27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 3

Frank JungeSPD - Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2018

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kehren wir zurück zur wirklichen Debatte

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

und zu dem Thema, um das es heute geht.

(Beifall bei der SPD)

Die deutsche Einheit und das bis heute erfolgreich gestaltete Zusammenwachsen von Ost und West umfasst bei weitem mehr, als irgendein jährlicher Bericht zum Ausdruck bringen könnte. Das, was uns mit und seit der Wiedervereinigung beider ehemaliger deutscher Staaten gelungen ist, ist geschichtlich und global betrachtet so groß und so einzigartig, dass wir alle zu Recht stolz darauf sein können.

Wir können stolz darauf sein, weil sich das Zusammenwachsen von Ost und West natürlich auf milliardenschwere finanzielle Solidarität der Menschen aus den alten Ländern stützt. Wir können aber vor allem stolz sein, weil wir Ossis uns mit der friedlichen Revolution Freiheit und Demokratie und den Rechtsstaat selbst erkämpft und mit dem gesamten Aufholprozess bei der Angleichung der Lebensverhältnisse eine Leistung erbracht haben, die ihresgleichen sucht.

Da kann Ihre gesamte Fraktion, Herr Kotré, damals nicht dabei gewesen sein; denn das, was an Rechtsstaatlichkeit dort gefordert worden ist und was wir jetzt haben, das wollen Sie ja gerade abschaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sieht man auf die konkreten Zahlen im Bericht, so zeigt sich in der Tat, dass sich die Lebensverhältnisse im Osten weiter verbessert haben und die Angleichung an den Westen funktioniert. So befindet sich die Arbeitslosigkeit, als eines der wesentlichen Kriterien, auf einem historisch niedrigen Stand. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen in sozialversicherungspflichtiger Arbeit. Die Löhne und die Renten, Herr Höhn, wachsen. Sie sind prozentual sogar stärker gestiegen als im Westen. Das kann man einfach nicht ignorieren; das ist einfach Fakt. Der Garant dafür ist die Wirtschaftskraft im Osten, die wiederum auf einer mittelständisch geprägten Wirtschaft aufbaut.

Ich hebe das hervor, weil die Instrumente, die wir als Bundesregierung bereitstellen, nämlich zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, eine ganz besondere Bedeutung für die Wirtschaftsförderung in sich tragen. Rund 80 Prozent der Mittel, die dort ausgeschüttet und generiert werden, fließen in strukturschwache ostdeutsche Regionen, stärken dort die Wirtschaft. Hand an diese Mittel zu legen, wäre aus meiner Sicht fatal. Nach einem Antrag der FDP, der im Gespräch ist, sind diese Mittel zu kürzen. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der ostdeutschen Wirtschaft. Das geht so nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der Bericht verdeutlicht auch die Potenziale, die wir uns vornehmen müssen. Wir stehen vor einer Wirtschaftskraft, die sich weit von der des Westens unterscheidet. Die Tariflöhne, die wir im Osten haben, sind weit unter dem Niveau der Löhne in den alten Ländern, und immer noch haben wir einen großen Niedriglohnsektor, der natürlich in der Folge das Einkommen, das Steueraufkommen und das Vermögen der Ostdeutschen beeinflusst. Darunter leiden die Kommunen. Vor diesem Hintergrund ist es eine ganz schwere Aufgabe für die ostdeutschen Kommunen, für die Daseinsvorsorge vor Ort einzustehen und für vernünftige Lebensbedingungen vor Ort zu kämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wird klar, dass wir unglaublich viel erreicht haben, aber auch eine ganze Menge Arbeit vor uns liegt. Maßstab des Erfolgs kann nach meinem Dafürhalten jedoch nur die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den Regionen in Deutschland sein. Dabei ist mir und wahrscheinlich uns allen klar, dass mit diesen gleichwertigen Lebensverhältnissen nicht gemeint sein kann, dass Vorpommern oder die Lausitz so stark wie Hamburg oder München sein werden. Aber überall in Deutschland müssen sich Menschen sicher fühlen können, muss es gute Löhne, gute Kitas, gute Schulen, gute medizinische Versorgung, verlässliche Betreuung für Ältere, gute Pflege und einen flächendeckenden ÖPNV geben. Um das voranzubringen, haben wir in der Bundesregierung zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht. Ich erinnere da nur an die bereitgestellten Haushaltsmittel für die Programme der Mittelstandsförderung, für die Förderung von strukturschwachen Regionen, für Forschung und Entwicklung sowie auch an den Stellenaufwuchs bei Polizei und Richtern.

(Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD])

Außerdem werden die enormen Investitionen in wirtschaftsnahe Infrastruktur und Bildung, das Gute-Kita-Gesetz und das Gesetz zur Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes den Osten weiter voranbringen. Vor allem aber – damit will ich zum Schluss kommen – brauchen wir Lösungen, um die flächendeckende Strukturschwäche der neuen Bundesländer zu beseitigen. Hier sind zwei Elemente genannt worden, die auch ich für sehr wichtig erachte: Zum einen geht es darum, Bundesbehörden und Forschungsinstitutionen im Osten anzusiedeln. Zum anderen ist aber auch die Frage wichtig, inwieweit Führungskräfte des Ostens sich in den Chef­etagen wiederfinden. Vor allen Dingen mit Blick auf den 2019 auslaufenden Solidarpakt II muss klar sein, dass die strukturellen Unterschiede zwischen Ost und West noch lange nicht beseitigt sind. Die Weichen für all das müssen wir jetzt in der dafür zuständigen Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ stellen. Ich erwarte daher, dass die besondere Situation des Ostens dort besondere Berücksichtigung findet.

(Beifall bei der SPD)

Es muss uns klar sein, dass wir die Probleme der neuen Bundesländer in Bezug auf den Ausgleich von strukturellen Unterschieden nicht nur deshalb lösen wollen, weil wir Ost und West zusammenbringen wollen, sondern auch weil wir damit Deutschland insgesamt voranbringen. Denn wenn wir die Mühe und die damit verbundenen Investitionen nicht scheuen, dann ist das nicht nur der beste Weg, die deutsche Einheit erfolgreich zu vollenden. Vielmehr schaffen wir damit auch wieder mehr Vertrauen in Politik, in unseren Staat, und wir tun etwas für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für Demokratie. Und das ist das beste Mittel gegen Nationalismus, Spaltung, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Thomas Kemmerich, FDP.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276086
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2018
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