Gesine LötzschDIE LINKE - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2019
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn der Haushaltsberatungen hatte ich zwei Fragen gestellt: Erstens. Was sind die wirklichen Probleme der Menschen in unserem Land? Zweitens. Bietet die Regierung mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2019 die richtigen Lösungen? Der Grundfehler ist, dass wir immer noch ein ungerechtes Steuersystem haben. 1 Prozent der Menschen in unserem Land ist unverschämt reich und wird nicht vernünftig besteuert. Wir müssen endlich eine Vermögensteuer einführen, damit wir wirklich in die Zukunft investieren können.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Immer die gleiche Platte!)
Ich will Überlegungen zum Thema Sicherheit in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen.
Von der Regierungskoalition wird „Sicherheit“ sehr eng gefasst. Sicherheit ist für Sie: mehr Polizei, mehr Geheimdienste, mehr Bundeswehr. Wundern Sie sich nicht darüber, dass die Unsicherheit zunimmt, obwohl die Polizei mehr Wasserwerfer hat, die Geheimdienste mehr Telefone abhören und die Bundeswehr immer mehr Waffen bekommt? Offensichtlich ist mehr vom Selben nicht die richtige Lösung.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, wir müssen die innere, die äußere und vor allen Dingen die soziale Sicherheit betrachten, und dann stellen wir schnell fest, dass die soziale Sicherheit der Dreh- und Angelpunkt ist. Durch die Agenda 2010 haben Sie die soziale Sicherheit für viele Menschen aus den Angeln gehoben, und meine Einschätzung widerspricht hier der Einschätzung der FDP diametral.
(Otto Fricke [FDP]: Ein Glück!)
Das hat unser Land nicht vorangebracht, sondern zu mehr Unsicherheit geführt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Ereignis, das unser Land in den vergangenen Jahren am dramatischsten destabilisierte und unsere innere Sicherheit gefährdete, ist die Finanzkrise. Es gibt genügend Experten, die der Auffassung sind, dass die Krise noch nicht ausgestanden ist. Von „Schlafwandlern“ ist die Rede. Es gibt einfach immer noch zu viele faule Kredite, und es gibt nichts, was wirksam dagegen getan wird. Ich befürchte, dass eines Tages wieder ein erstaunter Finanzminister hier steht. Auch ich kann mich gut daran erinnern, wie Steinbrück damals sagte: Das alles hat doch mit uns nichts zu tun. – Was für eine dramatische Fehleinschätzung! So etwas darf nie wieder geschehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Eine mindestens ebenso destabilisierende Wirkung hatte die Agenda 2010. Die SPD sagt gerne: Reden Sie nicht mehr darüber! – Das Problem ist nur, dass alles, was damals beschlossen wurde, immer noch eine dramatische Wirkung hat und immer mehr Unsicherheit schafft. Ich will Ihnen das an Zahlen belegen: 7 Millionen Menschen in unserem Land arbeiten im Niedriglohnsektor. Bei 1,2 Millionen Menschen reicht der Lohn nicht zum Leben; sie müssen zum Amt gehen und aufstocken. 1 Million Menschen sind als Leiharbeiter tätig, ganz zu schweigen von den 3,2 Millionen Beschäftigten, die nur befristet angestellt sind. So viel soziale Unsicherheit im Arbeitsleben gab es noch nie. Diese soziale Unsicherheit ist eine Gefahr für unsere Demokratie, und wir müssen unsere Demokratie verteidigen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Der renommierte Ökonom Piketty schreibt in seinem globalen Report über die Ungleichheit, dass das Durchschnittseinkommen der unteren 50 Prozent 12 000 Euro im Jahr betrug. Das sind also – stellen Sie sich das vor – 1 000 Euro im Monat. Wenn sie dann noch befristet beschäftigt sind, dann wundert es nicht, dass diese Menschen an unserem Wirtschaftssystem, dem Kapitalismus und der Demokratie verzweifeln, und dem müssen wir entgegentreten.
(Beifall bei der LINKEN)
Die innere Sicherheit wird auch durch die Investitionsbremse gefährdet. Es ist doch unter allen vernünftigen Ökonomen Konsens, dass wir unsere Schulen, Krankenhäuser, Universitäten, Busse und Bahnen auf Verschleiß fahren. Die Antwort des Finanzministers auf diese riesige Herausforderung lautet, die Investitionen im nächsten Jahr zu senken und dann auf einem niedrigen Niveau einzufrieren. Aber Sie müssen sich doch einmal vorstellen: Schulen, Krankenhäuser, Universitäten, Busse und Bahnen kann man eben nicht einfrieren. Die muss man in Ordnung halten. Dafür brauchen wir Investitionen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Fixierung auf die schwarze Null gefährdet damit die innere Sicherheit in unserem Land.
Aber schauen wir einmal auf die äußere Sicherheit. Jeder weiß, dass sie nicht von der Bundeswehr abhängt; ein Glück, kann ich da nur sagen.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Ja, das stimmt!)
Die Bundeswehr reicht das Geld der Steuerzahler nur an die Rüstungsindustrie weiter. Diese freut sich über fette Gewinne und liefert häufig Waffen und Geräte, die eben nicht funktionieren. Ein ziviles Unternehmen wäre aufgrund von Regresszahlungen schon bankrottgegangen. Doch für die Rüstungsindustrie sind Regresszahlungen ein Fremdwort. Ich finde, das ist nicht mehr hinzunehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Kollegin Lötzsch, Entschuldigung, seit zwei Minuten versuche ich, Sie zu fragen, ob Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Müller aus der Unionsfraktion zulassen.
Nein, vielen Dank. – Die äußere Sicherheit, meine Damen und Herren, hängt vielmehr vom Welthandel ab. Die Bundesregierung steht in der Kritik, die Regeln des Welthandels massiv zu verletzen. Leistungsbilanzüberschüsse dürfen laut EU-Absprachen 6 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übertreffen. Seit 2011 liegt der deutsche Überschuss beständig über dieser Höchstgrenze. Ich finde, dem müssen wir entgegentreten, weil diese deutsche Handelspolitik Europa weiter destabilisiert. Das sagen nicht nur wir, das sagt auch die EU-Kommission. Wir müssen dem ein Ende setzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn dieser Überschuss hängt direkt mit dem deutschen Niedriglohnsektor zusammen. Französische Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass deutsche Dumpinglöhne in Frankreich circa 400 000 Arbeitsplätze vernichtet haben. Die ökonomische Destabilisierung unserer Nachbarn destabilisiert Europa insgesamt und damit auch die äußere Sicherheit.
Meine Damen und Herren, innere und äußere Sicherheit sind also in erster Linie von ökonomischen Faktoren abhängig. Aber wer seit Jahrzehnten der neoliberalen Marktgläubigkeit verfallen ist, kann das leider nicht erkennen. Aber es würde unserem Land helfen, wenn wir endlich wieder zu einer strengen Regulierung des Marktes kämen und die globalen Konzerne kontrollierten. Dann hätten wir auch mehr Sicherheit mit einem solidarischen Sozialsystem, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Fraktion Die Linke haben in dieser Woche viele gute Vorschläge gemacht; einige will ich benennen.
Meine Kollege Fabio De Masi forderte wie auch die EU-Kommission, dass Konzerne öffentlich machen müssen, wie hoch die Gewinne und Steuerzahlungen in jedem Land sind, in dem sie wirtschaftlich aktiv sind. Doch ausgerechnet der deutsche Finanzminister legte dagegen sein Veto ein. Ein unglaublicher Vorgang, meine Damen und Herren!
Mein Kollege Victor Perli kritisierte, dass der Bahnvorstand Teilverkäufe, Privatisierungen und harte Einschnitte bei den Beschäftigten plant. Die Linke sagt ganz klar: Nicht mit uns! Hören Sie endlich auf, die Bahn auf Verschleiß zu fahren!
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Kollegin Sabine Leidig bezeichnete Stuttgart 21 als die „größte Fehlinvestition der Eisenbahngeschichte“. Sie forderte, der Stuttgarter Bahnhof müsse oben bleiben. Das würde 4 Milliarden Euro sparen, die wir woanders gut gebrauchen könnten.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Kollegin Heidrun Bluhm forderte Konsequenzen für die Autokonzerne, die die Käuferinnen und Käufer betrogen haben. Den Anforderungen unserer Zeit wurde nicht entsprochen. Das ist nicht in Ordnung.
Mein Kollege Lorenz Gösta Beutin kritisierte, dass die Bundesregierung die Kosten für den Kohleausstieg den Bürgern auflaste, während die Gewinne, die die Konzerne haben, unangetastet blieben. Auch hier müssen wir heran.
Meine Kollegin Amira Mohamed Ali kritisierte, dass an weniger als 2 Prozent der Schulen und Kitas Essen angeboten wird, das die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erfüllt. Wie können wir uns so etwas leisten, frage ich Sie, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Mein Fraktionsvorsitzender, Dietmar Bartsch, forderte eine Steuerreform, die die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen entlasten und die Superreichen belasten würde.
Gregor Gysi von der Linken warnte vor einem Freihandelsabkommen, wonach ein afrikanisches Land alles zollfrei nach Deutschland und Deutschland alles zollfrei in das afrikanische Land liefern dürfe. Wer da den Kürzeren zieht, ist ja wohl klar.
Meine Kollegin Sevim Dağdelen findet es erschreckend, dass der Militärhaushalt drastisch erhöht wird, statt die Mittel für Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit kräftig aufzustocken.
Meine Damen und Herren, mit dieser kurzen Zusammenfassung nur einiger Vorschläge aus meiner Fraktion habe ich Ihnen gezeigt, dass wir diesen Haushalt entscheidend verbessern können. Wir müssen uns einigen, wohin wir mit diesem Land wollen: Wollen wir die Spaltung vertiefen, oder wollen wir mehr soziale Sicherheit? Wollen wir ein gerechtes Land? Wenn Sie mit uns ein gerechtes Land wollen, dann setzen Sie sich für unsere Vorschläge ein.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7272119 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Schlussrunde Haushaltsgesetz 2019 |