05.07.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt I.17

Rainer SpieringSPD - Ernährung und Landwirtschaft

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! – Adjektive spare ich mir. – Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushalt wird verabschiedet, aber es gilt: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Lassen Sie mich einige wichtige Punkte ansprechen, über die wir in der Zukunft reden müssen.

Uns wurde ein Organisationsgutachten über die Situation beim Personal der BLE zugesagt, aber die Zusage wurde leider nicht eingehalten. Unser Kenntnisstand ist: In der BLE sind 20 Prozent der Stellen befristet. Die Folge ist ein Projektstau. Wir bräuchten das Gutachten dringend; denn 83 Millionen Euro Forschungsmittel sind zurückgeflossen, weil die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in der Jobrotation waren und die Projekte nicht abarbeiten konnten. Das Geld fließt zurück zum Finanzminister. Frau Ministerin, entfristen Sie die Personalstellen in der BLE! Sorgen Sie dafür, dass Forschungsmittel zu Forschungsergebnissen werden!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD)

Zum Thema „gesunde Ernährung“. Lassen Sie mich zu Ihnen aus der Erfahrung eines Berufsschullehrers sprechen. Es war immer sehr interessant, zu beobachten, wenn die jungen Frauen und Männer kamen und einige dabei waren, die – vorsichtig ausgedrückt – übergewichtig waren, was mit diesen Schülern passiert ist. Sie alle kennen die Folgen von Dickleibigkeit: Bewegungsprobleme, Fehlentwicklungen bis hin zum Außenseiterdasein in Gruppen und Gesellschaft. Mir tut das leid, und mir hat das immer leidgetan. Das muss nicht sein.

Übergewicht ist häufig die Folge falscher Ernährung, vor allen Dingen verursacht durch Zucker. Wenn man sich mit dem Thema Zucker auseinandersetzt, dann weiß man, dass er in Urzeiten der Energiespeicher war, den man unbedingt brauchte, um klarzukommen. Das hat sich durch ein Überangebot gewandelt. Zucker ist jetzt eine tickende Zeitbombe, eine Gefahr für unsere Kinder. Daher schlagen wir vor, Verbraucher, insbesondere Eltern und ihre Kinder, durch eine einfache Kennzeichnung zu unterstützen. Jedes Kind, ob arm oder reich, hat Anspruch auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung, vor allem aber auf soziale Teilhabe und Anerkennung. Frau Ministerin, schützen Sie unsere Kinder. Nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst, und sorgen Sie für eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. Geben Sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern Orientierung beim Einkauf.

(Beifall bei der SPD)

Zur häufig angesprochenen Gemeinsamen Agrarpolitik; das ist doch ein schönes Wort. Es geht um Steuermittel; das wissen wir alle. Steuermittel werden in Deutschland unter anderem für Sicherheit, Verteidigung, Bildung, Kultur, Sport, Gesundheit, Sozialleistungen und Investitionen in Umweltschutz verwendet. Es handelt sich also um die klassische Aufgabe: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. So soll es auch sein.

Sie alle kennen die Beurteilung des Europäischen Rechnungshofes in Bezug auf die Verausgabung der GAK-Mittel. Bei der Verwendung der GAK-Mittel sieht das völlig anders aus. Hier werden Steuermittel für Eigentum an Land verwendet. Die Rechnung ist fürchterlich simpel: wenig Land, wenig Geld – viel Land, viel Geld. Hat mal jemand darüber nachgedacht, ob sich die Steuermittel für Umweltschutz und für die Flächenprämie nicht gegenseitig neutralisieren, weil damit zurzeit unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden? Ich finde, das ist sehr nachdenkenswert. Für viel schlimmer aber halte ich das: Die Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern berichten ständig über Land Grabbing. Haben wir einmal darüber nachgedacht, ob wir mit der jetzigen Finanzierung das Land Grabbing vielleicht erst möglich machen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Haben wir darüber nachgedacht, dass dahinter so viel EU-Geld steckt, dass, wer viel Land hat und viele Zuschüsse von der EU bekommt, noch viel mehr Land kaufen kann? Haben wir darüber nachgedacht, dass das eine Entwicklung ist, die wir so nicht hinnehmen können? Ich denke, wir sollten gemeinsam darüber nachdenken. Wir wollen eine EU-Agrarpolitik, die andere Anreize gibt, die nachhaltig ist und unseren Kindern einen guten Lebensraum bietet.

Der Kollege Röring hat es eben angesprochen: Boden, Luft und Wasser sind zu schützen. Wir wollen die Symbiose aus Wertschöpfung und Nachhaltigkeit. Ich glaube fest daran, dass die deutsche Landwirtschaft das kann, aber wir müssen sie durch gute Rahmenbedingungen unterstützen und nicht durch falsche Anreize. Wer Landbesitz fördert, kann damit nur den Stillstand fördern und zur Spekulation anreizen, aber keine Transformation einleiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die rund 6 Milliarden Euro EU-Agrarmittel, finanziert aus Steuergeldern, sollten daher vielmehr investiert werden in Tierhaltung. Ich möchte den richtig toll arbeitenden Landwirt in den kleinen Einheiten in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen unterstützen in dem, was er tut. Ich möchte nicht Land unterstützen, ich möchte Tierhaltung unterstützen, ich möchte Bodendiversität unterstützen, ich möchte Maßnahmen zur Luftreinhaltung unterstützen, und ich möchte die Förderung der ländlichen Räume. Aber das können wir nicht erreichen durch einen völligen Fehlanreiz, durch eine Förderung der landwirtschaftlichen Fläche.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Ministerin, streiten Sie mit uns für den Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe. Lassen Sie uns gemeinsam die Förderkulisse den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Lassen Sie uns gemeinsam die Innovationen und die Technologien fördern. Machen wir die Landwirtschaft zur Fortschrittslokomotive und nicht zum letzten Wagen des Zuges.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])

Jetzt kommt der Punkt, Frau Ministerin, bei dem ich Ihnen wirklich dankbar bin: Stoffstrombilanz und Big Data. Hier ist gesagt worden, das sei ein Bürokratiemonster. Ich habe in den letzten Tagen viele Gespräche mit Softwareherstellern geführt. Die Softwarepakete, um die Stoffstrombilanz für jeden, und zwar bis zum kleinsten Hof, vernünftig zu gestalten, sind da, und sie kosten dankenswerterweise kein Vermögen. Frau Ministerin, ich habe ja mit Ihren Kolleginnen und Kollegen von CSU und CDU lange gerungen, bis das Thema Big Data aufgenommen worden ist.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Rainer, das ist nicht wahr!)

Aber das sind nette Kollegen; die haben das ertragen. Dass Sie das jetzt zu Ihrem Thema machen, finde ich sehr gut. Ich finde auch, dass die 10 Millionen Euro, die wir für Sie und Ihr Haus erstritten haben, gut angelegtes Geld sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zur Verwendung werde ich gleich noch etwas sagen.

Um alles zu koordinieren und zusammenzuführen, brauchen wir eine Masterplattform für die Landwirtschaft. Wir brauchen Daten, die die Landwirte einspeisen können und die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Sie sollen sie nicht kaufen bei Monsanto, SAP, Microsoft, Google oder John Deere; nein, sie sollen sie vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen. Wir brauchen Wetterdaten, Bodenbiologie, Bodenphysik, Geodaten, und wir brauchen vor allen Dingen – über das Thema haben wir alle gesprochen – Datensicherheit. Keiner der Landwirte und Erzeuger in Deutschland will, dass seine Daten in einer Cloud landen, die Google, Microsoft, Apple und Co verwalten; keiner will das. Davor, Frau Ministerin, müssen wir die deutsche Landwirtschaft und die Verbraucher schützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Masterplattform der Gesellschaft ist der Gegenentwurf zur Abhängigkeit von IT-Riesen wie SAP, Microsoft und den anderen, die ich genannt habe.

Frau Ministerin, wir haben beobachtet, wie sehr Sie in den letzten 100 Tagen eingespannt waren, auch um die Koalition mit CDU und CSU zu retten. Dafür haben Sie unsere Wertschätzung. Das war ja ein hartes Stück Arbeit. Ich habe mir gedacht: Wenn sie so viel Zeit dafür aufbringen muss, dann hilfst du der Ministerin mal.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD sowie der Bundesministerin Julia Klöckner)

Der Gesetzgeber ist gelegentlich gar keine schlechte Hilfe. Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, wer so eine Plattform anbieten könnte, und tatsächlich ein namhaftes deutsches Forschungszentrum mit einem sehr guten Ruf gefunden, und zwar das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das über einen riesigen Satz an Geodaten verfügt, über IT, über die Netzwerke und vor allen Dingen über das Know-how, so etwas zu verwalten – treuhänderisch, bevor hier falsche Gedanken aufkommen. Wir haben mit dem Vorstand des DLR gesprochen, und das DLR sagte: Ja, Herr Spiering, das ist eine Aufgabe, die wir gerne und gut übernehmen können. Wir haben die Kompetenz, und wir haben die Möglichkeit, das in Realität umzusetzen. Das DLR sagte auch: Wir machen das treuhänderisch. Wenn wir das fünf bis sechs Jahre gemacht haben, übergeben wir das an eine andere Instanz.

Ich finde, damit haben sie Ihnen einen großen Gefallen getan, um das Problem „Digitalisierung in der Landwirtschaft“ nachhaltig zu lösen.

Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.

Ich bin fertig; danke schön.

Herzlichen Dank fürs geduldige Zuhören.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Passt doch. Vielen Dank, Herr Kollege.

Der Kollege hat fertig.

Herr Kollege Spiering, vielen Dank für diesen Hinweis. – Als Letzter spricht zu uns die Kollegin Marlene Mortler für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7252178
Wahlperiode 19
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta