Sören BartolSPD - Verkehr und digitale Infrastruktur
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geld liegt nicht auf der Straße. Bürgerinnen und Bürger, die jeden Tag hart arbeiten und ordnungsgemäß ihre Steuern zahlen, erwarten von uns Abgeordneten, dass wir mit den Steuereinnahmen ordentlich umgehen. Öffentliche Gelder gehören allen. Jeder Cent verpflichtet uns, damit sinnvolle Dinge im Interesse der Menschen in unserem Land zu tun.
Nach dem Urteil aus Leipzig im Februar 2018 über mögliche Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Stuttgart und Düsseldorf treibt Pendlerinnen und Pendler in großen Städten die Angst um, dass sie morgens nicht mehr mit ihrem Auto zur Arbeit fahren dürfen und abends nicht mehr nach Hause kommen. CDU/CSU und SPD haben das Ziel, Fahrverbote zu verhindern. Deswegen haben wir auch das „Sofortprogramm Saubere Luft“ mit 1 Milliarde Euro aufgesetzt. Vor über einem Jahr haben wir mit der Automobilindustrie vereinbart, dass sie sich mit 250 Millionen Euro an der Finanzierung beteiligen wird. Mit diesem Geld – der Minister hat das angesprochen – helfen wir den Kommunen, ihre Busse, Taxis und die kommunalen Wirtschaftsfahrzeuge auf elektrische Antriebe umzustellen. Außerdem fördern wir die Anschaffung von modernen sauberen Bussen und die bessere Organisation des städtischen Verkehrs durch Digitalisierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, spätestens jedoch seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden in der letzten Woche stellen sich die Pendlerinnen und Pendler in der Rhein-Main-Region die Frage, ob diese Maßnahmen sie wirklich vor Fahrverboten schützen und ob ihre Steuergelder in den Förderprogrammen wirklich gut angelegt sind. Zur Wahrheit gehört, dass die Urteile zu einem Zeitpunkt kommen, an dem die meisten Maßnahmen vor Ort noch gar nicht wirksam sind. Ich hoffe, dass das Bundesverkehrsministerium hier gemeinsam mit den Kommunen noch schneller wird, damit die Gelder vor Ort auch ankommen und wirken können.
(Beifall bei der SPD)
Richtig ist aber auch, dass über ein zentrales Instrument zur Verhinderung von Fahrverboten aufgrund der Blockade der Union seit Monaten innerhalb der Bundesregierung nicht entschieden wird:
(Otto Fricke [FDP]: Böse! – Weitere Zurufe von der FDP)
die technische Nachrüstung. Nicht jeder Autobesitzer kann sich ein neues Auto kaufen. Für viele ist das schlichtweg nicht bezahlbar. Um mit einigen Vorurteilen aufzuräumen: Es geht nicht um eine flächendeckende, sondern um eine regional begrenzte Nachrüstung für Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer, die ganz konkret von Fahrverboten betroffen sind.
(Otto Fricke [FDP]: Es müssen nicht die Fahrer nachgerüstet werden!)
Es geht auch nicht um irgendwelche alten Fahrzeuge, sondern um Euro‑5- und Euro‑6-Fahrzeuge. Bis vor einem Jahr wurden Euro‑5-Fahrzeuge noch als moderne saubere Neuwagen verkauft.
(Karsten Hilse [AfD]: Das sind sie ja auch!)
Und es geht um eine technische Nachrüstung, die von den Herstellern und nicht von den Haltern bzw. vom Steuerzahler bezahlt werden soll.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht in der Lage ist, bei der technischen Nachrüstung innerhalb der Bundesregierung Klarheit zu schaffen und die abwartende Haltung der CDU und auch des Bundesverkehrsministers zu überwinden, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir hier im Bundestag entscheiden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Otto Fricke [FDP]: Ist Wahlkampf, oder was?)
