12.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 04

Andrea NahlesSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen geht es in unserem Land sehr viel um Vertrauen. In Gesprächen oder Diskussionen, auf Demonstrationen oder in der Politik: Wir alle können mit unserem Handeln und unseren Worten das Vertrauen in den Zusammenhalt in unserem Land stärken oder dieses Vertrauen gezielt zerstören.

Stellen wir uns auf die Seite von Minderheiten, ja oder nein?

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Auf die Seite der Mehrheit!)

Nennen wir es Hetzjagden, wenn Menschen durch Städte in Deutschland gehetzt werden, oder stimmen wir in den Chor der Relativierer ein?

(Beifall bei der SPD)

Ist es so, dass wir unsere Demokratie verteidigen, ja oder nein?

(Jürgen Braun [AfD]: Sagen Sie endlich die Wahrheit! Lenken Sie nicht ab, Frau Nahles!)

Ich sage: Das ist eine Frage, die nicht an die in Berlin geht. Es ist auch keine Frage, die an den Staat geht. Es ist auch keine Frage, die an die anderen geht. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir für unsere Demokratie eintreten, und zwar konkret, mit unserem Tun und unseren Worten. Es ist eine Frage an jeden Einzelnen von uns, an jede Bürgerin und jeden Bürger in diesem Land und jeden Abgeordneten in diesem Hohen Haus.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und Sie, meine Damen und Herren von der AfD, haben uns in den letzten Wochen gezeigt, wo Sie stehen. Sie haben Ihre Masken fallen gelassen.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie stehen auf der Seite der Gewalttäter, Frau Nahles!)

Sie marschieren Seite an Seite mit Neonazis und verhöhnen in unserem Land unsere gemeinsamen Werte. Ihre Kreistagsfraktionen rufen geradezu jubelnd die rechte Revolution aus. Funkhäuser sollen gestürmt und Mitarbeiter auf die Straße gezerrt werden. Ihre Maske ist gefallen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur allen sagen: Wer Sie unterstützt, der öffnet Nazis in unserem Land wieder Tür und Tor, und das kann niemand – keine Demokratin und kein Demokrat in unserem Land – wollen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Leider hat auch der Verfassungsschutz in unserem Land Vertrauen verspielt. Herr Maaßen ist eingesetzt worden – das muss man sich klarmachen –, um nach dem NSU-Skandal den Verfassungsschutz gegen rechte Verfassungsfeinde stärker aufzustellen. Ich sage mal vorsichtig: mit begrenztem Erfolg. Als es um die Frage ging, ob im Umfeld von Amri V-Leute platziert wurden, hat er das Vertrauen des Parlamentes beschädigt. Mit seinen Äußerungen zu Chemnitz hat er das Vertrauen in seine Person erschüttert.

(Jürgen Braun [AfD]: Er hat die Wahrheit gesagt! Sie sagen die Unwahrheit!)

Genau das können wir uns in diesem Land nicht leisten: dass der Verfassungsschutz Zweifel an seiner Arbeit aufkommen lässt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fordere deswegen den Bundesinnenminister ganz klar auf, dass er seine eigenen Maßstäbe ernst nimmt. Neulich hat er sie gegenüber anderen ins Feld geführt: Fakten sammeln, sorgfältig analysieren, beurteilen und dann handeln. Darum geht es heute Abend auch im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit Blick auf die Lage in Syrien mag man von Vertrauen nun wirklich nicht mehr sprechen. Die Situation der Zivilbevölkerung in Idlib ist besorgniserregend. Die Perspektiven sind angesichts der im Raum stehenden Drohungen sehr schlecht. Klar ist jedoch: Alle Konfliktparteien haben sich uneingeschränkt an die Regeln des humanitären Völkerrechts zu halten. Hierauf müssen sich jetzt alle diplomatischen Initiativen konzentrieren. Außenminister Heiko Maas wird sich in dieser Woche in verschiedenen Formaten hierfür nachdrücklich einsetzen. Wir unterstützen in der aktuellen Situation ausdrücklich den UN-Sonderbeauftragten für Syrien de Mistura. Größtmöglicher Schutz der Zivilbevölkerung, humanitäre Flüchtlingskorridore und Zugang zu humanitärer Hilfe sind sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Niemand wird bezweifeln, dass der Einsatz von Chemiewaffen ein internationales Verbrechen ist. Wir alle tun unser Möglichstes, damit niemand erneut in Idlib oder anderswo diesen geächteten Waffen ausgesetzt wird. Sowohl die syrische Regierung als auch der IS haben das in der Vergangenheit nachweislich getan. Sie müssen dafür vor den internationalen Strafgerichten zur Verantwortung gezogen werden. Aber das Völkerrecht kennt aus gutem Grund kein Recht auf militärische Vergeltung, schon gar nicht durch einen Staat oder durch eine irgendwie zusammengestellte Koalition.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Gewaltverbot ist ein Grundpfeiler der internationalen Friedensordnung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Sicherheitsrat ist hier aber gelähmt; das muss man sehen. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen kann im Rahmen von Uniting for Peace die internationale Gemeinschaft ermächtigen, auch militärisch zu handeln.

Frau Kollegin Nahles, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt gerade nicht. – Solange dies nicht geschieht, können wir Sozialdemokraten keinem gewaltsamen Eingreifen in Syrien zustimmen, schon gar nicht angesichts ernstzunehmender Berichte, wonach ein Staatschef in einer vergleichbaren Situation vor einigen Monaten öffentlich die Liquidierung politischer Akteure gefordert hat. Wenn es uns nicht bald gelingt, dem Recht des Stärkeren das Recht der Völkergemeinschaft entgegenzusetzen, werden wir Jahrzehnte der Anarchie erleben. Das ist es, was vermieden werden muss mit allen Mitteln der Diplomatie und des Völkerrechts.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen möchte ich hier etwas Wichtiges klarstellen. Über Militäreinsätze entscheidet in Deutschland der Bundestag.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!)

Souverän und verantwortungsbewusst haben wir das hier immer getan.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nun zum Bundeshaushalt. „ Keine Entlastung!“, haben Sie eben gerufen, Herr Lindner. 10 Milliarden Euro Entlastung beim Soli ab 2019, 8 Milliarden Euro Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Rentnerinnen und Rentner durch die Wiederherstellung der Parität, Absenkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte, das ist ein großer Batzen Entlastung, den wir durch diesen Haushalt ermöglichen und den wir zum Teil bereits durch unsere Politik für die Menschen in unserem Land zur Verfügung gestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Haushalt setzt auch Schwerpunkte, nämlich bei der sozialen Sicherheit und den Zukunftschancen, und zwar ohne neue Schulden. Finanzminister Olaf Scholz hat hier einen waschechten Investitionshaushalt vorgelegt. 151 Milliarden Euro bis 2022, das ist eine Rekordsumme. Wir wollen Milliarden zur Verfügung stellen, weil es diese Investitionen in unserem Land braucht, zum Beispiel in den Breitbandausbau, auf den gerade die mittelständische Wirtschaft, aber auch viele private Haushalte und ländliche Regionen warten, oder in den Digitalpakt für die Schulen, den wir möglichst bald auf den Weg bringen müssen; denn schnelles Internet und auch das Erlernen digitaler Medien und Kompetenzen gehören in jeden Klassenraum in Deutschland; darum muss es jetzt gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe eben ein Lob an die Grünen und die FDP anfügen wollen, da sie sich gemeinsam an die Bundeskanzlerin gewandt haben, um die Grundgesetzänderung zu ermöglichen. Als ich das aber eben hier mitbekommen habe, habe ich gedacht, dass wir lieber noch einmal eine Friedensfachkraft vorbeischicken, damit es angesichts der Auseinandersetzungen auch in Zukunft zu Gemeinsamkeiten kommt. Ich bin trotzdem froh, dass wir hier – hoffentlich – eine gemeinsame Mehrheit für eine Grundgesetzänderung haben, die das Kooperationsverbot so öffnet, dass wir seitens des Bundes den Schulen in Deutschland Hilfe zugutekommen lassen können; das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Bis 2022 werden wir insgesamt 95 Milliarden Euro in Bildung und Forschung stecken. Das ist doch ein klares Signal dafür, dass das ein wesentlicher Schwerpunkt des Haushaltes ist. Frau Karliczek, zögern Sie bitte nicht, uns Ihre Gesetzentwürfe zuzuleiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben jetzt sehr viele Mittel, um die Bildungschancen junger Menschen zu erhöhen. Wir warten sehnlichst zum Beispiel auf Ihren Gesetzentwurf zum BAföG. Dafür stehen nämlich deutlich mehr Gelder zur Verfügung als bisher. Trotzdem werden weniger junge Menschen gefördert, und diese erhalten im Durchschnitt weniger Geld. Hier brauchen wir dringend eine Trendwende. Also in die Hufe bitte! Das wäre sehr nett; denn das wäre etwas, was wirklich vielen in unserem Land helfen würde.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bildung fängt aber früher an. Deswegen bin ich froh, dass es das Gute-Kita-Gesetz von Franziska Giffey gibt. Investieren können wir 5,5 Milliarden Euro für mehr Personal, längere Öffnungszeiten, gutes Essen, Gesundheitsförderung, Sprachbildung, vernünftige Gruppengrößen, gut ausgestattete Räume, Fortbildung für die Fachkräfte. Das ist es nämlich, was hinter diesem Namen steckt. Es ist nötig, damit es jedes Kind in Deutschland packt. Das ist der eigentliche Kern dieses Gute-Kita-Gesetzes.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss es schleunigst her. Mehr Förderung und weniger Gebühren gehören in dieses Gute-Kita-Gesetz hinein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so zufrieden die SPD mit diesem Bundeshaushalt ist, so klar ist auch: Wir brauchen weitere Offensiven, vor allem eine sozialpolitische Offensive, wenn es um bezahlbares Wohnen geht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Herr Lindner: Radikal ist die Situation für die Mieterinnen und Mieter, nicht unser Vorschlag des Mietenstopps.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der ist nur radikal schlecht, der Vorschlag! Er verknappt das Angebot und treibt die Preise weiter hoch!)

