Christian DürrFDP - Allgemeine Finanzdebatte
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Berghegger, Sie haben gerade gesagt, dass es insbesondere um die Gestaltung der Zukunft geht. Wenn man sich die Fundamentaldaten dieses Bundeshaushaltes anschaut, stellt man fest, dass allein 40 Prozent in den Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fließen.
(Marianne Schieder [SPD]: Das ist gut so!)
Wenn man sich dann anschaut, was die Bundesregierung für diese Wahlperiode geplant hat, dann stellt man fest, dass fast 70 Prozent der geplanten Mehrausgaben ebenfalls in das Ressort von Herrn Heil gehen. Für die Zukunft Deutschlands, für Bildung und Forschung, hat diese Bundesregierung lediglich 2,7 Prozent des Etats übrig. Das hat mit Zukunftspolitik, Herr Kollege, überhaupt nichts zu tun.
(Beifall bei der FDP)
Der Bundesminister hat auch über Digitalisierung, Fortschritt und die Zukunft der Gesellschaft gesprochen. Ihre Antwort auf das Thema Digitalisierung ist, dass Sie als deutscher Finanzminister auf europäischer Ebene eine Digitalsteuer vorantreiben wollen. Die Antwort der Sozialdemokratie für die Zukunft Deutschlands ist eine weitere Steuer. Das ist keine Antwort für die Zukunft unseres Landes in diesem Bereich, Herr Minister Scholz.
(Beifall bei der FDP)
Sie haben dankenswerterweise einen weiteren, ganz konkreten Punkt angesprochen – ich hatte ihn in meiner Rede schon vermerkt –, nämlich das Thema „künstliche Intelligenz“. Da sagen wir alle: Das ist doch etwas, wo wir was tun müssen. – Wir wissen, dass die Chinesen Hunderte von Milliarden Euro in den kommenden Jahren dafür ausgeben werden. Aber auch ein Blick nach Europa genügt: Frankreich gibt über 1,5 Milliarden Euro allein für künstliche Intelligenz aus. Der Bundeshaushalt 2019 soll Gesamtausgaben von 356,8 Milliarden Euro haben. Wissen Sie, wie viel Herr Bundesminister Scholz für die künstliche Intelligenz ausgeben will? Wie gesagt: 356,8 Milliarden Euro Gesamtausgaben. Herr Scholz will eine ganze Million Euro für die künstliche Intelligenz ausgeben, für die Zukunft unseres Landes. Nichts haben Sie mit Deutschland an dieser Stelle vor, um das in aller Klarheit zu sagen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Minister Scholz, man kann feststellen, dass in den letzten Wochen viel über den Zusammenhalt der Gesellschaft gesprochen worden ist. Deshalb kann man diese Debatte auch nicht führen, ohne Ihre Vorschläge, die Sie im Rahmen eines Interviews geäußert haben, zur Zukunft der Rente in Deutschland zu besprechen. Sie haben gesagt: Für den Zusammenhalt der Gesellschaft soll es eine Rentengarantie bis zum Jahr 2040 geben. – Jetzt ist die Frage, was das im Konkreten bedeutet. Was heißt das für die Menschen, die in Deutschland nach 1973 geboren sind, also mithin nach dem Jahr 2040 in den Ruhestand eintreten werden? Das betrifft Menschen in meinem Freundeskreis. Sie sind in ihren 30er- und 40er-Jahren, haben Familie und stehen mitten im Arbeitsleben. Sie arbeiten hart und zahlen viel Steuern. Und diesen Menschen sagen Sie als Sozialdemokrat: „Ihr werdet in Zukunft höhere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen, ihr werdet höhere Steuern zahlen,“ – das haben Sie in einem Interview sogar selbst eingeräumt – „und ihr werdet zusätzlich eine geringere Altersversorgung haben“? Herr Bundesminister, das verhindert keinen deutschen Trump. Sie leisten in unruhigen Zeiten einen aktiven Beitrag zur Spaltung unserer Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. Das ist Ihnen vorzuwerfen, Herr Scholz.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch peinlich! Wo ist denn Ihr eigener Lindner?)
Ich habe mich gefragt: Worin unterscheidet sich eigentlich Ihr Vorschlag, den Sie in der Sommerpause gemacht haben, von dem, was Herr Seehofer hier vor wenigen Monaten im Rahmen der Migrationsdebatte veranstaltet hat? Es gibt überhaupt keinen Unterschied. Beides sind taktische Spielchen angesichts der Landtagswahlen in Hessen und Bayern; nichts anderes ist es, Herr Scholz, und das muss man in dieser Klarheit auch so benennen.
(Beifall bei der FDP)
Ich will einen weiteren Bereich nennen – der Bundestagspräsident hat es heute Morgen angesprochen –, über den wir in den letzten Wochen viele Debatten geführt haben, Stichwort ist hier insbesondere natürlich Chemnitz. Mir geht es dabei nicht um Teile derer, die zwar friedlich auf die Straße gegangen sind, aber ein ganz anderes Bild von Deutschland haben als ich. Ich will, dass Deutschland ein weltoffenes, ein liberales Land ist und nicht abgeschottet. Mir geht es um die Millionen und Abermillionen in der Mitte der Gesellschaft, die feststellen, dass sich in den letzten Jahren dieser Großen Koalition das Verhältnis zwischen Bürger und Staat dramatisch zulasten der Bürgerinnen und Bürger verschoben hat. In dieser Wahlperiode wird die Große Koalition, wird der Gesamtstaat, wird Deutschland zusätzlich 353 Milliarden Euro einnehmen. Sie versprechen den Menschen aber lediglich eine Entlastung um 9 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung steht das Geld buchstäblich bis zum Hals; aber für die Entlastung der Menschen, für die Mitte der Gesellschaft ist kein einziger Cent übrig. Das ist mehr als bedauerlich.
(Beifall bei der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Deswegen wollte die FDP ja nicht regieren und den Finanzminister stellen! Das ist ja peinlich! Sie wollten doch gar nicht regieren! Was soll denn das hier?)
Herr Bundestagspräsident, zum Schluss will ich noch Folgendes sagen: Während der Sommerpause wurde in der Union sehr laut und deutlich diskutiert. Herr Füracker, der bayerische Finanzminister, Herr Söder und Frau Kramp-Karrenbauer haben ein Interview gegeben und gesagt, den Solidaritätszuschlag müsse man angesichts der guten Einnahmesituation doch eigentlich möglichst schnell abschaffen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ihr hättet das alles machen können! Sie wollten doch nicht!)
Solche Debatten werden von der Union regelmäßig vor Wahlterminen geführt –
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.
– ich komme jetzt zum Schluss –, 2005, 2009, 2013, 2017 und jetzt, 2018, vor den Landtagswahlen. Ich stelle fest:
(Johannes Kahrs [SPD]: Ihre Redezeit ist abgelaufen!)
Viermal wurde das Versprechen gebrochen. Allein die Lebenserfahrung lehrt, dass auch dieses Mal die Union ihre Wahlversprechen brechen wird. Auch das muss man den Menschen und insbesondere den Wählern in Hessen und Bayern ganz deutlich sagen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Weniger Wahlkampf! Fakten, darum geht es!)
Herr Kollege Kahrs, Sie haben die Möglichkeit zu einer Kurzintervention, wenn Sie das möchten.
Ach, ich will seine Redezeit nicht verlängern. Lassen Sie mal. Das haben Sie schon gerade gemacht.
Als Nächstes erteile ich das Wort dem Kollegen De Masi für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7270760 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Allgemeine Finanzdebatte |