Nina ScheerSPD - Verfassungsrechtliche Stärkung des Klimaschutzes
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unstrittig ist, dass der von den Menschen verursachte Temperaturanstieg, der Klimawandel, eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellt. Die Folgewirkungen des Ausstoßes von Treibhausgasen führen zur Häufung von immer mehr Wetterextremen und Umweltkatastrophen. – Herr Hilse, dass Sie bei so etwas grinsen, finde ich schon abartig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Karsten Hilse [AfD]: Ja, wenn Sie immer Wetter und Klima verwechseln, kann ich schon grinsen! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wenn die Erde eine Scheibe ist! – Gegenruf des Abg. Karsten Hilse [AfD]: Klima ist eine statistische Zahl!)
– Ich verwechsle hier überhaupt nichts. – Der Meeresspiegelanstieg betrifft Millionen von Menschen, und Ernteausfälle führen zu Problemen für Millionen von Menschen – ganz zu schweigen von der enormen Gesundheitsbelastung, die auch mit dem Ausstoß von CO 2 verbunden ist. Diese Thematik hat verschiedene Bezüge, daher haben wir sie zurzeit in verschiedenen Sektoren auf dem Tisch. Der Diesel-Skandal wird jedoch an einer anderen Stelle behandelt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass weder ein freies noch gerechtes noch solidarisches Leben zwischen den Völkern und in den Völkern denkbar ist, wenn wir nicht massive Anstrengungen unternehmen, die Klimafolgeschäden und natürlich auch den Klimawandel einzudämmen. Man kann sich nicht darauf ausruhen, nur die Folgen zu behandeln, sondern natürlich muss man alles daransetzen, den Klimawandel so viel es irgendwie geht einzugrenzen, um das nackte Überleben von Menschen zu retten und damit auch Fluchtursachen zu bekämpfen. Wir verleugnen schnell, dass 25 Millionen Menschen bereits heute als Klimawandelflüchtlinge gelten. 25 Millionen Menschen! Denen sind wir als Völkergemeinschaft verpflichtet, und deswegen gibt es ja auch die völkerrechtliche Verpflichtung, den Klimawandel zu bekämpfen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Kollegin Scheer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Nein, gestatte ich nicht; vielen Dank. – Der Klimawandel ist somit ein eklatantes Armutsrisiko. Insofern ist es auch richtig, dass die Große Koalition ein Klimaschutzgesetz im Visier hat, das im nächsten Jahr verabschiedet werden soll. Ich finde, wir sollten parlamentarisch alles daransetzen, dass dieses Klimaschutzgesetz genau das in den Fokus rückt und ein durchschlagendes Schwert zur Vermeidung der weiteren Verschlimmerung des Klimawandels wird – auch hier in Deutschland.
Herr Amthor, lassen Sie mich sagen: Ich finde es schon etwas erstaunlich, dass Sie die nationalen Bemühungen, den Klimawandel anzugehen, gänzlich verleugnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Nein! Nur nicht auf der Ebene der Verfassung!)
Sie haben gesagt, die nationalen Bemühungen sind nicht nötig.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das hat er nicht gemacht! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: Einfachrechtlich! Nicht auf der Ebene der Verfassung!)
Wenn Sie meinen, es sei nicht zu bewerkstelligen, auf nationaler Ebene ein Klimaschutzgesetz zu verabschieden, dann ist das ein schlechtes Vorzeichen. Ich bitte Sie, in der Koalition nicht von vornherein das Vorhaben ad absurdum zu führen, sondern tatsächlich anzuerkennen, dass wir auch die nationale Verpflichtung haben, den Klimaschutz ernst zu nehmen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das hat er doch gesagt!)