Denn ganz ehrlich gesagt: In deutschen Metropolen und Städten haben es auch Normal- und Gutverdiener sehr schwer; denn sie werden im Grunde dadurch ärmer, dass die Mieten schneller steigen als die Löhne, und das schon seit Jahren. Das ist ein unhaltbarer Zustand, den wir beenden müssen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist ja genau Ihre Politik!)

Deswegen haben wir an dieser Stelle im Interesse der Mieterinnen und Mieter einiges vor. Wir haben auch bereits etwas gemacht, nämlich ein Mieterschutzgesetz. Das haben wir verabredet; denn diese Koalition hat schon vor Monaten erkannt, was die Probleme sind, und handelt deswegen gemeinsam, um die Probleme zu bekämpfen. Mit dem Mieterschutzgesetz verhindern wir beispielsweise ein „Rausmodernisieren“ ohne Folgen, und wir befristen eine Modernisierungsumlage, damit Spekulanten sich nicht einfach gegen die Mieterinnen und Mieter, denen ihre Wohnung doch Heimat – im besten Sinne des Wortes – ist, durchsetzen können, ohne dass diese sich dagegen wehren können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben an dieser Stelle meiner Meinung nach zum Beispiel durch die Pflicht zur vollständigen Auskunft über die Vormiete den Menschen erstmalig die Möglichkeit gegeben, zu vergleichen und ihre Rechte wahrzunehmen. Es ist also ein sehr gutes Mieterschutzpaket, das wir hier auf den Weg gebracht haben, ein wichtiger erster Erfolg, um hier Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich sage Ihnen: Dabei können wir nicht stehen bleiben. Wir müssen mehr bauen, wir müssen neu bauen, ob das nun über das Baukindergeld geht oder über die Sonderabschreibungen beim Mietwohnungsbau. Wir tun ja viel mehr. Und es ist richtig: Wir brauchen auch neue Grundstücke. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Bodenspekulanten nicht den Neubau von Wohnungen verhindern. Wenn Bauland brachliegt, müssen die Grundbesitzer zahlen. Außerdem brauchen die Kommunen eine Baupflicht. All das ist nötig, damit es vorangeht in diesem Land;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn nur Neubauten können am Ende den Druck aus dem Wohnungsmarkt herausnehmen.

Ich bin deswegen der Meinung, dass wir uns selbst mehr vornehmen müssen. Ich freue mich, dass wir einen Wohngipfel haben werden. Das ist eine erste gute Gelegenheit, die über den Koalitionsvertrag hinausgehenden Vorschläge miteinander zu beraten und vieles auf den Weg zu bringen. Der Wohngipfel wird am 21. September stattfinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird ja sehr viel darüber geredet, was die Menschen dieser Tage bewegt. 90 Prozent der 30- bis 50-Jährigen in unserem Land haben sich dazu neulich sehr klar geäußert. Sie haben gesagt, dass sie große Sorge haben wegen ihrer Altersversorgung, dass sie nicht glauben, dass diese reicht, um ihren Lebensstandard abzusichern. Sie haben ganz klar gesagt: Ich traue dieser gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zu, dass sie mich ausreichend versorgt. – Das ist ein Aufruf zum Handeln. Da können wir uns doch nicht hinstellen und sagen: Das ist nicht bezahlbar. – Doch!

(Beifall bei der SPD)

Wenn man will, kann man sehr wohl dafür sorgen, dass auch die Menschen aus der jungen Generation etwas von der gesetzlichen Rente haben, wenn sie zum Beispiel 2040 in Rente gehen; denn das ist eine politische Frage und eine politische Entscheidung.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Warten wir doch die Rentenkommission ab! – Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie haben das System gegen die Wand gefahren!)

