05.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt I.15

Katarina Barley - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! In den letzten Wochen ist ja sehr viel über das geltende Recht und darüber, dass es durchgesetzt werden muss, gesprochen worden. Alles richtig. Dabei ist nur zum Teil bewusst ein falscher Eindruck erzeugt worden. Und dagegen wehre ich mich ganz entschieden. Wir haben unzählige Richterinnen, Staatsanwälte, Polizisten, Rechtsanwältinnen, Rechtspflegerinnen, Gerichtsvollzieher, Beschäftigte im Strafvollzug, die sich jeden Tag sehr engagiert für unseren Rechtsstaat einsetzen. Ich bin wirklich erschüttert darüber, wie in diesem Hause, aber auch außerhalb dieses Hauses teilweise dieses Engagement, diese Arbeit schlechtgeredet wird. Dagegen wehre ich mich ganz entschieden.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Unser Rechtsstaat funktioniert ausgesprochen gut. Ich bin dankbar für den Einsatz unzähliger Beschäftigter bei Polizei und Justiz.

Ich bin auch dankbar für unsere rechtsstaatlichen Verfahren; denn, meine Damen und Herren, mein Engagement gilt dem Schutz unseres Rechtsstaates. In diesem Zusammenhang wurde in öffentlichen Debatten immer wieder unterstellt, dass für die Probleme in unserem Land vor allen Dingen folgende Personen verantwortlich sind: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Rechte ihrer Mandanten wahrnehmen, Richterinnen und Richter, die sich die Zeit nehmen, die sie brauchen, um ein Urteil zu fällen. Natürlich bin auch ich dafür, dass Gerichtsverfahren so schnell wie möglich abgeschlossen werden.

Was aber nicht geht, ist, rechtsstaatliche Verfahren einfach entfallen zu lassen. Diesen Vorschlag hört man ja auch. Wenn Sie genau hinschauen, dann stellen Sie fest, dass es oft genug so ist, dass Gerichte Entscheidungen aufheben müssen, weil sie rechtswidrig sind. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Qualität von Verwaltungsakten aussieht, wenn nicht zu befürchten ist, dass diese Verwaltungsakte gerichtlich überprüft werden. Das täte ihnen mit Sicherheit kein Gutes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Wir müssen hier wirklich aufpassen. Etwas Grundlegendes für unseren Rechtsstaat, etwas Positives wie der Rechtsschutz soll plötzlich einen negativen Beigeschmack bekommen, etwas sein, was lästig fällt. „ Vorsicht an der Bahnsteigkante!“, kann ich da nur sagen. Man gewöhnt sich leicht an solche unerhörten Forderungen, sodass man plötzlich das Gefühl bekommt, sie wären normal. Das haben wir in den letzten Jahren schon an einigen Stellen erlebt. Es soll ja sogar zum Schimpfwort geworden sein, ein guter Mensch zu sein.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nein, ein Gutmensch! Das ist etwas anderes! – Beatrix von Storch [AfD]: Nein, ein Gutmensch! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie verwechseln da ein bisschen was, Frau Barley! – Jürgen Braun [AfD]: Sie müssen schon zwischen Heuchelei und tatsächlich anständigem Verhalten unterscheiden können! Das sollten Sie vielleicht noch schaffen! Der Begriff ist ja über 20 Jahre alt!)

– Ja, dass Sie sich jetzt aufregen, das habe ich mir gedacht. Es ist der rhetorische Versuch, das Gute im Menschen negativ zu konnotieren. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was ich dabei empfinde. Wie arm muss man innerlich sein, um das hinzukriegen. Ganz ehrlich: Sie tun mir aufrichtig leid.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Meine Damen und Herren, ich werbe für eine Rückkehr zur Sachpolitik. Deshalb müssen wir die vielen richtigen und guten Projekte umsetzen, auf die wir uns im Koalitionsvertrag geeinigt haben. Das ist jedenfalls mein Ansatz, und der spiegelt sich zum Glück auch im vorliegenden Haushaltsentwurf wider, für den ich mich beim Parlament und bei allen Abgeordneten, die daran mitgewirkt haben, ausdrücklich bedanke.

Zuallererst haben wir vor, den Rechtsstaat ganz praktisch zu stärken. Auf der Ebene der Regierungschefinnen und ‑chefs werden wir mit dem Pakt für den Rechtsstaat eine umfassende Qualitätsoffensive starten.

(Jürgen Braun [AfD]: Chefinnen und Chefs! Ha, ha! – Beatrix von Storch [AfD]: „Chefinnen“! Fürs Protokoll! – Gegenruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie wollten doch die Frauenrechte stärken!)

– Ja, es gibt Chefinnen, es gibt Regierungschefinnen, zum Beispiel in meinem Bundesland die ganz wundervolle Malu Dreyer, die eine wirklich ausgezeichnete Ministerpräsidentin ist.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Was Sie betreiben, ist eine Verhunzung der deutschen Sprache! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die einen sagen es so, die anderen so!)