Jetzt komme ich zu dem Gesetzentwurf im Einzelnen. Ich finde es durchaus richtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie zum Beispiel eine Schadstoffbepreisung etwa in Form einer Schadstoffsteuer, einer Verschmutzungssteuer, einer Abgabe oder dergleichen so ins Gesetz aufgenommen werden kann, dass es nicht wieder vom Verfassungsgericht angekreidet wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Brennelementesteuer vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Das muss nicht heißen, dass es nicht eine verfassungsgemäße Brennelementesteuer auf der jetzigen rechtlichen Grundlage geben könnte. Aber wir haben eben auch erlebt, dass es gar nicht so einfach ist, Verbrauchsteuern bzw. Verschmutzungs- oder Schadstoffsteuern so zu erheben, dass sie tatsächlich verfassungsgemäß sind. Insofern finde ich es gut, wenn wir uns auch im parlamentarischen Verfahren – dieser Gesetzentwurf soll ja überwiesen werden – damit auseinandersetzen, wie und ob eine solche Schärfung möglich sein könnte. Das, finde ich, sollten wir in der Tat genau prüfen.
Zu der Kernforderung Ihres Gesetzentwurfs, den Artikel 20a zu ergänzen, möchte ich Folgendes sagen: Sie haben ja in dem Gesetzentwurf formuliert:
Für die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verbindliche Ziele und Verpflichtungen des Klimaschutzes binden alle staatliche Gewalt unmittelbar.
So soll die Ergänzung lauten. Damit ist eine Formulierung gewählt worden, die an sich keine konkrete Klimaschutzverpflichtung bzw. keine konkrete Klimaschutzmaßnahme definiert, sondern an eine völkerrechtliche Verbindlichkeit anknüpft.
In dem Anknüpfen an eine völkerrechtliche Verbindlichkeit sehe ich eine Schwierigkeit. In der Begründung des Gesetzentwurfs führen Sie aus, dass diese völkerrechtliche Verbindlichkeit durchaus auch für zukünftige Verbindlichkeiten gilt. In der Begründung heißt es:
Die gewählte Formulierung ist jedoch zukunftsoffen, so dass auch künftige völkerrechtliche Vereinbarungen – etwa mit strengeren Zielen – an der Wirkung der Regelung teilhaben können.
Da sehe ich durchaus das Einfallstor und das Risiko, dass man sich bei einer Verschlechterung völkerrechtlicher Verabredungen – da möchte ich mit Verweis auf Donald Trump durchaus in Rede stellen, dass wir uns nicht so sicher sein können, was da noch so passiert; immerhin hat Donald Trump schon so einiges aufgekündigt in kürzerer Zeit – möglicherweise eine Blaupause ins Grundgesetz holt, die nach hinten losgehen kann. Ich finde es problematisch, eine solche reine Verweisung auf die völkerrechtliche Verpflichtung in einen Grundgesetzpassus zu überführen. Es wäre tatsächlich zu überlegen, ob so etwas nicht möglicherweise hinterher genau das Gegenteil dessen bewirken könnte, was Sie in dem Gesetzentwurf unterstellen.
Der Verweis auf die Schuldenbremse ist dort, finde ich, auch nicht unbedingt so zielführend. Wir alle wissen, dass die Schuldenbremse – auch wenn das Bekenntnis der Großen Koalition weiter besteht – durchaus ihre Tücken hat und auch schon zu Investitionsstagnation geführt hat, die uns heute auf die Füße fällt. Insofern finde ich, an Ihrem angeführten Beispiel kann man erkennen, dass es schwierig ist, die Entwicklungen vorauszusehen.
Ich möchte schließen mit dem Satz – ich habe nur noch wenige Sekunden –, dass ich mir erhoffe, in Bezug auf diesen Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren doch noch einmal genauer zu eruieren, inwieweit die einfachgesetzlichen Regelungen in den Mittelpunkt gerückt werden sollen. Das Klimaschutzgesetz sollte unsere aktuelle Maßnahme sein. Sie als Grüne haben das schon lange gefordert. Vielleicht sollte man einfach dabei bleiben und nicht jetzt etwas fordern, was in hoher Höhe hängt und vielleicht auch kontraproduktiv wirkt.
Wenn es etwas Grundgesetzliches gibt, dann sollten wir übrigens auch überlegen: Sind die Ressourcen nicht auch zu schützen? Sind Kinderrechte nicht auch mit aufzunehmen?
Kollegin Scheer, bitte kommen Sie zum Schluss.
Ich bin am Ende meiner Redezeit und danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU])
Zur einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Dr. Kraft das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276147 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Verfassungsrechtliche Stärkung des Klimaschutzes |