05.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt I.14

Stefan RuppertFDP - Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade nach den Wochen, die hinter uns liegen, ist es mir ein Bedürfnis, einmal zwei Sätze dazu zu sagen, was uns in diesem Land eint und wofür wir alle als repräsentative Demokraten eintreten wollen: für Grundrechte, für eine innere Sicherheit, die Freiheit und Sicherheit in Balance bringt. Ich glaube, wir müssen als repräsentative Demokraten besser werden, um den Menschen unsere Politik zu erklären. Aber wir haben viele Gemeinsamkeiten, zumindest im Kernbereich dieses Hauses, und das sollte man in solchen Debatten, nach solchen Verhärtungen wie in den letzten Wochen auch einmal sagen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben immerhin eine Faktenbasis, wenn es um den Einsatz für den Antisemitismusbeauftragten geht. Es ist wunderbar, dass es wieder normales jüdisches Leben in Deutschland gibt, so bedroht es auch ist. Wir haben Gemeinsamkeiten, wenn es um mehr Personal für die Durchsetzung geltenden Rechts geht. Wir haben Gemeinsamkeiten, wenn es um die rechtsstaatliche Ordnung in Deutschland geht. Ich glaube, auf diese Errungenschaften können alle Demokraten stolz sein.

Ich will vier Daten nennen: Seit 25 Jahren verhindert die Union ein Einwanderungsgesetz. Seit zwölf Jahren regiert sie, und die erfolgreiche Verhinderung dieses Einwanderungsgesetzes hält an.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schauen Sie mal ins Aufenthaltsgesetz! Das steht viel Gutes drin!)

Wir haben keine gesteuerte Einwanderung in Deutschland. Das hat zu Unruhe, zu Unsicherheit geführt, und daran trägt eine Partei im Wesentlichen die Schuld: die Union. Sie haben diese Ordnung verhindert.

(Beifall bei der FDP)

Nachdem Sie 25 Jahre den Einwanderungsstatus negiert haben, haben Sie zwölf Jahre in der Regierung nichts gemacht. Seit drei Jahren haben Sie Ihre Haltung faktisch geändert und glauben, dass – das ist mein viertes Datum – in zwei oder drei Wochen Ordnung in etwas zu bringen ist, was Sie 25 Jahre nicht geordnet haben. Das, muss ich sagen, ist eine etwas naive Herangehensweise.

(Beifall bei der FDP)

Die Menschen, die wir hier brauchen, werden nicht ad hoc kommen. Die Pflegekräfte, die Ingenieure, die IT-Leute wollen natürlich eingeladen werden; sie wollen spüren, dass sie hier gebraucht werden. Wir müssen im Ausland um sie werben. Gleichzeitig müssen wir festlegen, dass Menschen, die auf Dauer nicht hier bleiben können, auch das Land verlassen. Eine solche Ordnung braucht Zeit – mehr als zwei Wochen. Das Chaos der letzten Tage war leider ein sehr betrübliches.

(Beifall bei der FDP)

Ich will sagen, dass eine Diskussion dabei überhaupt nicht geführt worden ist, nämlich: Wie leben wir mit den Menschen, die in den letzten vier Jahrzehnten hierher migriert sind, zusammen? Wie gelingen Migration und Ordnung der Zusammenarbeit? Die Diskussion einer asymmetrischen Demobilisierung – dass man wichtige Debatten im Land nicht mehr führt – hat zu einer Aufladung der Union in ihren eigenen Reihen geführt. Sie hat dazu geführt, dass Sie keine Einigkeit mehr über viele Fragen haben. Eine Gesellschaft, die die wichtigen Debatten unserer Zeit nicht führt, die nicht offensiv darüber diskutiert, wie wir zusammenleben wollen, stärkt am Ende die Ränder. Leider ist das in den letzten Jahren zunehmend passiert.

(Beifall bei der FDP)

Am Ende will ich mich mit einem Änderungsantrag der AfD befassen. Ich plädiere immer für sachliche Auseinandersetzung – es reicht nicht, wenn wir sie durch eine Ächtung im Verfahren zum Märtyrer machen. Sie plädieren dafür, das Bundesamt für Verfassungsschutz von jetzt auf gleich zu streichen. Das muss man sich mal überlegen: 390 Millionen Euro werden da sofort gestrichen. – Ich kann Ihnen das Deckblatt des Dokuments, mit dem Sie das beantragen, gerne zeigen. Sie sind dafür, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sofort gestrichen wird. Abgesehen davon, dass eine Kürzung um 390 Millionen Euro beamtenrechtlich nicht von jetzt auf gleich möglich ist, ist es interessant, welche Begründung Sie liefern. Sie sagen: Weil wir dort in den Aufsichtsgremien nicht vertreten sind, wollen wir dieses Amt streichen.