Es ist auch richtig, dass das auf der Ebene der Chefinnen und Chefs passiert;

(Jürgen Braun [AfD]: Lächerlich ist das gerade!)

denn – Sie wissen es – mein Etat ist der kleinste dieser Regierung, und das ist auch in den Bundesländern so. Die Justizressorts verfügen in der Regel nicht über die Mittel, um zum Beispiel 2 000 zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter einfach so zu schaffen. Deswegen ist es richtig, dass diese Verantwortung am Ende auf der obersten Ebene ressortiert.

(Otto Fricke [FDP]: Und wer zahlt das?)

Es geht dabei um vieles: um Qualifizierung, um Fortbildung, um Digitalisierung der Justiz und eben um diese besagten 2 000 zusätzlichen Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie natürlich um weitere Stellen im nichtrichterlichen Bereich.

Im Rahmen des Sofortprogramms Personal schaffen wir auf der Bundesebene jetzt 34 neue Stellen beim Generalbundesanwalt. Auch das ist eine kleine, aber eine sehr wichtige Behörde. Auch in anderen Bereichen verbessern wir die Arbeitsbedingungen; das hat auch mein Kollege aus dem Innenministerium schon gesagt. Mein großer Dank gilt dem Finanzministerium dafür, dass wir die Befristungen endlich aufheben können. Im Bundesamt für Justiz können wir beispielsweise 87 Stellen entfristen. Das ist wirklich sehr wichtig, um mehr Personal zu bekommen und am Ende bessere Arbeitsergebnisse zu erhalten.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Die Sie selber befristet haben!)

Wir werden auch den Rechtsstaat begreifbarer machen und zeigen, wie kostbar er ist. Wir wissen aus unserer Vergangenheit – das sehen wir auch gerade wieder in anderen Ländern –, wie verletzbar der Rechtsstaat ist. Um die Bedeutung des Rechtsstaats anschaulich zu vermitteln, wollen wir unter anderem das Forum Recht in Karlsruhe schaffen, in der „Residenz des Rechts“, wie die Stadt selbst von sich sagt. Auch dafür stehen jetzt Mittel im Haushalt zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Danyal Bayaz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben mit unserem sparsamen Etat noch mehr vor. Sie wissen, dass wir die Eine-für-alle-Klage bereits umgesetzt haben. Das ist das erste Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, das umgesetzt wurde.

(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Ganz schlecht!)

Jetzt werden die Mittel für den Verbraucherzentrale Bundesverband erhöht. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Auch dafür ein herzlicher Dank!

Die soziale Frage unserer Zeit, wie es Herr Seehofer genannt hat, ressortiert zum Teil auch bei mir, nämlich im Hinblick auf die Mieterschutzgesetze. Wir wollen verhindern, dass Mieterinnen und Mieter durch Luxussanierungen aus ihren Wohnungen verdrängt werden, und wir geben den Mieterinnen und Mietern einen Auskunftsanspruch an die Hand, um ungerechtfertigte Mieterhöhungen zu stoppen.

(Beifall bei der SPD)

Im Koalitionsvertrag gibt es dazu klare Verabredungen, an die ich mich halte, auch wenn ich in den letzten Wochen gelernt habe, dass man das mit dem Koalitionsvertrag als federführende Ministerin nicht so eng sehen muss. Vielleicht lege ich ja noch einen Masterplan Miete vor; mal schauen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wir haben es nicht so eng gesehen!)

Noch eine Sache: Hoffentlich ist es nie nötig, aber mit dem neuen Opferbeauftragten, Professor Edgar Franke – er sitzt hier –, haben wir einen zentralen Ansprechpartner für den Fall von Terroranschlägen, der sich um alle Fragen und Anliegen kümmert. In diesem Zusammenhang stellen wir im Bundeshaushalt 2018 zusätzliche Mittel in Höhe von 6,6 Millionen Euro für den Entschädigungsfonds für Opfer terroristischer Gewalt sowie die Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe zur Verfügung,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und die Leistungen für Angehörige verdreifachen wir rückwirkend. Auch das ist ein wichtiger Schritt.

Das alles ist Realpolitik, die ich gerne umsetzen will und die wir hoffentlich gemeinsam umsetzen können.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern – vor allen Dingen natürlich bei Esther Dilcher als Hauptberichterstatterin – für die konstruktive Arbeit. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten.

Ich bitte um Unterstützung für den Einzelplan 07 und hoffe auf eine sachorientierte Umsetzung politischer Ideen für die Menschen in unserem Land,

(Beatrix von Storch [AfD]: Und die ­Menschinnen!)

gerade im Bereich Justiz und Verbraucherschutz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank.

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die FDP Dr. Stefan Ruppert.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251919
Wahlperiode 19
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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