05.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt I.14

Victor PerliDIE LINKE - Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Seehofer ist Minister des Innern, für Bau und Heimat. Die Bilanz nach etwas mehr als 100 Tagen und den Haushaltsberatungen sieht düster aus.

(Andrea Nahles [SPD]: Was?)

Als Innenminister kümmert sich Herr Seehofer seit Wochen vor allem um die innere Gefühlslage der Unionsparteien und um den inneren Aufstand gegen die Kanzlerin. Das, was wir hier in den letzten Tagen erlebt haben, hat mit christlichen, hat mit sozialen Werten nichts, aber auch überhaupt gar nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das geht Sie gar nichts an!)

Ansonsten ist innenpolitisch viel Ausfall; ja, sogar die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts hat Herr Seehofer ausfallen lassen. Als Bauminister hat Herr Seehofer bislang null Komma null für bezahlbares Wohnen und den Schutz von Mietern getan. Dabei ist der Handlungsbedarf riesig. Millionen Menschen sind von explodierenden Mieten betroffen. Das gilt nicht nur in den Städten; auch in vielen ländlichen Gegenden steigt die Belastung durch hohe Mieten. Inzwischen muss jeder sechste Haushalt mehr als 40 Prozent des Einkommens dafür hinblättern. Mindestens 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen, Tendenz steigend. Aber anstatt dieses Problem anzugehen und gemeinsam mit den Ländern eine Offensive für den sozialen Wohnungsbau, für bezahlbaren Wohnraum zu starten,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Mittel sind permanent erhöht worden! Das wissen Sie doch!)

rührt die Große Koalition die Werbetrommel für eine neue Eigenheimzulage namens Baukindergeld. Familien, die bis Ende 2020 Wohneigentum kaufen, bekommen zehn Jahre lang 1 200 Euro pro Kind und Jahr.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gönnen Sie das den Familien nicht?)

Dieses Programm hilft überhaupt nicht gegen die Wohnungsnot in den Städten. Die Familien, die sich die Mieten dort nicht leisten können, können die Kaufpreise erst recht nicht finanzieren. Das ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch im ländlichen Raum nutzt dieses Programm vor allem der Bau- und Immobilienwirtschaft,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Um Gottes willen, die bauen nachher noch Wohnungen! Das wollen wir ja alle nicht! Oder wie?)

weil die Nachfrage in den nächsten drei Jahren stark steigt und die staatliche Förderung eingepreist wird. Zugleich nimmt in den Dorfkernen der Leerstand zu, weil drumherum Neubaugebiete entstehen. Es ist wirklich unfassbar, dass die Steuerzahler für diese Scheinlösung, die das Wohnen in diesem Land nicht preiswerter macht, in den nächsten Jahren 10 Milliarden Euro hinblättern müssen. Das ist wirklich unfassbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen, dieses Geld muss in den öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau gesteckt werden. Davon haben alle etwas, in der Stadt und auf dem Land, und dafür steht Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Neue Plattenbau AG!)

Als Heimatminister sollten Sie, Herr Seehofer, eigentlich das friedliche Zusammenleben hier im Land im Blick haben. Stattdessen grenzen Sie mit Ihrer Politik Millionen Menschen aus. In den letzten Tagen haben wir die vorläufige Krönung erlebt: Sie erpressen nicht nur die SPD und die CDU, Sie treiben ganz Europa auseinander, indem Sie Menschen, die vor Krieg und Vertreibung flüchten, in geschlossenen Lagern unterbringen wollen,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Beatrix von Storch [AfD]: Die sind ja gar nicht geschlossen!)

die Sie beschönigend auch noch als Transitzentren bezeichnen. So kommt unser Grundgesetz unter die Räder und auch die Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hoffentlich sind die geschlossen!)

Meine Damen und Herren von der SPD, Willy Brandt wird sich im Grabe umdrehen,

(Andrea Nahles [SPD]: Oh! Großer Gott!)

wenn Sie diesen menschenverachtenden Grenzanlagen zustimmen. Ich poste gleich nach meiner Rede einen Beitrag Ihres Landrats des Kreises Hameln-Pyrmont. Er hat ein Foto von so einer Transitzone in Griechenland veröffentlicht;

(Andrea Nahles [SPD]: Es wird keine Transitzonen geben! Das ist eine Schimäre!)

er empört sich darüber, dass Sie darüber nachdenken, dem zuzustimmen, und er appelliert, das zu lassen.

(Zurufe von der SPD)

Solche Bilder dürfen in Deutschland im 21. Jahrhundert nicht entstehen.

(Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Was ist denn das für ein Unfug! – Jürgen Braun [AfD]: Im 20. Jahrhundert hat Ihre Partei für viel schlimmere Bilder gesorgt!)

Fakt ist, dass nach wie vor Menschen vor Krieg und Vertreibung fliehen. Allein in den letzten 16 Tagen sind im Mittelmeer 483 Menschen ertrunken. Diese Menschen könnten noch am Leben sein, wenn die Rettungsschiffe in Malta nicht festgesetzt worden wären. Diese Blockade, die auch auf Ihren Druck erfolgt ist, Herr Seehofer, ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Das ist eine Politik, die Menschen umbringt. Statt der humanitären Verpflichtung nachzukommen, behindern Sie die Rettung aus Seenot. Wie können Sie das mit Ihrem christlichen Gewissen vereinbaren?

Meine Damen und Herren, die Mehrheit in diesem Land will keinen Rechtsruck, und sie will auch keinen Innenminister, der schrittweise das Programm der Rechtsaußen übernimmt. So werden Sie die Wahlen in Bayern nicht retten, sondern genau die Falschen stark machen. Es ist doch kein Wunder, dass die Mehrheit der Menschen in Bayern sagt, dass ihr größtes Problem inzwischen die CSU ist. Wir, Die Linke, machen diese Politik von Herrn Seehofer nicht mit.

(Zuruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD])

Wir lehnen diesen Einzelplan der Großen Koalition ab.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Irene Mihalic, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251893
Wahlperiode 19
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Inneres, Datenschutz und Informationsfreiheit
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