie weniger als 13 Prozent der Landbesitzerinnen. Der landwirtschaftliche Kapitalertrag würde der Welthungerhilfe zufolge aber um 20 bis 30 Prozent höher ausfallen, wenn der gleiche Zugang zu Nutzungsmöglichkeiten gewährleistet wäre. Die Produktion ließe sich in Entwicklungsländern um 2,5 bis 4 Prozent steigern. Allein die Zahl der hungernden Menschen könnte damit um 12 bis 17 Prozent gesenkt werden.
750 Millionen erwachsene Menschen können weder lesen noch schreiben, davon sind nach Angaben der UNESCO zu 63 Prozent Frauen betroffen. Für jedes Jahr, das ein Mädchen zur Schule geht, steigt sein späteres Einkommen um 20 Prozent. Bildung und Armutsbekämpfung sind also untrennbar miteinander verbunden.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist wirklich meine feste Überzeugung, auch aufgrund persönlicher Erfahrung, dass wir in einer fortschrittlichen Gesellschaft den Input und die Tatkraft von Frauen ebenso brauchen wie die von Männern. Ich fordere uns deshalb gemeinsam auf, dass wir, 100 Jahre nachdem in unserem Land das Frauenwahlrecht in Kraft getreten ist, uns auch im Bereich der Entwicklungspolitik, sehr geehrter Herr Minister, verstärkt für die Rechte der Frauen einsetzen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Gesundheitspolitikerin sind mir Investitionen in die Bekämpfung von armutsbedingten und vernachlässigten Krankheiten sehr wichtig. Diese Investitionen sind für die Umsetzung der Agenda 2030 grundlegend. Deshalb möchte ich noch einmal mit Nachdruck betonen, dass wir unseren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria nachkommen müssen. Der Wert seiner Arbeit ist wirklich unschätzbar hoch. Wir müssen diese Arbeit weiter unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir konnten diese drei Epidemien stark eindämmen und Millionen von Menschen durch diesen Fund retten. Deshalb möchte ich schon heute, ein Jahr vor der Wiederauffüllungskonferenz, deutlich machen, dass die Bundesregierung dann wieder aufgefordert sein wird, genügend Geld zur Verfügung zu stellen. Wir müssen die Vereinbarungen, wie sie im Koalitionsvertrag stehen, einhalten und diese notwendige Arbeit weiterhin unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Carsten Körber [CDU/CSU])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines der herausragenden Ergebnisse der Bereinigungssitzung war, dass für die Bekämpfung von Polio zusätzlich 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden konnten. Ein herzlicher Dank auch an dich, liebe Sonja Steffen, dafür, dass du dich dafür eingesetzt hast.
(Beifall bei der SPD)
Ein letzter Punkt noch, weil die AfD dieses Thema angesprochen hat – das zieht sich ja durch alle Diskussionen über den Haushalt –: Ich begrüße es, dass die Haushaltsposten für Stiftungen und Kirchen anwachsen. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft, hier und in den Partnerländern, ist grundlegend für die Umsetzung der Agenda 2030. Sie müssten im Ausschuss einmal zuhören, wenn unsere Gäste genau diesen Punkt für wichtig erklären und sagen, dass beispielsweise die Kirchen in Afrika unabdingbar darauf angewiesen sind, dass wir sie unterstützen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich weiß gar nicht, warum das bei Ihnen gar nicht ankommt, wie das passiert.
Kommen Sie bitte zum Ende?
Ja. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt weiterhin viel zu tun. Entwicklungspolitik darf kein Feigenblatt sein. Wir in den entwickelten Ländern sind diejenigen, die die Ressourcen an Energie, an Wasser, an Rohstoffen am stärksten beanspruchen. Deshalb hängt wirklich viel davon ab, dass wir etwas zurückgeben. Fairer Handel auf der einen Seite und das Einfordern von Rechtsstaatlichkeit und Reformwilligkeit und der Einhaltung von Produktions- und Arbeitsnormen sowie von Menschenrechten auf der anderen Seite sind Voraussetzung für eine gute Entwicklungszusammenarbeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dagmar Ziegler. – Nächster Redner: Michael Link für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7251623 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 45 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |