Gesine LötzschDIE LINKE - Haushaltsgesetz 2018
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt mehrfach – gerade auch in den letzten Redebeiträgen – gehört: Jetzt kommen wir doch mal zurück auf die Sachebene. Jetzt reden wir doch endlich mal über den Haushalt. – Das hört sich für mich so an, als wollten Sie ignorieren, was draußen passiert. Wir sind hier doch in keinem Paralleluniversum.
Wir haben die Situation, dass sich Herrn Seehofer gerade mit Herr Kurz in Österreich trifft und dafür sorgt, dass Internierungslager eingerichtet werden. Das können wir niemals gutheißen, und das können wir hier auch nicht verschweigen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Während wir hier sitzen und über einzelne Zahlen diskutieren, hat man sich darauf geeinigt, die Mittelmeerroute, wie es so schön heißt, zu schließen. Das Erkundungsflugzeug wird auf Malta festgehalten, auch der Kapitän der „Lifeline“ wird auf Malta festgehalten und kriminalisiert. Dem müssen wir uns doch entgegenstellen. Auch Sie als Sozialdemokraten müssen dazu eine Meinung haben. Sie können sich doch nicht hierhinstellen und so tun, als wären das Probleme zwischen CDU und CSU, mit denen Sie als Regierungsfraktion nichts zu tun haben. Das lasse ich Ihnen nicht durchgehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich geht es um Internierungslager; das wollen wir mal ganz deutlich so aussprechen. Es geht ja nicht um irgendwelche anderen Begriffe, die ich hier gar nicht wiederholen möchte.
Der Kollege Staatssekretär Mayer hat im Deutschlandfunk eindeutig gesagt, in diesen Lagern könne man sich bewegen, man könne nur nicht raus. Was ist denn das anderes als ein Gefängnis? Was ist denn das anderes als ein Internierungslager? Das dürfen wir niemals akzeptieren, meine Damen und Herren. Das widerspricht auch unserem Grundgesetz.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ist ja schon peinlich! – Andrea Nahles [SPD]: Reden Sie zum Haushalt!)
Das Schlimme ist, dass es Herrn Seehofer, der jetzt ja nicht da ist, gar nicht vor allen Dingen und in erster Linie um die geflüchteten Menschen geht. Er hat sich durch die vielen, vielen Streitigkeiten, warum auch immer, die Forderung der AfD zu eigen gemacht, dass Frau Merkel weg muss.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, hätte er sie sich doch zu eigen gemacht! Dann wären wir weiter! Mein Gott!)
Ich finde, er ist einfach verantwortungslos. Auf dem Rücken der Flüchtlinge kämpft er seinen schmutzigen Machtkampf. Das entspricht überhaupt nicht dem Wählerauftrag, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Bundestagswahl ist 285 Tage her. Ich finde, man sollte nicht über 100 Tage im Amt reden. Man hat sich darauf verständigt, möglichst wenig zu tun und wenn, dann das Falsche. Vor allen Dingen haben Sie sich darauf verständigt, zu sagen, was Sie alles nicht wollen. Sie wollen zum Beispiel kein gerechtes Steuersystem.
Mehr als ein Drittel der Steuereinnahmen, nämlich 38,7 Prozent, werden über die Lohnsteuer und die Einkommensteuer realisiert. Die Einnahmen aus der Energiesteuer, 13,6 Prozent, sind doppelt so hoch wie die Einnahmen aus der Körperschaft- und Abgeltungsteuer. Das heißt im Klartext: Sie bestrafen die arbeitenden Menschen, die Rentner und Arbeitslosen mit Ihrem Steuersystem und verschonen die Vermögenden. Das werden wir niemals akzeptieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Das hat zu einer enormen Reichtumskonzentration in unserem Land geführt, die das Land spaltet. 1 Prozent der Bevölkerung verfügt über ein Drittel des gesamten Eigentums. Das ist doch nicht normal. Das sehen selbst die Wählerinnen und Wähler der CDU so, nämlich zu 55 Prozent, und 90 Prozent der Wähler von SPD, der Linken und Grünen sehen das auch so. Die Vermögensverteilung in unserem Land ist ungerecht. Da müssen wir gegensteuern, und zwar vor allen Dingen mit einer Steuerpolitik für die Vermögenden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, dafür zu sorgen, dass der gemeinsame Reichtum endlich gerecht verteilt wird. Bei der Verwendung der Steuern wird deutlich, dass Sie eben nicht die Mehrheit der Bevölkerung im Auge haben, sondern vor allen Dingen bestimmte Lobbygruppen bedienen.
Wenn wir uns einmal den größten Einzelplan anschauen, nämlich den für Arbeit und Soziales, und den Rentenzuschuss herausrechnen, dann sehen wir ganz deutlich, dass für Arbeit und Soziales ungefähr so viel ausgegeben wird wie für todbringende Waffen und Kriegseinsätze. Das können wir niemals akzeptieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Wenn Sie dann auch noch die Forderung von Donald Trump erfüllen wollen, nämlich das berühmte 2-Prozent-Ziel, also 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, dann werden wir bald mehr für die Finanzierung von Rüstung ausgeben als für Arbeit und Soziales. Das ist eine falsche Entwicklung. Da müssen wir gegensteuern.
(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann steuern Sie mal!)
Wer in Friedenszeiten mehr Geld für Rüstung als für Arbeit ausgeben will, der kann doch nicht ernsthaft behaupten, dass er die Interessen der Menschen in diesem Land vertritt.
Von der Bundesregierung wird immer gern betont, wie viel Geld sie in die Zukunft investiert. Doch ist es nicht bemerkenswert – wir haben gerade den Etat für Bildung und Forschung beraten –, dass die Bundeswehr 1,5 Milliarden Euro mehr bekommt, aber die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft stagnieren? Das ist doch die falsche Richtung.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat Deutschland zu verstärkten Anstrengungen bei Strukturreformen sowie im Klimaschutz aufgefordert. Im Wirtschaftsbericht der OECD zu Deutschland heißt es, dass angesichts einer starken Haushaltslage auf kurze Sicht viel Spielraum zur Finanzierung wichtiger Aufgaben, etwa für den Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungs- und Ganztagsschulangebote, für Erwachsenenbildung oder Investitionen in Infrastruktur oder neue Technologien, vorhanden ist und auch genutzt werden muss.
Aber was macht die Bundesregierung? Sie will mittelfristig die öffentlichen Investitionen einfrieren. Das ist nicht zukunftsorientiert. Ist das Ihrer Meinung nach die richtige Reaktion auf den Handelskrieg von Donald Trump? Wir sagen Nein.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP])
Unsere hohe Exportabhängigkeit wird zum Bumerang. Um die Stabilität unseres Landes zu sichern, müssen wir mehr im Inland investieren. Es reicht eben nicht, Strafzölle vermeiden zu wollen. Wir brauchen einen Plan B.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Einen Plan C!)
Das heißt für uns mehr Investitionen in soziale und ökologische Innovationen. Das setzt mehr Investitionen in Bildung und Wissenschaft voraus.
Die Fokussierung auf eine kleine Elite ist völlig falsch. Wir brauchen jedes Kind in unserer Gesellschaft. Wir brauchen jedes Talent. Deshalb müssen wir endlich mehr gegen Kinderarmut tun.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jedes fünfte Kind in unserem Land – das muss man sich einmal vorstellen – lebt in Armut. Daran wird auch Ihr Familienentlastungsgesetz nichts ändern; denn Kinder, die von Hartz IV leben müssen, bekommen dadurch keinen Cent mehr. Das ist eine Schande für unser Land.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein Thema hat in dieser Debatte so gut wie gar keine Rolle gespielt. Wir brauchen unbedingt mehr Zukunftsinvestitionen in Ostdeutschland. Das Wirtschaftswachstum in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wuchs langsamer als im Bundesdurchschnitt. Im Osten stagniert das Bruttoinlandsprodukt nach Abzug der Inflation in manchen Gegenden nahezu. Am düstersten ist die Lage in Sachsen-Anhalt. Mit einem Plus von nur 0,8 Prozent Wachstum ist es das Schlusslicht Deutschlands. Schon im Vorjahr war das Wachstum nicht über die 1-Prozent-Marke hinausgekommen.
Wenn die Bundesregierung zum Beispiel über den Kohleausstieg nachdenken lässt, dann muss gleichzeitig über soziale und ökologische Lösungen diskutiert werden. Warum zum Beispiel hat Verkehrsminister Scheuer keinen Plan, wie wir abgehängte Regionen mit schnellen Bahnverbindungen wieder an wachsende Regionen ankoppeln können? Natürlich wird Ihnen die Bahn sagen, dass sich das für sie nicht rechnet. Aber für die abgehängten Regionen würde sich das rechnen und für unsere gesamte Gesellschaft wäre das ein großer Gewinn.
(Beifall bei der LINKEN)
Nein, es passiert nichts. Ihre Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber Ostdeutschland ist nicht mehr zu ertragen.
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, die AfD hat nach der Bundestagswahl angekündigt, dass sie diese Regierung jagen will. Schlimm, meine Damen und Herren von der Regierung, ist, dass Sie sich bei bestimmten Themen von der AfD jagen lassen und bei wichtigen Themen zum Jagen getragen werden müssen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dürfen wir das verwenden? Na wunderbar! Das bestätigt uns auch die Linke! Das ist mal ein neuer Wahlkampf! – Gegenruf von der CDU/CSU: Das macht die politische Nähe! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Jetzt wird es lustig hier!)
Sie sind schnell, wenn es um Sanktionen gegen Flüchtlinge und Arbeitslose geht. Sie sind schnell, wenn es um den Abbau von demokratischen Rechten und den Ausbau des Polizeistaates geht. Und Sie sind schnell, wenn Rheinmetall neue Rüstungsaufträge braucht, und Sie sind langsam, wenn es um den Kampf gegen Altersarmut und Kinderarmut geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, hören Sie auf, mit der AfD Hase und Igel zu spielen! Diese rechtsextreme Partei wird Sie in ihren inhumanen Forderungen immer übertrumpfen.
(Widerspruch bei der AfD – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Zum Schluss, meine Damen und Herren, noch eine erfreuliche Zahl: Es gibt in Deutschland 6 Millionen Menschen, die Flüchtlingen ehrenamtlich helfen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn ich Ihnen zuhöre, bin ich gern auf dieser Seite!)
Diese Zahl finde ich beeindruckend. Die Linke wird sich immer dafür einsetzen, dass wir gemeinsam, friedlich und solidarisch in Europa leben können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Als nächsten Redner rufe ich den Kollegen Dr. Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7252226 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Haushaltsgesetz 2018 |