05.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt I.15

Sarah RyglewskiSPD - Justiz und Verbraucherschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bayram, ich fand, Ihre Rede war aufgrund des Populismus eigentlich kaum zu ertragen. Ich verstehe dann auch, warum Sie das klare Bekenntnis unserer Ministerin der Justiz und für Verbraucherschutz nicht verstanden haben, die sich ganz klar gegen rechts gestellt hat und sich ganz klar vor unsere Justizangestellten, unsere Richterinnen und Richter, unsere Staatsanwälte gestellt hat. Wer so redet, wie Sie es gerade getan haben, der hört die leiseren Töne eben nicht, auch wenn sie ein klares Bekenntnis beinhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann werdet noch leiser!)

– Wir werden sicherlich noch viel Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Ich glaube, Frau Barley wird das, was Sie heute gesagt haben, ansprechen.

Zum Thema Verbraucherschutz. Ich finde es gut, dass wir als eines der ersten Vorhaben in dieser Legislaturperiode als Koalition die Musterfeststellungsklage beschlossen haben. Und ich sage jetzt an die Adresse der Linken: Wir lassen uns dieses Instrument von Ihnen nicht kaputtreden, und wir lassen es auch nicht zu, dass das Vertrauen in unseren Rechtsstaat dadurch untergraben wird, dass man sich hierhinstellt und Verschwörungstheorien verbreitet, wir hätten ein Gesetz geschaffen, das eigentlich nur der Industrie nütze. Das ist – tut mir leid – hanebüchen. Wer dem das Wort redet, der untergräbt in der Tat das Vertrauen in unseren Rechtsstaat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Verbraucherinnen und Verbraucher haben jetzt im Schadensfall die Möglichkeit, ihre Rechte gegenüber großen Konzernen kollektiv und ohne Kostenrisiko geltend zu machen. Wer recht hat, der wird recht bekommen. Das gilt ab dem 1. November.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir ja sehen!)

– Ja, genau, wir werden das sehen. – Um das sicherzustellen, haben wir die Mittel für den vzbv, der einer der klageberechtigten Verbände ist, erhöht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird ja gerne viel über Zahlen geredet; das ist klar in einer Haushaltsdebatte. Gemessen am Etat mag das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ein kleines Ressort sein, aber gemessen an seiner Wirkung für die Menschen in unserem Land ist es eines der wichtigsten. Dabei, Herr Dr. Ruppert, stehen die Bereiche Justiz und Verbraucherschutz nicht in Konkurrenz. Ich bin der Meinung, Sie ergänzen sich; denn natürlich sind Verbraucherrechte in erster Linie Bürgerrechte, und die stärken wir.

Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist ein klares Querschnittsressort, es wirkt in alle Bereiche. Nehmen wir nur das Thema Wohnen. Mit Neubau alleine werden wir die Herausforderungen in unseren Städten nicht bewältigen. Es gibt eben Menschen in den Städten, die gerne in ihrem Quartier wohnen bleiben wollen und sich durch Luxusmodernisierung – ich nenne sie auch gerne Räumungsmodernisierung – bedroht fühlen. Dem werden wir einen Riegel vorschieben, indem wir die Kappungsgrenze senken und indem wir die Mietpreisbremse – das sage ich Ihnen zu – nachschärfen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wir machen das, was im Koalitionsvertrag steht!)

Sie müssen sich schon entscheiden. Sie stellen sich hierhin und beklagen, dass die Einführung der Musterfeststellungsklage auf Kosten der Sorgfalt in einem Affenzahn durch dieses Parlament getrieben wurde. Aber beim Thema Mietrecht, bei dem es um sehr existenzielle Sachen geht, sagen Sie, wir lassen uns zu viel Zeit. Irgendwie müssen Sie sich entscheiden. Meiner Meinung nach geht hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit; anders als beim Thema Diesel gibt es auch keinen Zeitdruck. Wir werden das anständig machen; aber – das sage ich in Richtung von CDU/CSU – wir werden Sie auch nicht aus der Pflicht lassen. Wir werden hier nachschärfen und etwas für die Mieterinnen und Mieter erreichen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Genau wie im Koalitionsvertrag vereinbart!)

Frau Kollegin, ich unterbreche Sie kurz. – Herr Brandner, würden Sie die Zeitung vielleicht ein bisschen runternehmen? Ich kann Ihnen nicht verbieten, während der Debatte Zeitung zu lesen, aber wenn Sie die Zeitung so hoch halten, könnte der falsche Eindruck entstehen, dies sei ein Kaffeehaus. Es ist aber ein Arbeitsparlament.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Ist aber Qualitätspresse!)

– Wir wollen auch nicht mitlesen, was Sie da lesen.

Wir fahren fort in der Debatte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ein weiterer Bereich, der für die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr sensibel ist, ist der Bereich Finanzen. Auch hier sehen wir Handlungsbedarf. Wir haben uns in diesem Parlament vor zwei Jahren gemeinsam darüber gefreut, dass das „Girokonto für alle“ endlich Wirklichkeit geworden ist und jeder einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto hat. Wir sehen aber: In der Praxis funktioniert das leider nicht so, wie wir es gerne hätten. Viele Banken und Sparkassen erheben völlig überzogene Gebühren, laut Stiftung Warentest teilweise bis zu 328 Euro im Jahr. Ich sage ganz deutlich: Dieser Praxis werden wir einen Riegel vorschieben. Wir haben beschlossen, dass das Basiskonto nicht mehr kosten darf als ein normales Konto mit vergleichbarem Leistungsspektrum. Ich weiß nicht, was Ihr Konto kostet, aber ich weiß, was meines kostet, und 328 Euro sind es definitiv nicht. Zur Erinnerung: Es geht hier um ein Konto, das vorrangig für Menschen mit wenig Geld gedacht ist. Hier müssen wir einen Deckel draufsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Verbraucherpolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie Entwicklungen nicht nur nachträglich reguliert, sondern diese vorhersieht und im besten Fall aktiv gestaltet. Deshalb wird die Digitalisierung selbstverständlich auch in der Verbraucherpolitik in dieser Legislaturperiode eine große Rolle spielen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung digitaler Kompetenzen oder darum, bestehende Standards in die digitale Welt zu übertragen. Es geht auch darum, diese weiterzuentwickeln und Lösungen für Probleme zu entwickeln, die im Zeitalter von Plattformen, Algorithmen und künstlicher Intelligenz aktiv und nicht reaktiv angegangen werden müssen. Wir wissen alle, dass diese Mechanismen immer stärker in unser Leben eingreifen. Scoring gibt es nicht mehr nur im Bereich des Kreditwesens. Ein Blick nach China zeigt, was uns da drohen kann. Ich glaube, wir müssen sehr genau darauf achten, dass sich das bei uns nicht Bahn bricht.

(Beifall bei der SPD)

Eines muss uns aber auch klar sein: Guter gesetzlicher Verbraucherschutz und gute Gesetze im Bereich des Verbraucherschutzes allein nützen uns nichts. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ihre Rechte auch kennen, damit sie sie durchsetzen können. Dafür braucht es Transparenz und gute Informationen, und deswegen ist der Bereich Verbraucherinformation in diesem Haushalt ein großer Posten. Aber wir brauchen auch eine funktionierende Beratungsstruktur und Institutionen, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Seite stehen und im besten Sinne Lobbyismus für die Verbraucherinnen und Verbraucher betreiben.

An die Adresse der Damen und Herren von der AfD: Wir stehen dazu, dass wir den vzbv weiter finanziell fördern. Wir stehen auch weiterhin zur Förderung der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz und zu unseren Zuschüssen für die Stiftung Warentest. Sie stellen den Verbraucherinnen und Verbrauchern gute Informationen zur Verfügung. Das sind positive Lobbyisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch die Marktwächter Digitales und Finanzen haben sich bewährt. Ich freue mich sehr, dass auch die CDU/CSU mittlerweile Fan geworden ist. Sie waren ja zu Beginn, als wir das initiiert haben, ein wenig skeptisch. Aber es zeichnet uns in diesem Parlament ja auch aus, dass wir uns durchaus weiterentwickeln können, dass wir lernen können.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Manche ja, manche nein!)

Wenn Sie sagen: „Wir wollen das auf eine bessere und breitere Grundlage stellen“, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Wir freuen uns auf die Debatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Etat des BMJV bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten für aktive Verbraucherpolitik. Ich sage Ihnen zu: Wir werden sie nutzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Ingo Wellenreuther für die Fraktion der CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7251942
Wahlperiode 19
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz
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