Fritz FelgentreuSPD - Verteidigung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2019 ist ein großer Schritt nach vorn für die Bundeswehr. Was wir in dem Resthaushalt für 2018 aus Zeitgründen noch nicht umsetzen konnten, holen wir jetzt nach. Der Verteidigungsetat wächst um über 10 Prozent auf 43 Milliarden Euro.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Danke für die Klarstellung!)
Für Investitionen in die Einsatzbereitschaft und die Modernisierung der Bundeswehr stehen 2 Milliarden Euro, für die Pflege und Instandsetzung von Waffen und Gerät 700 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Auch danke für die Klarstellung!)
Die Koalition setzt konsequent ihren Weg fort, eine durch jahrzehntelanges Sparen ausgehöhlte Bundeswehr wieder aufzubauen.
Der große Schritt im vorliegenden Haushalt ist eingeordnet in das Ziel der Koalition, bis 2024 1,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung jährlich in die Verteidigung zu investieren: in Personal, in Waffen, in Gerät, in Munition, in alles, was diese Armee braucht. Das ist keine Eintagsfliege, sondern eine dauerhafte Erhöhung der Ausgaben, die von Jahr zu Jahr fortgeschrieben wird. Das Ziel ist eine vollausgestattete Bundeswehr, die ihre Aufgaben wieder erfüllen kann.
Es war wieder einmal ein geschicktes Timing des Verteidigungsministeriums, gerade jetzt das neue Fähigkeitsprofil der Bundeswehr vorzulegen; denn dort wird konkret, was es für die Bundeswehr bedeutet, wenn die Bündnis- und die Landesverteidigung wieder die gleiche Bedeutung haben soll wie bisher die Auslandseinsätze.
Das Fähigkeitsprofil beschreibt eine für beide Aufgaben einsatzfähige Bundeswehr im Jahr 2031, eine Bundeswehr, die dann auch auf neue Herausforderungen wie zum Beispiel die Verteidigung gegen Hackerangriffe aus dem Cyberraum vorbereitet ist. Diese Bundeswehr wird allem Alarmismus zum Trotz, Herr Kollege Lucassen, immer noch eine kleine, schlanke Armee sein. Wir sollten nie vergessen, in welcher glücklichen Ausnahmelage sich unser Land befindet. Dass wir als 80-Millionen-Menschen-Volk in der Mitte Europas ohne natürliche Grenzen unsere Sicherheit mit einer Armee von nicht einmal 200 000 Mann verteidigen können, ist ein historisch einmaliger Glücksfall, den wir der Westbindung an NATO und Europäische Union zu verdanken haben. Gerade den Fraktionen ganz links und ganz rechts im Saal sei das immer wieder ins Stammbuch geschrieben.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Uijuijuj!)
So weit das Fähigkeitsprofil. Leider steht es vorerst nur auf dem Wunschzettel. Immerhin finden wir dort ein realistisches Nahziel: Bis 2023 soll es eine vollausgestattete verstärkte Heeresbrigade geben. Das ist das Jahr, in dem die Bundeswehr wieder den wesentlichen Teil der NATO-Speerspitze stellen wird. Wie notwendig das ist, erleben wir gerade in diesen Tagen. Denn zur Vorbereitung auf die Speerspitze 2019 muss die dafür vorgesehene Panzerlehrbrigade 9 gerade alles, was sie braucht, aus den anderen Teilen des Heeres zusammenleihen – mit entsprechenden Folgen für die Ausbildung und den Alltagsbetrieb dort. Der schwarz angestrichene Besenstiel als MG-Attrappe in der Hand eines Soldaten, der „Peng“ ruft, wenn er den Einsatz übt, dieses Stück Realsatire kann sich leider immer noch wiederholen.
2019 wird deshalb für die Bundeswehr ein spannendes Jahr. Es gibt deutlich mehr Geld und den Plan für die Brigade 23. Beides lässt das kommende Jahr zur Nagelprobe werden, ob das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehrverwaltung effektiv aufgestellt und zur Umsetzung der Vorhaben auch in der Lage sind. Der Beweis dafür ist bisher nicht erbracht. In der vergangenen Legislaturperiode ist es nie gelungen, die für Beschaffungen vorgesehenen Mittel auch wirklich in jedem Jahr dafür auszugeben.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
Politische Rahmenbedingungen, die immer wieder als Hindernisse für eine Verbesserung der Einsatzbereitschaft kritisiert worden sind, hat die Koalition jetzt aus dem Weg geräumt. Erstens gibt es mehr Geld. Zweitens: Was davon im Dezember übrig bleibt, darf neuerdings ins Folgejahr mitgenommen werden.
(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Schattenhaushalt!)
Drittens gilt das Wort unserer Haushälter: Sinnvolle und entscheidungsreife Projekte werden am Geld nicht scheitern. – Jetzt, Frau Ministerin, wollen wir natürlich auch Fortschritte und Ergebnisse sehen. Jetzt müssen Sie liefern.
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Und der Finanzminister!)
In dem Sinne ist das Jahr 2019 auch für Sie und Ihr Haus die Nagelprobe.
Zweifel an der Fähigkeit zur Umsetzung sind leider immer noch nicht ausgeräumt. Meine Sommerreise an diverse Standorte hat mir noch einmal drastisch vor Augen geführt, wie dramatisch es oft an Material und an Ausrüstung mangelt. Der im zweiten Halbjahr zu erwartende Bericht über den Klarstand der wichtigsten Waffensysteme wird zeigen, ob die Talsohle wirklich schon durchschritten ist. Die Verwaltung jedenfalls schwächelt nach wie vor weiter. Beim Beschaffungsamt sind 1 600 Stellen nicht besetzt. Das wird sich nicht zugunsten von mehr Ausrüstung auswirken. Fehlendes Know-how muss teuer eingekauft werden.
Beim Amt für Infrastruktur begegnen wir ähnlichen Problemen. Fehlende oder zu langsame Investitionen haben auch hier negative Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft. Zum Beispiel haben die Kampfschwimmer der Marine seit sieben Jahren kein Schwimmbad. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Kampfschwimmer – kein Schwimmbad.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Viele Kommunen haben keine Schwimmbäder mehr! Viele Kinder können gar nicht schwimmen! Das ist wichtiger als Kampfschwimmer!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, über die Attraktivität der Bundeswehr gerade für junge Leute brauchen wir nicht zu reden, solange es kein Material und keine geeigneten Einrichtungen für die Ausbildung und übrigens auch solange es in den Kasernen kein WLAN gibt.
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das liegt doch an der Regierung!)
Unter diesen Bedingungen ist der geplante Personalaufwuchs schon ein sehr sportliches Ziel.
Die SPD fordert für eine schlanke, moderne Bundeswehr nicht 2 Prozent, sondern 100 Prozent. Wir wollen die Vollausstattung mit Personal, Waffen, Gerät und Munition. Jetzt ist das Verteidigungsministerium in der Pflicht. Ausführung ist die Devise. Die Priorität auf die persönliche Ausstattung der Truppe und auf die NATO-Speerspitze ist richtig gewählt, aber zugleich ist diese Priorität eben doch auch ein Stresstest für die Handlungsfähigkeit des Ministeriums und der Zivilverwaltung. Frau Ministerin, die SPD-Fraktion wird Sie bei dieser wichtigen Arbeit nach Kräften unterstützen. Aber wir gucken auch ganz genau hin.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7271029 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 48 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |