27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 5

Axel GehrkeAfD - Stärkung des Pflege- und Krankenhauspersonals

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es sehr, dass nach zwölf Jahren des Stillstandes nun endlich wieder Leben in die Gesundheitspolitik kommt. So viel Lob, Herr Minister, muss sein – auch von der Opposition. Aber Quantität – vier Gesetze in kurzer Zeit – hat auch ihren Preis, und dies in Form von handwerklichen Fehlern, mal mehr und mal weniger.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr wisst nicht mal, wie ihr abstimmen sollt!)

Das heute von Ihnen vorgelegte Pflegepersonal-Stärkungsgesetz gehört leider zu der ersten Gruppe.

Meine Kritik beginnt da, wo dieses Gesetz ungerechterweise so gut wie gar nicht greift: im ambulanten Sektor. In diesem Bereich kommt auf die Pflegekraft im Rahmen der sogenannten medizinischen Behandlungspflege genau die gleiche Arbeit zu wie in der stationären Pflege – also Injektionen, Verbände, Katheterisieren usw. Aber hier gibt es keine Stelle dazu; für den ambulant gepflegten Patienten wird das Pflegepotenzial nicht erhöht und seine betreuende Pflege nicht gestärkt. Lediglich die betriebliche Gesundheitsförderung der Pflegekraft wird etwas angehoben.

Und noch ein kurioses, für Heimbewohner oder deren Angehörige finanziell meist sehr schmerzhaftes Erlebnis: Während in der ambulanten Pflege die gesamte medizinische Behandlungspflege von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt wird und es zusätzlich eine Pauschale der Pflegekasse gibt, bekommt der stationär zu Pflegende von der GKV gar nichts und von der Pflegekasse nur die entsprechende Pauschale – und das, obwohl der Heimbewohner sein Leben lang Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt hat und diese im Heim auch weiterhin bezahlt. Er wird also doppelt benachteiligt; denn sein Eigenanteil steigt wegen der fehlenden Kassenbeiträge, und die Pflegekosten muss er bezahlen, ob er nun medizinische Behandlungspflege in Anspruch nimmt oder nicht.

Insgesamt läuft das auf eine persönliche Mehrbelastung der Angehörigen von knapp 4 000 Euro pro Jahr hinaus – Geld, das sich umgekehrt die Krankenversicherung im Schutze dieses Gesetzes einverleiben kann. Das ist eine Ungerechtigkeit, meine Damen und Herren, die wir auf keinen Fall gutheißen werden.

(Beifall bei der AfD)

Aber das ist nicht alles. Als dritte Säule gibt es ja auch noch die häusliche Pflege, also zum Beispiel Kinder, die ihre Eltern pflegen – Sie, Herr Minister, sind ja gerade darauf eingegangen. Das taten die Angehörigen bisher nahezu für Gotteslohn. Aber nun verspricht ihnen dieses Gesetz einen festen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation, damit sie sich von ihren Strapazen der Pflege erholen können. Das ist sehr edel.

In der Praxis gibt es allerdings dabei ein paar kleine Einschränkungen. Der Anspruch entsteht entsprechend dem Koalitionsvertrag unmittelbar „nach ärztlicher Verordnung“, muss also zeitnah nach dieser Verordnung erfolgen. Aber halt: Hier besteht nach SGB V weiterhin der Vorbehalt der Genehmigung durch die gesetzliche Krankenkasse. Diese Schwelle gilt es zu überwinden, und das zeitnah.

Aber selbst für den Fall, dass das gelingt, bleibt die Frage: Wohin mit den zu pflegenden Eltern? Es gibt die Kurzzeit- oder Verhinderungspflege. Aber dort jemanden zeitnah unterzubringen, ist praktisch unmöglich. Warum? Weil freie Kapazitäten in solchen Einrichtungen so gut wie nie zu haben sind, da die Pflegekassen für diese Einrichtungen für eine wirtschaftliche Betreibung eine Dauerbelegung von 97 Prozent vorsehen.

Man sieht, dass der Gesetzgeber in aller Ruhe dieses Zuckerl den häuslich Pflegenden zugestehen konnte. Ausnutzen kann das nur jemand, der auch sonst schon mal einen Sechser im Lotto gewonnen hat.

(Beifall bei der AfD)

Es ist leider wieder ein Versuch, dem Bürger Sand in die Augen zu streuen; und das werden wir nicht hinnehmen.

Dieses Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ist bestenfalls ein Teilpflegepersonal-Stärkungsgesetz für den stationären Sektor. Es ist zu befürchten, dass es sich für die Pflegekräfte im ambulanten und häuslichen Bereich zu einem „Frust-Stärkungsgesetz“ entwickelt. Wir fordern deshalb die Nachbesserung in fast allen Bereichen und den Verweis an den Gesundheitsausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Dr. Gehrke. – Nächster Redner: Dr. Karl Lauterbach für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276119
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Stärkung des Pflege- und Krankenhauspersonals
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