– Moment, ich bin ja noch nicht fertig. – Die SPD ist dazu bereit, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner einen Antrag in den Bundestag einzubringen und die Bundesregierung aufzufordern, die technische Nachrüstung gegenüber der Automobilindustrie endlich durchzusetzen.
(Beifall bei der SPD – Christoph Meyer [FDP]: Das geht auch ohne! – Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege Bartol, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Nein.
(Jürgen Braun [AfD]: Oh!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nachdem ja inzwischen auch der hessische Ministerpräsident und die CDU-Generalsekretärin das Anliegen der SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze und meiner Fraktion unterstützen, sollte die Sache mit dem Antrag doch überhaupt kein Problem mehr sein.
(Beifall bei der SPD – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal direkt miteinander!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht und darüber nachdenkt, alternativ mit der Regionalbahn zu fahren, tut dies nur, wenn er sich auch darauf verlassen kann, dass die Bahn pünktlich, regelmäßig und zuverlässig fährt. Unser Ziel ist es, deutschlandweit den Schienenverkehr im Personen- wie auch im Güterverkehr zu einer attraktiven Alternative zu Flugzeug, Pkw und Lkw zu machen.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Dazu haben wir in der Koalition verabredet, mit einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft bis 2030 die Anzahl der Kundinnen und Kunden auf der Schiene zu verdoppeln. In einem ersten Schritt haben wir in diesem Jahr die Schienenmaut für den Güterverkehr deutlich abgesenkt. Außerdem investieren wir ja massiv in den Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur, wollen ein Bahnhofssanierungsprogramm auflegen und die Elektrifizierung und auch die Digitalisierung der Schiene fördern.
Die Deutsche Bahn muss in diesem Pakt ein starker Partner sein. Die Nachrichten, die uns gerade aus dem Bahn-Tower erreichen, legen jedoch etwas anderes nahe. Wenn der Vorstandsvorsitzende Dr. Lutz von der Deutschen Bahn AG einen dramatischen Appell an seine Führungskräfte richtet und einen Ausgabenstopp ankündigt, scheint die Lage ernst zu sein. Jetzt sind auch vonseiten des Bundesverkehrsministers Kontrolle und Führung gefragt. Wir wollen, dass bei der Deutschen Bahn, die ja im vollständigen Eigentum des Bundes ist, nicht die Maximierung des Gewinnes, sondern die Maximierung des Schienenverkehrs im Vordergrund steht.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt: Der Ausbau und Erhalt des Schienennetzes, die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit beim Bahnfahren sind am Ende wichtiger als die Rendite, und das muss natürlich in den Satzungen der Deutschen Bahn auch verankert werden. Auch hier erwarte ich vom Haus zügig Vorschläge, damit wir das, was im Koalitionsvertrag steht, umsetzen können.
(Beifall bei der SPD)
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass wir zurück zur Behördenbahn wollen. Die Deutsche Bahn muss weiterhin effizient und wirtschaftlich erfolgreich geführt werden. Weniger Gewinndruck soll auch nicht heißen, dass das Unternehmen irgendwann zur Schuldenbahn werden soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den kommenden Wochen intensiv darüber diskutieren, an welcher Stelle wir im kommenden Jahr mit wie viel Geld sinnvolle Dinge im Bereich Mobilität finanzieren wollen. Lassen Sie uns dann in Ruhe um den richtigen Weg hier im Parlament ringen,
(Kay Gottschalk [AfD]: Unsere Musterdemokraten von der SPD!)
die richtigen Entscheidungen treffen. Die Kolleginnen und Kollegen und auch die Bürgerinnen und Bürger, glaube ich, erwarten das von uns.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Kommt nur zehn Jahre zu spät! Wie alles von euch!)
Vielen Dank, Herr Bartol. – Herr Kollege Meyer, noch einen kleinen Moment, weil der Kollege Spaniel gerne eine Kurzintervention machen würde.
(Kay Gottschalk [AfD]: Ihr sei ja so demokratisch! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als ob ihr die Frage zulassen würdet!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7270777 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Verkehr und digitale Infrastruktur |