Wir haben bereits aufgezeigt, dass es geht. Wir geben eine Sicherungsgarantie bis 2025, die dazu führt, dass die Kaufkraft der Renten nicht weiter sinkt; denn wenn wir nichts tun würden, würde die Kaufkraft sinken; die Löhne steigen, die Renten nicht. Jetzt steigen die Löhne und die Renten, und das ist wichtig – das ist eine wesentliche Verbesserung –, und das muss über das Jahr 2025 hinaus verlängert werden.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr macht es aber nicht!)

Das ist die feste Zielmarke für die Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Die Rentenkommission wird Vorschläge dazu erarbeiten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich finde, dass man auch vorher sagen kann, was man da erwartet. Ich höre immer die Zweifler und Neinsager aus allen Ecken des Hauses hier. Ich habe da mal eine Frage an Sie. Vielleicht können die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, der FDP und der CDU/CSU an dieser Stelle einfach mal sagen, wie sie denn in den nächsten Jahrzehnten den Menschen die Sicherheit geben wollen, dass ihre Rente am Ende auch reicht. Wissen Sie was, ich mache das mal kurz für Sie. Es gibt nämlich gar nicht so viele Möglichkeiten, wie man das machen kann. Man kann sich dann ganz klar entscheiden.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die erste ist, die Expertenkommission abzuwarten!)

Entweder Sie muten den Menschen Unsicherheit und Altersarmut zu, weil die Kaufkraft der Renten weiter sinkt – das passiert nämlich, wenn wir nichts machen; kann man machen, gerade dann, wenn die Babyboomer 2025 kommen;

(Zuruf von der FDP: Um die geht es heute nämlich!)

ist aus meiner Sicht fatal –, oder Sie plädieren für eine Anhebung des Renteneintrittsalters.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auf gar keinen Fall!)

Es ist gerade zwei Jahre her, da haben das viele gemacht, haben ganz klar sogar eine Mechanik entwickelt:

(Grigorios Aggelidis [FDP]: Frau Nahles, wer war denn die letzten Jahre verantwortlich für die Politik?)

steigende Lebenserwartung, steigendes Renteneintrittsalter; Automatismus.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Lassen Sie die Leute selber entscheiden! Flexibles Renteneintrittsalter!)

Das war eine ernsthaft diskutierte Option in einer Rentenkommission, die ich selbst als Ministerin geleitet habe. Ich sage Ihnen: Wie alt die Menschen auch immer werden – mit 70 Jahren können viele ihre jetzige Arbeit im Krankenhaus, in der Altenpflege oder auf dem Dach nicht mehr ausüben. – Das ist auch keine Antwort.

Dann gibt es natürlich die Möglichkeit, zu sagen: Na gut, die gesetzliche Rente reicht nicht mehr; dann machen wir halt mehr privat. – Ich bin sehr dafür, privat vorzusorgen. Das ist gut, aber kein Ersatz für eine vernünftige gesetzliche Rente.

(Beifall bei der SPD)

Nur 2 Prozent der Rentenleistungen sind zurzeit privat abgesichert. – Das kann es also auch nicht sein.

Ich fordere alle auf, sich an dieser Debatte zu beteiligen, Vorschläge zu machen, wie das in den nächsten Jahrzehnten weiterlaufen soll. Es ist schnell gesagt: Es geht nicht. – Die Menschen in unserem Land erwarten aber, dass es eine Lösung gibt. Wer massenhaft Steuer­erleichterungen, im Umfang von 30 Milliarden Euro, verspricht wie Herr Lindner,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch!)

der hat damit eine klare Buchung abgegeben: Ihm ist das halt wichtiger als eine sichere Rente. Die SPD sieht das klipp und klar anders und wird dafür auch kämpfen; das will ich an dieser Stelle klar gesagt haben.

(Beifall bei der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: So wie Sie über die jungen Menschen reden, ist auch Ihr Rückhalt bei den Jüngeren!)

Deswegen geht es in diesem Land auch um Vertrauen, und dabei geht es auch um Vertrauen in die Zukunft. Der Haushalt, den wir hier heute vorlegen, ist in Zahlen überführte Politik. Das ist letztendlich das, was wir ermöglichen können, um die Sorgen und die Anliegen der Menschen aufzunehmen. Wir investieren – ich habe es sehr deutlich gemacht – sehr stark in Bildung, in Soziales, in Zukunftschancen, und zwar massiv. Wir geben uns nicht den Sachzwängen hin; denn Politik ist genau die Kunst, das zu gestalten, was gelebt werden will. Das ist es ja, was die Menschen uns sagen. Sie wollen soziale Sicherheit, auch innere Sicherheit, und sie wollen mehr Bildungsinvestitionen. Dieser Haushalt ist also eine Einladung an uns alle, verantwortlich Politik zu machen und auch das Vertrauen in unsere Demokratie wieder zu stärken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Dietmar Bartsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7270944
Wahlperiode 19
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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