Herr Kollege Ruppert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Boehringer?

Gerne.

Bitte sehr, Herr Boehringer.

Lieber Herr Kollege Ruppert, Sie haben ja wahrscheinlich die Zwischenfrage schon fast erwartet. Sie wussten, bevor Sie das gesagt haben, genauso wie Herr Kahrs, als er gestern die gleiche Mär erzählt hat, dass wir den Verfassungsschutz natürlich nicht streichen wollen. Das ist überhaupt keine Frage.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe es gestern schon erklärt, ich wiederhole es für Sie gerne – Sie wussten es, Herr Kahrs wusste es, wir wussten es alle; es geht nicht um irgendwelche Geheimnisse –: Dieses Hohe Haus hat es geschafft, in vier Wahlgängen keinen einzigen AfD-Vertreter in die Kontrollgremien für die Haushalte der Geheimdienste zu wählen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

Das ist nicht wirklich demokratisch. Wir haben uns erlaubt, im Rahmen des Haushaltsprozesses diese Dinge mit unseren Mitteln einmal anzuprangern.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie dafür oder dagegen gestimmt?)

Man hätte natürlich auch beantragen können, die Mittel auf die Hälfte herunterzusetzen. Wir sind nicht in der Lage, diese Dinge zu kontrollieren. Das einzige Mittel, uns zu wehren, ist, diesen Haushalt nicht zu akzeptieren. Das ist das, was hier passiert. Es wird durch Wiederholung nicht wahrer, wenn man die Mär, wir wollten diese Instanzen abschaffen, permanent wiederholt.

(Burkhard Lischka [SPD]: Sie haben den Überblick verloren!)

Ich erlaube mir an der Stelle doch noch eine Bemerkung.

Herr Kollege Boehringer, ich habe gestern schon darauf aufmerksam gemacht: Zwischenbemerkungen müssen kurz sein. Bitte kommen Sie zum Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Abg. Peter Boehringer [AfD] schaltet sein Mikrofon ab – Volker Kauder [CDU/CSU]: Kann der nicht! Sitzen! – Katrin ­Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die AfD gewandt: Dann können Sie ja mal einen Demokraten nominieren!)

Immerhin haben wir die gemeinsame Basis:

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nee, wir haben keine gemeinsame Basis!)

Sie haben die 390 Millionen Euro für das Bundesamt für Verfassungsschutz gestrichen. – Jetzt habe ich eine hohe Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort. Aber meine Erwartung, dass sie ehrenamtlich tätig werden, dass die Kosten, die sie verursachen, nicht getragen werden müssen, ist doch relativ beschränkt.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist die erste Aussage.

Die zweite Aussage, Herr Boehringer. Sie nehmen einer Behörde, die Sie angeblich erhalten wollen, alle Haushaltsmittel weg und sagen, Sie wollten sie damit nicht abschaffen. Das ist schon eine etwas krude Argumentation.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Burkhard Lischka [SPD]: Eine einzige Hippieveranstaltung da hinten!)

Eine weitere Bemerkung. Wenn wir als Freie Demokraten jedes Gremium, in dem uns eigentlich anteilsmäßig, gemäß Verhältniswahlrecht, ein Sitz zugestanden hätte,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das sind Heulsusen, einfach nur Heulsusen!)

hätten beseitigen wollen, dann wären Änderungsanträge etwa zur Streichung des Bundesverfassungsgerichts und weiterer oberster Bundesorgane fällig gewesen, weil wir auch als FDP über lange Jahre in diesen Gremien nicht vertreten waren.

(Burkhard Lischka [SPD]: Die sind doch drin im PKGr! Das wissen die nur gar nicht!)

Es ist doch irrsinnig und kleinkariert, die eigene Präsenz in einer Institution sozusagen zur Voraussetzung dafür zu machen, dass es diese Institution in der Gewaltenteilung weiterhin gibt.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir Liberale hätten ganze Landtage Ostdeutschlands, das Verfassungsgericht und diesen Bundestag abschaffen müssen, nur weil man uns nicht hineingewählt hat. Es ist absurd, was Sie da tun.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Peinlich ist das!)

Jetzt hat das Wort der Kollege Martin Gerster, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251889
Wahlperiode 19
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit
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