14.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 50 / Tagesordnungspunkt 1

Florian ToncarFDP - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2019

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die teilweise zu hörenden Loblieder, aber auch die sehr sachlichen Beiträge zum Haushalt, wie gerade eben von Ihnen, Herr Kollege Berghegger, stehen meines Erachtens in einem bizarren Kontrast zu dem Gesamtbild, das diese Koalition in dieser Woche hier abgibt. Die Causa Maaßen dominiert die Woche. Es handelt sich um die zweite schwere Krise dieser Koalition, die keine sechs Monate alt ist und bereits zum zweiten Mal vor existenziellen Fragen steht. So viel Zerrüttung in einer Koalition in so kurzer Zeit gab es noch nie, und das zum Schaden unseres Landes, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann nur sagen: Sie haben es nicht geschafft, in dieser Woche dieses isolierte, überschaubare Problem rund um Herrn Maaßen zu regeln. Fangen Sie endlich an, das Grundthema anzugehen! Schaffen Sie faire Einwanderung mit klaren Regeln im Bereich „Flucht und Asyl“ für einen realistischen, fairen Zugang für Qualifizierte zu unserem Arbeitsmarkt! Sorgen Sie dafür, dass die Regeln, die es gibt, auch vollzogen werden! Das ist wichtiger, als über Personen zu diskutieren. Das ist das einzige Rezept gegen die wachsende Verunsicherung und Ungeduld, die wir in unserer Gesellschaft jeden Tag spüren.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Bundesminister Scholz, wir alle wissen es: In diesen Tagen jährt sich zum zehnten Mal die Pleite von Lehman Brothers und damit die Eskalation der globalen Finanzkrise. Herr Bundesminister, Sie haben dazu heute in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ etwas geschrieben. Vielem davon kann ich zustimmen. Trotzdem möchte ich daran erinnern – aus aktuellem Anlass –, dass die Krise vor zehn Jahren eben auch von der Politik kolossal unterschätzt wurde.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!)

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat noch am Tag nach der Lehman-Pleite, am 16. September 2008, hier im Bundestag gesagt – ich zitiere –:

Es gibt keinen Anlass – das sage ich sehr bewusst –, an der Stabilität des deutschen Finanzsystems zu zweifeln.

Binnen Tagen wurde er von der Realität widerlegt. Deshalb mein Appell aus Anlass dieses Jahrestages: Es ist einiges getan worden, manches besser geworden. Trotzdem sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass wir weitere Dinge tun müssen, damit sich solche Krisen nicht wiederholen, damit das Finanzsystem wirklich stabiler wird.

Das bedeutet für die Bankenunion in Europa, Herr Minister – das ist ja ein großes Thema in diesem Jahr –: Sorgen Sie dafür, dass sie auf fairen Wettbewerb und gute Geschäftsmodelle ausgerichtet wird! Sorgen Sie dafür, dass das Prinzip „Abwicklung vor Bankenrettung“ endlich wirklich durchgesetzt wird und dass Zombiebanken nicht mehr mit Steuergeld gerettet werden können wie jüngst in Italien! Sorgen Sie dafür, dass es keine neuen Töpfe gibt, über die die soliden Banken für die Abwicklung der weniger soliden am Ende haften müssen, wie beispielsweise bei Modellen für eine europäische Einlagensicherung! Vor allem, Herr Minister: Beenden Sie die Pläne dafür, dass doch wieder Steuergeld für die Restrukturierung von Banken aufgewendet wird! Sie planen auf europäischer Ebene einen sogenannten Backstop, eine Kreditlinie aus öffentlichen Geldern für Bankenrestrukturierung. Es ist genau die falsche Konsequenz aus der Krise rund um Lehman, dass schon wieder die Steuerzahler am Ende mit Krediten für Bankenrettungen einstehen sollen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, wir brauchen auch eine Beendigung der Politik des billigen Geldes. Natürlich führte eine exzessive Kreditvergabe in den USA durch zu billiges Geld dazu, dass eine Kreditblase entstanden ist. Deswegen: Werfen Sie Ihr Gewicht und das Gewicht der Bundesregierung in die Waagschale, wenn es darum geht, nächstes Jahr die Spitze der EZB neu zu besetzen! Mir ist die Staatsangehörigkeit eines EZB-Präsidenten herzlich egal. Aber das Profil des Präsidenten muss sein, dass er für Preisstabilität sorgt – dafür muss er bekannt sein – und für sonst nichts. Das ist das Profil, das wir von einem EZB-Präsidenten erwarten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es gibt dieses Jahr noch einen anderen Jahrestag – das wird von vielen hier, gerade von den Sozialdemokraten, peinlich verschwiegen –: 15 Jahre Agenda 2010;

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

sie wurde 2003 auf den Weg gebracht. Wir Freien Demokraten wollten damals weiter gehen, haben das aber im Bundesrat unterstützt. Ich glaube, wir müssen uns klar darüber werden: Unser Land zehrt bis heute davon, dass es damals politischen Mut gab, auf Eigenverantwortung zu setzen, die Menschen stärker in die Verantwortung zu nehmen und, insbesondere – das war damals ein erklärtes Ziel von Gerhard Schröder –, keine untragbaren Belastungen für die künftigen Generationen zu begründen. Generationengerechte Sozialsysteme, das war ein Element dieser Agenda.

Herr Minister, deswegen finde ich es ganz besonders bedauerlich, dass ausgerechnet Sie es sind, der als Sozialdemokrat durchaus in der Tradition von Gerhard Schröder steht, der einen Vorschlag für unser Rentensystem macht, der im Jahr 2040 Mehrausgaben von 75 Milliarden Euro begründen würde. Das ist genau das Gegenteil der sozialdemokratischen Politik, die eigentlich Erfolg hatte, die in den letzten Jahren sogar dazu beigetragen hat, dass es unserem Land gut ging. Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie davon bitte wieder Abstand!

(Beifall bei der FDP)

Das hilft nicht. Das wird keinen Bestand haben und bei den Menschen auch nicht die Wirkung haben, die Sie erreichen wollen, weil es am Ende nicht finanzierbar sein wird.

Sorgen wir dafür, dass unser Land eine Agenda 2030 bekommt! Flexibilisieren wir beispielsweise die Arbeitszeiten! Das brauchen wir in der digitalen Wirtschaft, in der heutigen Arbeitswelt. Flexibilisieren wir den Renten­eintritt! Entlasten wir die Bürger bei Steuern und Abgaben! Sie werden nach der aktuellen Steuerschätzung im Jahr 2022 im Bund 46 Milliarden Euro mehr als 2018 einnehmen. Es kann mir keiner erzählen, dass man mit 46 Milliarden Euro Mehreinnahmen, die in den nächsten vier Jahren pro Jahr anfallen werden, keine substanzielle Entlastung, keinen Abbau des Soli, keine Senkung der Unternehmensteuern und keinen Abbau der kalten Progression finanzieren kann. Das ist möglich, wenn Sie wollen.

(Beifall bei der FDP)

Gehen Sie diesen Weg; denn wir werden uns nicht mehr länger auf vergangenen Reformerfolgen ausruhen können. Wir brauchen eine neue Agenda, die nach vorne weist und für Investitionen und wirtschaftlichen Schwung in Deutschland sorgt. Das müssen Sie durch ein Umsteuern Ihrer Politik endlich hinbekommen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion Die Linke spricht nun Dr. Gesine Lötzsch.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7272117
Wahlperiode 19
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2019
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta