Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Jens Spahn, Sie haben eben sehr eindrucksvoll geschildert, was Sie in den ersten sechs Monaten geschafft haben: drei Gesetze. Das ist wirklich eindrucksvoll. Na ja, Sie sind auch noch jung, und Sie wollen vielleicht auch noch mal mehr werden als Gesundheitsminister. Insofern ist das in Ordnung. Mir ist auch aufgefallen, dass Sie in Ihrer Rede gesagt haben, dass Sie den Alltag der Menschen spürbar verbessern wollen. Schauen wir doch einmal, ob Sie mit Ihren Gesetzen dem Anspruch, den Sie an sich selber haben, gerecht werden.

Ich nehme jetzt einfach einmal das Terminservice- und Versorgungsgesetz heraus – zur Pflege wird sich meine Kollegin Nicole Westig noch äußern – und da den Part zur Anhebung der verpflichtenden Mindestsprechstundenzeiten. Es gibt die Verpflichtung, mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunden anzubieten; auch der Kollege Lauterbach hat das genannt. Sie wissen doch ganz genau, Herr Minister, dass die Mehrzahl der Niedergelassenen den gesetzlich Versicherten im Alltag weit mehr als 25 Stunden anbietet. Was also soll diese Regelung? Das ist nur wieder ein sozialistischer Eingriff.

(Beifall bei der FDP)

Die wenigen Niedergelassenen, die diese Sprechstundenzeiten nicht anbieten, haben ja möglicherweise auch Praxisbesonderheiten, zum Beispiel, dass sie viel ambulant operieren. Auch diese Zeit kommt dann den gesetzlich Versicherten zugute.

Was ich immer wieder besonders nachdenkenswert finde, ist, dass Sie dann sagen: Ach, na ja, diejenigen, die 25 Stunden anbieten, haben doch nichts zu befürchten. – Doch, Herr Minister, die haben etwas zu befürchten. Die neuen Kontroll- und Berichtspflichten – ich nenne das immer „die Sprechstundenpolizei“ – haben sie zu befürchten. Denn das ist das, wozu Ihr Gesetz führt: Es wird viel mehr Bürokratie geschaffen. Diese Zeit hätten wir lieber für die Behandlung von Patienten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Für alle Niedergelassenen muss es doch wie Hohn klingen, wenn aus Ihrem Haus dann noch gesagt wird, das würde einen geringfügigen Erfüllungsaufwand für die Praxisorganisation darstellen. Statt unnötige Regelungen abzubauen, setzen Sie mit dem TSVG noch ordentlich einen drauf. Das ist nicht in Ordnung.

Der Gesundheitsökonom Dr. Drabinski aus Kiel, aus Schleswig-Holstein, nennt Ihr Gesetz den „Einstieg in die ambulante Staatsmedizin“. Recht hat der Mann.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Der Chef der Techniker Krankenkasse sieht die erhöhte Pflichtsprechstundenzahl zur Reduzierung von Wartezeiten mit großer Skepsis. Auch er hat recht. Lieber Jens Spahn, auch aus Ihren eigenen Reihen wird das TSVG öffentlich kritisiert. Üben Sie sich doch ein bisschen mehr in kritischer Selbstreflexion, und streichen Sie diese unnötige Regelung. Das wäre ein guter erster Schritt.

(Beifall bei der FDP)

Mein Fraktionsvorsitzender, Christian Lindner, hat am Mittwoch in der Aussprache gesagt, er hätte sich von Minister Spahn etwas mehr Merz gewünscht und herausgekommen sei mehr Blüm. Da muss ich meinem Fraktionsvorsitzenden widersprechen: Ich sehe Sie eher auf der Linie von Ulla Schmidt. Ich weiß nicht, ob Ihrer Fraktion das gefällt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das ist aber üble Nachrede!)

Kommen wir zum zweiten kritischen Punkt: zu den Vergütungsanreizen. Bei Vergütungsanreizen bin ich ja grundsätzlich ganz bei Ihnen. Anreize sind immer besser als Zwang. Aber schauen wir uns auch das ein bisschen näher an: extrabudgetäre Leistungen für neue Patienten, offene Sprechstunde. In der Realität wird das zu einem Ärztehopping führen. Denn was macht ein Patient, der bei seinem langjährigen Arzt keinen Termin bekommt? Er hüpft zum nächsten, immer in die offene Sprechstunde. Negativ auswirken wird sich diese Maßnahme insbesondere auf die reguläre Versorgung.

Lieber Jens Spahn, verkaufen Sie die Niedergelassenen vor Ort nicht für dumm. Die sogenannten Vergütungsanreize, die Sie ihnen da vor die Nase halten, sind nämlich nur ein kleiner Teil dessen, was Sie ihnen durch die Budgetierung vorenthalten und nicht ausbezahlen. Das ist doch das ganze Problem. Seien Sie mutig, und schaffen Sie die Budgetierung gleich ab. Das würde den Alltag sowohl der Patienten als auch der Niedergelassenen erheblich verbessern. Damit würden Sie das, was Sie eigentlich vorhaben, auch durchsetzen.

(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Lesen Sie mal das Gesetz! Das geht Schritt für Schritt! – Gegenruf des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Gesetze verstehen!)

Jetzt zum letzten Punkt, der mich bei der ganzen Diskussion wirklich sehr nervt. Überall, wo Sie und auch andere reden, wird immer wieder der hohe Wert der Freiberuflichkeit für die ambulante Versorgung herausgestellt und betont, wie wichtig sie für die Patientenversorgung ist. Ja, da bin ich ganz bei Ihnen. Aber wie sieht denn die Realität aus, Herr Spahn? Gedeckelte Budgets, zentralisierte Bedarfsplanung, Pflichtstundenzahl, Zeitplausibilitätsprüfungen, bürokratischer Misstrauensaufwand: Das soll junge Ärztinnen und Ärzte motivieren, sich niederzulassen? Das ist doch lächerlich. Da müssen Sie schon eine andere Politik machen und andere Gesetzentwürfe vorlegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Lieber Jens Spahn, lassen Sie die Menschen, die sich um die Gesundheit anderer kümmern, doch einfach selbstbestimmt arbeiten – ohne Einmischung, ohne mehr Bürokratie. Das würde den Alltag aller wirklich spürbar verbessern.

Danke sehr.

(Beifall bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7271909
Wahlperiode 19
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Gesundheit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta