11.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 47 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 10

Ursula SchulteSPD - Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der aktuelle Haushaltsentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, Frau Ministerin Klöckner, umfasst 6,24 Milliarden Euro. Gegenüber 2018 verzeichnen wir damit tatsächlich einen Mittelaufwuchs – darüber freue ich mich –, und das ist gut so. Aber bietet dieser Einzelplan 10 damit wirklich den notwendigen Spielraum, um gestalterisch tätig zu werden und um Politik für die Zukunft auf den Weg zu bringen? Diese Frage kann ich nur teilweise mit Ja beantworten, und ich begründe Ihnen auch, warum.

Wenn wir uns den Einzelplan anschauen, stellen wir fest, dass allein 4 Milliarden Euro an die landwirtschaftliche Sozialversicherung gebunden sind. Verbleiben also noch 2,24 Milliarden Euro für so wichtige Aufgaben wie die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, für die Ernährungspolitik – im Übrigen sinnvoll ausgegebenes Geld – und für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Eine aktive und zukunftsweisende Politikgestaltung ist so nur eingeschränkt möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das soll keine Kritik an Ihrem Zahlenwerk sein, Frau Ministerin, sondern lediglich eine Feststellung.

Wir alle wissen ja, dass der Bund nach § 78 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte verpflichtet ist, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Alterssicherung zu tragen. Diese Verpflichtung stammt aus dem Jahre 1994. Vielleicht sollten Sie das ab und zu mal hinterfragen, auch vor dem Agrarstrukturwandel, der ja stattgefunden hat.

(Zuruf der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU])

Ich nenne nur die Stichworte: weniger Beitragszahler und mehr Empfänger. Die Alterssicherung der Landwirte ist ja Teil der gesetzlichen Rentenversicherung. Ich könnte mir durchaus vorstellen – wenn Sie mit Landwirten sprechen, dann stellen Sie fest, dass auch diese sich das vorstellen können –, dass man sie irgendwie in naher Zukunft in die gesetzliche Rentenversicherung überführt.

(Stefan Keuter [AfD]: Was heißt „irgendwie“?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2015 habe ich in der Diskussion um die Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die damals zu novellierende Hofabgabeklausel gesagt, dass meine Partei, die SPD, eine moderne Agrarpolitik, verbunden mit einer innovativen Agrarsozialpolitik erreichen möchte. Unser sozialdemokratischer Anspruch lautete damals wie heute: Wer ein Leben lang in die Alterssicherung der Landwirte eingezahlt hat, der hat verdammt noch mal auch das Recht auf eine Rente. Das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eben auch für Landwirte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Allein deshalb ist die Verpflichtung zur Abgabe eines Hofes als Voraussetzung für den Bezug einer Rente nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich stammt die Hofabgabeklausel aus dem Jahr 1957. Sie ist auch nicht verfassungskonform. Dafür haben wir jetzt den Beweis bekommen. Ich freue mich jedenfalls, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2018 klar und deutlich gesagt hat, dass § 11 Absatz 1 Nummer 3 ALG nicht mehr anzuwenden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Kopplung einer Rente an die Abgabe eines Hofes greift in die Eigentumsfreiheit nach Artikel 14 unseres Grundgesetzes ein. Die Pflicht zur Hofabgabe wird verfassungswidrig, wenn diese in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung einer Teilrente notwendig sind. So das Bundesverfassungsgericht.

Der überwiegende Teil der Juristen sagt im Übrigen auch, dass mit dem 9. August 2018, also mit der Veröffentlichung der Entscheidung, die Hofabgabeklausel – Gott sei Dank – ihr Ende gefunden hat.

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Meinung der Juristen stützen damit unsere Position. Und mit ein bisschen mehr Härtefallregelungen, Herr Stegemann, können wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht heilen.

(Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Obwohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eigentlich vollkommen klar ist,

(Stefan Keuter [AfD]: Es sind Haushaltsberatungen!)

kann von Ruhe an der Hofabgabefront keine Rede sein. Gerade bei den älteren Landwirten herrscht eine große Unsicherheit. Das liegt daran, dass der Versicherungsträger, die SVLFG, die Rentenbewilligung erst einmal ausgesetzt hat. Die SVLFG weiß nämlich nach eigenem Bekunden nicht, wie sie nun verfahren soll. Wir brauchen hier also dringend Rechtsklärung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und die SVLFG, die Alters- und Sozialversicherung, ist Teil des Haushaltsplanes. Es kann doch nicht sein, dass Menschen ihre verdiente Alterssicherung nicht erhalten, weil die SVLFG sie nicht bewilligt. Ich denke hier nicht nur an die zukünftigen Rentner, sondern auch an die Altfälle. Das sind Landwirte, die schon 70 oder 80 Jahre alt sind, ihre Rentenanträge im Einzelfall prüfen lassen können und vielleicht noch in den Genuss ihrer Rente kommen sollten.

Ich will eine weitere Anmerkung zur Agrarsozialversicherung machen. Wir haben im Zuge der Milchmarktkrise das sogenannte Milchmarktsondergesetz verabschiedet. Darüber wurden weitere 78 Millionen Euro bereitgestellt, um die Landwirte bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu entlasten. Insgesamt sind es jetzt 178 Millionen Euro, die im Haushalt stehen. Wirksam werden sollte die Entlastung 2016, mittlerweile hat sich diese Summe im Haushalt verstetigt. Darüber hinaus soll dieser Betrag als prioritäre Maßnahme im Rahmen der Land-Milliarde bis 2021 fortgeschrieben werden. Hier erwarte ich eine Erklärung der Bundesministerin. Auch der Bundesrechnungshof soll sich mit dieser Thematik beschäftigt haben. Die Mitteilung des Bundesrechnungshofes zu dieser Thematik hätte ich ganz gerne, ebenso die Stellungnahme Ihres Hauses.

Frau Ministerin, Sie haben beim parlamentarischen Abend der SVLFG gesagt, dass die Verwendung von öffentlichen Mitteln genau überprüft werden muss, schließlich handele es sich um Steuergelder. Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Ich erwarte in diesem Zusammenhang, dass Sie Ihr Wort halten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist der Kollege Frank Sitta, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7270856
Wahlperiode 19
Sitzung 47
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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