Karl LauterbachSPD - Gesundheit
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir in der Großen Koalition in den Bereichen Gesundheit und Pflege bisher gut zusammengearbeitet haben. Das muss hier einmal gesagt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht. Diese Dynamik beobachten wir nicht in allen Bereichen. Derzeit sind einige Gesetze in der Vorbereitung – der Minister hat sie eben vorgetragen –, die sehr stark die Handschrift der SPD aus der Koalitionsvereinbarung tragen. Dass diese Gesetze mit dem gleichen Enthusiasmus auf den Weg gebracht werden, dafür möchte ich mich im Namen meiner Partei ganz herzlich bedanken.
(Beifall bei der SPD)
Ich will das mit Beispielen unterfüttern. Zum Ersten. Wir haben seit Jahren dafür gekämpft, dass die Parität im Gesundheitssystem wiederhergestellt wird. Denn wenn die Parität nicht wieder eingeführt würde, würde das zu erheblichen finanziellen Belastungen in unserem Gesundheitssystem führen, verursacht zum Beispiel durch Technologie, die rasant voranschreitet, durch steigende Lebenserwartung, aber auch durch den demografischen Wandel. All das wirkt sich auf das Gesundheitssystem sehr viel stärker aus als auf das viel diskutierte Rentensystem. Man darf die Kosten nicht gegeneinander aufrechnen, aber klar ist: Im Bereich Gesundheit werden die Kostensteigerungen größer sein als im Rentensystem.
Wenn wir die Parität nicht wieder einführen würden, dann würden die Kostensteigerungen von den Arbeitnehmern alleine zu tragen sein, die Arbeitgeber müssten nichts schultern. Schon nach kurzer Zeit wäre das für Rentner nicht bezahlbar. Das wäre im Prinzip eine Wegnahme der jährlichen Rentenerhöhung durch eine Steigerung der Kosten im Gesundheitssystem. Das können wir abwenden. Daher ist die Wiedereinführung der Parität, die wir beschlossen haben, ein ganz wichtiger Beitrag für die solide und dauerhafte Finanzierung unseres Gesundheitssystems.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Zweiten. Sehr viele Selbstständige verdienen zum Beginn ihrer Tätigkeit nicht so gut. Viele von ihnen wählen derzeit die private Krankenversicherung, weil sie am Anfang billiger ist. Später aber steigen die Prämien stark. Dann bedauert man den Wechsel in die private Krankenversicherung sehr oft, weil man die Prämien nicht mehr bezahlen kann. Man muss dann zum Teil Leistungseinschränkungen in Kauf nehmen.
Dass wir jetzt die Einstiegsbeiträge für die gesetzliche Krankenversicherung für Selbstständige halbieren, wird die gesetzliche Krankenversicherung für die Selbstständigen, die am Anfang nicht so gut verdienen, im Vergleich zur privaten deutlich attraktiver machen. Wir werden damit verhindern, dass diejenigen, die sich privat versichern, im Alter die hohen Prämien nicht zahlen können. Das halte ich für sehr wichtig. Wenn wir langfristig ergänzen könnten, dass diejenigen, die sich für die private Krankenversicherung entschieden haben und sich jetzt in einer Notlage befinden, wieder in die gesetzliche Krankenversicherung oder eine Bürgerversicherung zurückkehren könnten, dann wäre der nächste Schritt erreicht. Aber auch der Schritt, den wir jetzt gehen, ist ein ganz wichtiger Schritt zum Schutz vor Altersarmut und vor Verarmung von Selbstständigen, die nicht gut verdienen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Krankenkassen kein Geld horten dürfen. Das ist in der Tat richtig. 10 Milliarden Euro Überschüsse im Gesundheitsfonds, 20 Milliarden Euro Überschüsse bei den Kassen selbst – das sind Mittel, die den Versicherten gehören. Ich will im Zusammenhang mit dieser Reserve aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir zunächst einmal ungerechte Doppelbelastungen beseitigen müssen. Daher gehört für uns die Beseitigung der doppelten Verbeitragung der Betriebsrenten zu den unbedingt durchzuführenden Maßnahmen. Bevor wir Geld an alle ausschütten, müssen wir erst einmal diejenigen schützen, die jetzt als Einzige in unserem System – das sind ausgerechnet Rentner mit kleinen zusätzlichen Betriebsrenten – den doppelten Beitrag zahlen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Rückführung auf die normale, einfache Betriebsrentenverbeitragung ist für uns ein ganz wichtiges Anliegen. Darüber werden wir noch zu diskutieren haben.
Bei der Krankenpflege machen wir einen Quantensprung. Das ist tatsächlich so. Im Bereich der Krankenpflege unternehmen wir zurzeit die größte Reform seit der Einführung der Fallpauschalen Anfang der 2000er-Jahre. Der springende Punkt, der wichtigste Punkt ist, dass jede zusätzliche Pflegestelle zu 100 Prozent refinanziert wird, also nicht nur die Tariferhöhungen refinanziert werden, sondern auch die zusätzliche Stelle am Bett selbst. Somit hat jedes Krankenhaus die Möglichkeit, zusätzliche Stellen zu schaffen, ohne dass man sich wirtschaftlich verschlechtert. Das gilt dann ab sofort.
Langfristig nehmen wir ab 2020 die Pflege komplett aus dem Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern um die Finanzierung über Fallpauschalen heraus, indem wir zurückkommen zur Erstattung der eigentlichen Pflegekosten. Das heißt, die Krankenhäuser bekommen dann die Pflegekosten von den Krankenkassen in der nachgewiesenen Höhe erstattet. Damit ist die Pflege der erste Bereich, der aus dem Wettbewerb der Krankenhäuser im Gesundheitssystem komplett herausgenommen wird.
Die einzige Begrenzung wird dann sein: Wie viele Pflegekräfte können wir ausbilden? Wie viele Menschen gewinnen wir für diesen wichtigen, unterbewerteten Beruf? – Das werden mehr sein als heute, weil sich mit der zunehmenden Zahl der Arbeitskräfte in der Pflege die Arbeitsbedingungen verbessern werden. Und auch die Bezahlung wird sich verbessern. Damit wird der Beruf attraktiver, auch für diejenigen, die über eine entsprechende Ausbildung verfügen, aus dem Beruf ausgestiegen sind und zurückkommen wollen. Auch für junge Leute, die sich für eine Ausbildung in diesem Bereich entscheiden, sind das wichtige Faktoren. Das ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Verbesserung der gesamten Krankenhausversorgung in Deutschland.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zum letzten Punkt, zum Abbau der Zweiklassenmedizin. An dieser Stelle sind die Budgets der Praxen das große Problem. Sie erschweren den gesetzlich Versicherten oft den Zugang zum Facharzt. Ich sehe das nicht so wie der Minister; ich bin nicht der Meinung, dass das ein gefühltes Problem ist, also ein Aufregerthema. Ich bin der Meinung, dass das ein tatsächliches Problem ist. Wenn ich krank bin und mir Sorgen mache und einen Facharzttermin brauche, dann ist das nicht nur gefühlt ein Problem; denn wenn ich zu lange warte oder keinen Termin bekomme, dann kann ich im Notfall sogar sterben. Somit ist die jetzige Situation nicht haltbar. Das ändern wir, indem offene Sprechzeiten eingeführt werden, zu denen ich den Arzt ohne Termin aufsuchen kann. Behandlungen, die über die Terminservicestellen, die wir neu aufstellen, vermittelt werden, werden nicht auf das Budget angerechnet.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das Ganze muss natürlich großflächig nachgeprüft werden!)
Das heißt, die Ärzte werden plötzlich ein großes Interesse daran haben, diese Termine zur Verfügung zu stellen. Das wird eine deutliche Verbesserung der Versorgung von gesetzlich Versicherten durch Fachärzte – aber nicht nur in diesem Bereich – mit sich bringen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Abbau der Zweiklassenmedizin. Auch das werden wir in den nächsten Monaten auf den Weg bringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus für die Fraktion der FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7271905 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |