12.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 48 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 23

Olaf in der BeekFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns liegt schon eine beeindruckende Woche: Kaum sind die Kanzlerin und der Entwicklungsminister von ihren Afrikareisen zurück, erklärt der Bundesinnenminister die Migrationsthematik zur alles bestimmenden Menschheitsfrage. Dass die Union ihre Streitigkeiten auf dem Rücken der fast 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland austrägt, finde ich unerträglich. Lassen Sie mich das mal ganz deutlich sagen: Wer behauptet, dass Migration die Mutter aller Probleme sei, der macht sich wahrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Horst.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Mutter aller Probleme sind nicht Migranten, sondern Politiker, die sich seit Jahrzehnten der Realität verweigern und keine Visionen für die Zukunft entwickeln.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Genau diese Visionen fehlen auch in der Entwicklungszusammenarbeit. Die ist der entscheidende Hebel, wenn es um die globalen Migrationsströme geht. Nur wenn wir den Menschen in ihrer Heimat Perspektive geben, werden sie nicht zu Flüchtlingen, und genau das, lieber Herr Minister Müller, machen Sie zurzeit nicht. Seien es Ihr Marshallplan mit Afrika, ein EU-Afrika-Kommissar oder die Plastiksteuer – im Ankündigen und Fordern sind Sie groß. Wenn man dann jedoch genauer nachfragt, wird es dünn: Erstens. Den Marshallplan mit Afrika gibt es zurzeit eigentlich eher nur auf dem Papier. Zweitens. Der EU-Afrika-Kommissar ist nach der Antwort Ihres Ministeriums auf meine schriftliche Frage – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin hieraus – dann doch nur im Sinne eines Beauftragten zu verstehen.

(Michael Georg Link [FDP]: So ist es!)

Wenn es drittens um die Bedeutung von sauberen Weltmeeren für unseren Planeten geht, zeigt Ihnen gerade ein 24-jähriger Niederländer mit seinem Projekt „The Ocean Cleanup“, wo der Hammer hängt.

(Beifall bei der FDP)

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist leider noch reine Ankündigungspolitik, und das setzt sich leider auch im Haushalt fort. Sie fordern mehr gemeinsame europäische und internationale Entwicklungspolitik, aber Sie erhöhen zurzeit nur die Mittel für Ihre kleinteilige bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Mittlerweile sind das schöngerechnet 70 Prozent des Gesamthaushalts. Das sind Maßnahmen, deren Wirkungen Sie nicht einmal alle benennen können. Bildung und Gesundheitsversorgung für die Ärmsten der Armen, aber auch den weltweiten Klimaschutz werden wir nicht mit dem Klein-Klein der deutschen Entwicklungszusammenarbeit angehen können. Das wissen Sie. Das sagen Sie. Aber warum tun Sie es dann immer noch?

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fangen wir mit der Grundbildung an! Hier tun wir zu wenig. Gerade einmal 18 Millionen Euro sind für die Globale Bildungskampagne vorgesehen. Das ist eines der weltweit besten Projekte in diesem Bereich, das Sie mit einem Kleckerbetrag abspeisen. Uns reicht das nicht. Wir wollen dafür nach wie vor mindestens 50 Millionen Euro jährlich, und da geben wir auch so lange nicht Ruhe, bis wir das haben.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genauso sieht es bei der Gesundheitsversorgung aus. Wenn wir dem Bevölkerungsboom in Afrika entgegenwirken wollen, dann geht das nur über Aufklärung und Beratung. Gerade jetzt, wo sich die USA massiv aus diesem Programm zurückziehen, brauchen wir eine starke gemeinsame europäische Gegeninitiative. Und was kommt aus Ihrem Haus? Stille!

Den dritten Baustein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wirtschaftliche Entwicklung, hat die Bundesregierung aus den Augen verloren. China wird in den nächsten drei Jahren 52 Milliarden Euro allein in Afrika in Infrastrukturprojekte investieren – mit wenig Nutzen für die Menschen vor Ort. Und wir? Wir schauen vom Spielfeldrand zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir tatsächlich dafür sorgen wollen, dass die Menschen in Entwicklungsländern in ihrer Heimat eine Perspektive bekommen, dann braucht es vor allem eins: Jobs, Jobs, Jobs und Jobs. Allein um den Investitionsstau bei der Infrastruktur in Afrika abzubauen, braucht es jährlich 160 Milliarden Euro. Um das zu bewerkstelligen, müsste also jedes Jahr die komplette weltweite Entwicklungshilfe in diesen Bereich fließen. Das ist nicht leistbar. Das wissen wir auch. Dafür brauchen wir eine engere Kooperation mit der Wirtschaft. Ihre Signale, Herr Minister Müller, haben wir gerade in der FDP vernommen.

Wir brauchen endlich eine sinnvolle Koordinierung der Entwicklungszusammenarbeit. Laut dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sind 14 Ministerien mit Maßnahmen in diesen Bereichen aktiv. Dieser Flickenteppich ist nicht akzeptabel. Selbst der Afrika-Beauftragte der Kanzlerin sagt mittlerweile öffentlich, dass unsere Entwicklungszusammenarbeit europäisch werden muss und dass sie sich vor allem an den Interessen Afrikas und nicht an denen der Ministerien ausrichten muss. Richtig so!

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für erfolgreiche Entwicklungsarbeit brauchen wir mehr als warme Worte. Wir brauchen die Wirtschaft, wir brauchen Europa, und wir brauchen internationale Partner.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Olaf in der Beek. – Nächste Rednerin: Eva-Maria Schreiber für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7271072
Wahlperiode 19
Sitzung 48
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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