Matthias MierschSPD - Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist die erste Lesung des Haushalts, und eine solche Debatte verdient es natürlich, auch ein bisschen grundsätzlich zu werden. Deswegen will ich am Anfang eines sagen, Frau Kollegin Dött: Wenn man den Klimaschutz gegen die Interessen der Menschen ausspielen will
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will das denn?)
oder immer wieder sagt: „Wer Klimaschutz macht, der will eigentlich gegen die Industrie und die Menschen votieren“, dann ist das aus meiner Sicht ein falscher Blickwinkel.
(Beifall bei der SPD)
Denn wer Klimaschutz betreibt, der macht Politik zum Schutz der Menschheit und auch zum Schutz deutscher Industrie, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Hohmann, manche – auch von Ihnen – darf man nie aufgeben. Sie waren ja mal in der CDU und sind – ich habe es nachgelesen – römisch-katholisch. Vielleicht ist es kein Sozialdemokrat, der Sie auf den rechten Weg führen kann. Aber lesen Sie einmal „Laudato si“ von Papst Franziskus!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dann machen Sie sich ein Bild davon, warum Klimaschutz die Menschheitsfrage ist und warum wir längst hier handeln müssen.
(Beifall bei der SPD)
Sie haben die Automobilindustrie angesprochen. Wir müssen uns doch nur angucken, wo in diesen Tagen und Wochen das Investment stattfindet. Es findet nämlich in den Teilen dieser Welt statt, wo es um Effizienz und um Alternativen zum Verbrennungsmotor geht, zum Beispiel in China. Das heißt, wer die deutsche Automobilindustrie schützen will, der muss mehr in Innovationen und Effizienz investieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Kindler, es ist ein bisschen wohlfeil. Sie haben die Rolle der Opposition, und das ist auch in Ordnung. Aber wenn ich den einen oder anderen Grünen argumentieren höre wie auch gerade jetzt gegen die Umweltministerin, dann frage ich Sie: Wie ist es denn dort, wo Sie in der Regierung sind?
(Timon Gremmels [SPD]: In Hessen!)
Wer beispielsweise der Bundesumweltministerin, die sich seit Monaten mit der Automobilindustrie anlegt, vorwirft, hier zu kungeln,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gabriel! Sagen Sie mal was zu Gabriel!)
dem empfehle ich die Videos des letzten grünen Parteitags und Ihres grünen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann. Wie liegt der denn mit der Automobilindustrie im Bett, weil er natürlich auch am Alltag gemessen wird? Seien Sie nicht immer ganz so selbstverliebt!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Aber in Hessen auch!)
Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass wir uns damit befassen, was zurzeit mit dem Hambacher Forst passiert; Sie haben es angesprochen. Wichtig ist, dass vermieden wird, dass dort eine Eskalation stattfindet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber zunächst muss man einräumen – und da waren Sie eben an der Regierung beteiligt und mussten auch Realitäten zur Kenntnis nehmen –: Sie waren in NRW in der Regierung, als RWE den Rechtsanspruch bekommen hat. Das muss man, finde ich, an so einer Stelle auch immer wieder sagen.
Ich sage allerdings mit der Bundesumweltministerin und der SPD-Bundestagsfraktion: Nicht immer, wenn man einen Anspruch hat, ist es auch legitim, den auf Teufel komm raus durchzusetzen. Insofern habe ich die Hoffnung, dass wir hier zu einer Kompromisslinie kommen. Sie alle wissen: Es laufen zurzeit Gespräche.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich.
Bitte sehr, Herr Kollege.
Herzlichen Dank, Kollege Miersch, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir haben erlebt, wie die Umweltministerin sich für ein Moratorium eingesetzt hat, und dann haben wir die Parteivorsitzende der SPD erlebt, die denjenigen, die sich für ein Moratorium im Hambacher Wald eingesetzt haben, eine Blutgrätsche vorgeworfen hat. Mich würde interessieren, wie Sie das an der Stelle beurteilen. Wo steht Matthias Miersch da: bei der Blutgrätsche von Frau Nahles oder bei der Moratoriumsforderung der Umweltministerin?
Dann würde mich interessieren, wie jemand von den Sozialdemokraten, die in Nordrhein-Westfalen jahrzehntelang Braunkohlepolitik betreiben und heute noch, auch unter einer anderen Regierung, alle, die Kritik üben, als Terroristen bezeichnen usw. usf., uns hier vorwerfen kann, es habe irgendeinen Grünen gegeben, der diesen Tagebau bzw. diese Abholzung befürwortet hat. Das haben Sozialdemokraten wider alle Vernunft durchgedrückt. Sie haben Machtpolitik betrieben. Wenn es eine Verantwortung für die Abholzung gibt, dann liegt sie bei SPD, CDU und FDP, die bis heute hier in diesem Parlament und im nordrhein-westfälischen Landtag hinter dieser irren Kohlepolitik stehen. Dazu sollten Sie, bitte schön, Stellung nehmen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Krischer, das mache ich sehr gerne. Ich brauche nur ein bisschen Redezeit dafür, weil Sie so viele Aspekte angesprochen haben.
Wir müssen genau trennen. Deshalb bitte ich darum, genau darauf zu achten, was ich hier gesagt habe. Sie waren mit in der nordrhein-westfälischen Landesregierung, als RWE die entsprechenden Rechtsansprüche erworben hat; darauf habe ich hingewiesen, auf nichts mehr und auf nichts weniger.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe darauf hingewiesen, dass ich es für wohlfeil halte, wenn Menschen wie Robert Habeck in Talkshows auf die Bundesumweltministerin einprügeln, obwohl beide, wie ich glaube, das identische Ziel verfolgen. Aber man kann nicht so tun, als ob alles, wenn man Verantwortung trägt, nicht mehr gelten würde. Sie haben in Baden-Württemberg, Hessen und auch in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren Mitverantwortung getragen und mussten bestimmte Dinge anerkennen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Während Ihrer Regierungszeit ist es zu dem Rechtsanspruch von RWE gekommen. Ich habe eben gesagt – das ist die einvernehmliche Haltung der Bundesumweltministerin, meiner Fraktionsvorsitzenden und sicherlich weiter Teile der SPD –, dass man anerkennen muss, dass es einen Rechtsanspruch gibt. Es gibt noch ein Klageverfahren. Aber der Rechtsanspruch wurde in der letzten Instanz zugestanden. Dennoch kann man appellieren, das Recht nicht immer mit aller Kraft durchzusetzen, sondern sich auf ein Moratorium bzw. eine gemeinsame Lösung zwischen den Beteiligten zu verständigen. Wir jedenfalls werben für einen Kompromiss. Das ist SPD-Position, lieber Herr Krischer.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt komme ich zu einem weiteren Aspekt, nämlich zum Kohleausstieg. Ich bin mir eigentlich relativ sicher, dass wir bei der Zielsetzung identische Positionen haben. Frau Dött, eines kann aus meiner Sicht aber nicht verschoben werden: Wir können mit der Natur nicht verhandeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir uns auf Klimaschutzziele verständigen, dann können wir zwar in den Parlamenten um den Weg ringen. Wir können aber nicht so tun, als ob wir das Erreichen des Ziels beliebig verschieben könnten. Da bin ich mit Andrea Nahles und auch mit der Bundesumweltministerin einer Meinung. Mit der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, die den endgültigen Kohleausstieg vorbereiten soll, unternehmen wir den Versuch, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen; denn wir brauchen hier keinen Ausstieg, wie wir ihn bei der Atomkraft erlebt haben, wo maßgebliche Kräfte – auch in den Parlamenten – gegen den Ausstiegsbeschluss votiert haben. Frau Ihnen, Sie haben vom Verheddern in der Umweltpolitik gesprochen. Als Mitglied der FDP-Fraktion wäre ich da ganz vorsichtig. Das größte Verheddern stellt die Laufzeitverlängerung dar, die Ihre Fraktion mit zu verantworten hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen in der Kohle einen Konsens, der über Jahrzehnte trägt. Deswegen, Oliver Krischer, ist es aus meiner Sicht richtig, dass Andrea Nahles darauf hinweist: Klimaschutzziele sind unverhandelbar – daher ein Klimaschutzgesetz –, aber die betreffenden Regionen dürfen bei der Bewältigung des Strukturwandels nicht im Stich gelassen werden. Das ist sozialdemokratische Politik. Für diese stehen wir ein. Ich hoffe, dass das unter Zuhilfenahme aller Kräfte in diesem Parlament gelingt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Dann gebe ich der Kollegin Dött Gelegenheit für eine Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7270815 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit |