Stephan PilsingerCDU/CSU - Gesundheit
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn! Meine Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem ist eines der besten überhaupt, und der Einzelplan Gesundheit im Bundeshaushalt leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilität dieses Systems. Bundesminister Spahn hat den Turbo eingelegt und in seiner kurzen Amtszeit schon einige wichtige Gesetzentwürfe angestoßen, und zwar den Entwurf zum Versichertenentlastungsgesetz, zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, zum Terminservice- und Versorgungsgesetz und zum Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende. Ich bin fest überzeugt, dass nach seiner Amtszeit unser Gesundheitssystem deutlich besser geworden sein wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist aber auch wichtig, dass wir in Zeiten guter Konjunktur nicht nur Wohltaten verteilen, sondern auch in die Zukunft investieren. Und deshalb bin ich der Meinung, dass wir in Zukunft verstärkt in die Themen Digitalisierung, Biotechnologie und innovative Behandlungsmethoden investieren müssen. Es freut mich als Berichterstatter für das Thema Organspende besonders, dass wir über dieses Thema reden, und es freut mich, dass für Aufklärung über Organspende 5,7 Millionen Euro ausgegeben werden. Dies erscheint mir umso wichtiger, wenn man sich die aktuellen Organspendezahlen in Deutschland ansieht. Diese sind erschreckend niedrig. Im vergangenen Jahr hat sich die Organspende erneut rückläufig entwickelt. Dies darf nicht so bleiben! Daher bin ich Bundesminister Spahn auch äußerst dankbar, dass er sich dieses Themas angenommen hat und den Entwurf des Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende erarbeitet hat.
Der Gesetzentwurf erkennt richtigerweise, dass die schlechten Organspendezahlen auf Probleme im Prozess der Organspende zurückzuführen sind. Und: Der Gesetzentwurf zieht hieraus auch die richtigen Schlüsse: Er schafft die strukturellen und finanziellen Veränderungen in den Entnahmekrankenhäusern, die notwendig sind, um die Organspendezahlen nachhaltig zu erhöhen. Sehr erfreulich ist auch, dass der Gesetzentwurf eine Regelung für die Freistellung des Transplantationsbeauftragten enthält; so kann dieser künftig ungestört seiner wichtigen Aufgabe nachgehen. Ein weiterer wichtiger Punkt, den der Gesetzentwurf enthält, ist die Einrichtung neurologischer konsiliarärztlicher Bereitschaftsdienste. Damit wird sichergestellt, dass in jedem Entnahmekrankenhaus zeitnah der Hirntod festgestellt werden kann. Aktuell ist das Problem, dass gerade kleinere Häuser nicht über das notwendige Know-how verfügen.
Problematisch finde ich allerdings die Forderung von Bundesminister Spahn und anderen, die doppelte Widerspruchslösung einzuführen. Dies halte ich nicht für die richtige Lösung. Ein Blick auf die weltweite Situation zeigt, dass es unterschiedliche Lösungen gibt mit unterschiedlichen Erfolgen. So haben zum Beispiel die USA, wo es die Zustimmungslösung gibt, hohe Organspendezahlen. In Schweden haben sich die Organspendezahlen trotz Einführung der Widerspruchslösung nicht verbessert. Somit kann man nicht ohne Weiteres sagen, die Widerspruchslösung würde automatisch bessere Organspendezahlen mit sich bringen.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Stimmt! Richtig!)
Dies legt vielmehr den Schluss nahe, dass die schlechten Organspendezahlen auf Probleme im Prozess der Organspende zurückzuführen sind. Dies wurde mir auch in Gesprächen mit dem Deutschen Ethikrat, der Deutschen Stiftung Organtransplantation sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft bestätigt. Auch eine Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel kommt zu diesem Ergebnis.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Genau so!)
Umso mehr ist es für mich unverständlich, dass darüber hinaus die doppelte Widerspruchslösung gefordert wird. Die Widerspruchslösung finde ich ethisch äußerst bedenklich.
(Beifall der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Ein bloßes Nichtssagen kann doch nicht einfach als Zustimmung gewertet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin grundsätzlich für die Beibehaltung der Entscheidungslösung. Sinnvoll fände ich zum Beispiel die verpflichtende Entscheidungslösung. Nach diesem System sollen alle Bürgerinnen und Bürger zu einer einheitlichen Gelegenheit, zum Beispiel bei der Ausstellung eines neuen Personalausweises oder der Gesundheitskarte, befragt werden, ob sie Organspender sein möchten. Dies wird zum Beispiel erfolgreich im US-Bundesstaat Maryland praktiziert. Mit der verpflichtenden Entscheidungslösung werden das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen und die Freiheit des Menschen gewahrt, und auch die Integrität des Körpers wird geachtet. Um auch das Recht auf Nichtentscheidung zu wahren, ist es wichtig, eine dritte Auswahlmöglichkeit zu bieten, nämlich: Ich möchte mich nicht entscheiden.
Mit der verpflichtenden Entscheidungslösung werden auch die Angehörigen des potenziellen Organspenders entlastet. Im Rahmen der doppelten Widerspruchslösung müssen die Angehörigen in einer emotionalen Ausnahmesituation eine Entscheidung für den Patienten treffen. Dies ist emotional so nicht zuzumuten.
In meiner Tätigkeit als Arzt habe ich im Krankenhaus erlebt, wie belastend es für Angehörige ist, zu entscheiden, ob lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden sollen, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Die Angehörigen waren deutlich entlastet, wenn der Patient seinen Willen zuvor schriftlich festgehalten hatte und ihnen damit diese höchst emotionale Entscheidung abgenommen wurde.
Daher ist es so wichtig, dass sich jeder mit dem Thema Organspende zu Lebzeiten auseinandersetzt und dokumentiert, ob er Spender sein möchte oder nicht. Dadurch bleibt es den Angehörigen erspart, den vermeintlichen Patientenwillen zu ergründen.
Bei der Widerspruchslösung kann man nicht mehr von einer Organspende sprechen, da eine Spende immer auch eine Freiwilligkeit voraussetzt.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Richtig!)
Vielmehr müsste man von einer Organabgabepflicht sprechen. Solch einen fundamentalen Paradigmenwechsel dürfen wir nicht zulassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion: die Kollegin Bärbel Bas.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7272101 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |