27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 5

Karl LauterbachSPD - Stärkung des Pflege- und Krankenhauspersonals

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal ganz ausdrücklich bei dem Kollegen Gehrke für seine Rede bedanken. Das war, soweit ich mich erinnern kann, in diesem Themenbereich die erste rein fachlich orientierte Rede.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zweite!)

– Ich höre gerade, es war die zweite. – Es war eine Rede, die nicht über einen Umweg direkt zum Thema Flüchtlinge und Ausländerhass gekommen ist, sondern es war eine fachliche Rede von der AfD. Dafür vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Zum Thema!)

Das ist die Debatte, die wir hier benötigen. Ich bin zwar nicht in jedem Punkt Ihrer Meinung – wir haben zum Beispiel in der letzten Legislaturperiode keinen Stillstand gehabt, sondern wir haben die Personalmindeststandards in der Altenpflege eingeführt –, nichtsdestotrotz möchte ich das nicht unerwähnt lassen.

Wir haben in der Pflege eine sehr schwierige Situation angesichts dessen, dass wir Anfang der 2000er-Jahre die Fallpauschalen in der Krankenpflege eingeführt haben, wodurch die Krankenhäuser für jeden Fall, den sie behandeln, eine Pauschale bekommen. Das hatte zur Folge: Wenn ein Krankenhaus das Geld für mehr Ärzte oder für mehr Geräte ausgab, bedeutete das mehr Umsatz; gab ein Krankenhaus dieses Geld für mehr Pflege aus, bedeutete das mehr Kosten, aber keinen zusätzlichen Umsatz. Daher sind Pflegekräfte abgebaut worden; 50 000 bis 80 000 Pflegekräfte in der Krankenhauspflege haben wir durch diese Maßnahme verloren.

Hinzu kommt, dass der Bedarf an Pflegekräften gestiegen ist. Mittlerweile gibt es Hygieneprobleme in den Krankenhäusern, weil die Krankenhäuser das Pflegepersonal nicht mehr vorhalten können. Zudem unterscheidet sich die Sterblichkeitsrate in den einzelnen Häusern, auch abhängig davon, wie viel Pflegepersonal eingestellt ist.

Wir müssen dies dringend und sofort ändern. Dafür sind in diesem Gesetzentwurf fünf Maßnahmen vorgesehen, die allesamt notwendig und richtig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Es ist wirklich ein Gesetzentwurf, der einen Neuanfang in der Krankenhauspflege beschreibt. Das Wort „Neuanfang“ wird heute sehr häufig verwendet, aber es ist hier tatsächlich angemessen.

Der Neuanfang ist wie folgt zu beschreiben: Zum Ersten werden wir Personaluntergrenzen einführen. Das heißt, Krankenhäuser, die in bestimmten Bereichen das Personal nicht nachweisen, können nicht abrechnen und die Leistung auch nicht anbieten. Das schulden wir sowohl der Sicherheit der Versorgung in diesen Bereichen als auch dem Personal, das wir vor Überlastung schützen müssen.

Zum Zweiten werden wir klarmachen, wie viel die Krankenhäuser tatsächlich für Pflege ausgeben. Denn obwohl alle Krankenhäuser das Geld für Pflege bekommen haben, haben viele es nicht dafür ausgegeben. Darüber werden sich der Patient, der Bürger, aber auch die Krankenkassen demnächst ein Bild machen können, indem wir den sogenannten Pflegequotienten ausweisen: Wie viel Geld für die Pflege ist tatsächlich in die Pflege geflossen?

Zum Dritten. Wir werden dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die jetzt Pflegekräfte einstellen, diese zu 100 Prozent bezahlt bekommen. Das heißt, es ist gar nicht möglich, mit Pflege jetzt noch Verluste zu machen. Wenn es mir gelingt, Pflegekräfte einzustellen, dann habe ich eine bessere Pflege und keine höheren Verluste, weil ich diese zu 100 Prozent bezahlt bekomme. Das ist ein Durchbruch, der den Anreiz schafft, dass alle Krankenhäuser so viele Pflegekräfte einstellen können, wie sie verfügbar haben. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Es gibt jetzt keine Begründung mehr dafür, aus wirtschaftlichen Gründen auf zusätzliche Pflegekräfte zu verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir werden dafür sorgen, dass die Tarife voll refinanziert werden, und zwar zum einen der lineare Anteil, also ein Anstieg der Vergütung, zum Zweiten der Strukturanteil, also dass die Tarife der niedrigeren Berufsgruppen insbesondere in der Pflege überproportional angehoben werden, und zum Dritten die Teile des sogenannten Mantelteils, also Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, die in den Tarifen verhandelt werden.

Wenn das zu 100 Prozent refinanziert wird, werden sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege drastisch verbessern. Der Beruf wird viel attraktiver werden; denn die Krankenhäuser sind dann nicht mehr in der Situation, dass sie auf der einen Seite etwas für ihre Pflegekräfte erreichen wollen, auf der anderen Seite das Geld dafür aber nicht von den Krankenkassen bekommen. Dieser Konflikt geht weg durch die Refinanzierung der Verbesserungen in der Tarifstruktur und die Weitergabe dieser Kosten an die Versicherten. Die Löhne, aber auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege werden sich dramatisch verbessern. Das brauchen wir; denn sonst werden wir junge Leute in Zukunft nicht für diesen Beruf gewinnen können. Das ist ein Schritt, den wir sofort ergreifen müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zum Abschluss. Ich will einen Punkt nennen, wo Minister Spahn und ich unterschiedlicher Meinung sind, und zwar bei den 13 000 Stellen. Das haben wir gemeinsam errungen, und es ist auch richtig, dass diese Stellen für die medizinische Behandlungspflege sofort kommen müssen; das brauchen wir. Ich halte es aber für falsch, dass man diese medizinische Behandlungspflege, die von Fachkräften erbracht werden muss, durch Assistenzberufe ersetzen kann, wenn man die Fachkräfte nicht bekommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das würde dazu führen, dass viele Pflegeeinrichtungen sich nicht ausreichend bemühen, Fachkräfte einzustellen und auch die Fachkräfte wieder ins Haus zu bringen, die jetzt in Teilzeit arbeiten oder ausgeschieden sind. Daher: Der Ersatz von Fachkräften durch Assistenzkräfte – das gibt es ja jetzt schon: in Berlin sind nur noch 30 Prozent der Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen Fachkräfte – muss gestoppt werden. Daher wünschen wir eine komplette Umsetzung des Aufbaus durch Fachkräfte und nicht durch Assistenzberufe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Lauterbach. – Nächste Rednerin für die FDP-Fraktion: Nicole Westig.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276122
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Stärkung des Pflege- und Krankenhauspersonals
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