Judith SkudelnyFDP - Verfassungsrechtliche Stärkung des Klimaschutzes
Meine Damen und Herren! Es wurde schon mehrfach gesagt: Die Mehrheit in diesem Hause steht hinter dem 2‑Grad-Ziel und steht vor allem hinter dem Pariser Klimaabkommen. Der einzige Dissens, den wir haben, ist: Wie halten wir unsere nationalen Ziele ein? Wie schaffen wir es, national CO 2 -Emissionen einzusparen?
Liebe Grüne, Ihr Umgang mit diesem Thema ist ein bisschen so, wie man in den 60er-Jahren mit dem Thema Krankheiten umgegangen ist: Erstens, eine Medizin muss bitter sein, damit sie wirkt. Zweitens, wenn sie bitter ist und trotzdem nicht wirkt, dann muss man einfach ein bisschen mehr davon nehmen. – Es ist doch nicht so, dass wir nicht eine ausreichende Zahl an Gesetzen, Verordnungen und Verfahrensvorschriften in Deutschland hätten, die den Klimawandel und das Einsparen vor allem von CO 2 -Emissionen betreffen. Vielmehr ist es doch so, dass die Maßnahmen, die wir haben, nicht die erhoffte Wirkung entfalten, und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich möchte Ihnen drei Beispiele nennen.
Kollegin Skudelny, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder eine Bemerkung?
Wir machen eine Kurzintervention am Ende, bitte.
Das entscheide immer noch ich, ob jemand das Wort bekommt.
Wir machen es dann so. – Nein.
Gut. – Nein.
Wir haben zum Beispiel die Flottengrenzwerte für Pkw. Diese haben dazu geführt, dass der Verbrauch im Verkehr für das einzelne Fahrzeug gesunken ist, die Kosten für die Menschen in Deutschland für den Individualverkehr mit dem eigenen Pkw niedriger sind. Das ist toll. Das ist toll für die Menschen, die auf dem Land wohnen, es ist toll für die älter werdende Generation, deren Lebensqualität mit der Mobilität steigt. Allerdings: Durch den Mehrverkehr, den wir dadurch schaffen, verpassen wir es, in dem Bereich CO 2 -Emissionen so einzusparen, wie wir es uns wünschen würden.
Das zweite Beispiel betrifft Baden-Württemberg, wo man versucht, mit Zwang Gebäudesanierung zu erreichen. Sie wissen, dass es im Bereich Gebäude am teuersten und am schwierigsten ist, CO 2 -Emissionen einzusparen. Deswegen geht Baden-Württemberg unter der grünen Landesregierung dabei stark voran. Unter dem Strich hat es aber nicht dazu geführt, dass die Heizungsanlagen dort nun zu den modernsten und effizientesten zählen würden. Vielmehr sehen es die Menschen nicht ein, dafür Geld einzusetzen. In Baden-Württemberg werden alte Ölheizungen sogar noch länger genutzt als in anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern. Durch das Gesetz hat es sich dort also ins Gegenteil verkehrt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht! – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher haben Sie die Zahlen?)
Ein drittes Beispiel ist das Thema Carbon Leakage. Carbon Leakage bedeutet, dass beispielsweise aufgrund der erhöhten Industriestrompreise, die wir hier in Deutschland haben, Produktionsstandorte ins Ausland verlegt werden. Damit werden nicht nur Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, wird nicht nur Wertschöpfung ins Ausland verlegt, sondern wir schieben so vor allem auch den Umweltschutz, den wir selber nicht schaffen, die Umweltverschmutzung, die wir selber nicht reduzieren können, ins Ausland ab. Dieses Problem müssen wir mindestens genauso ernst nehmen.
Ein Mehr an gleichen Instrumenten wird also wahrscheinlich nicht das bringen, was wir wollen, sondern immer mehr Gesetze, immer mehr Zwang werden letztendlich nur immer mehr Frust erzeugen.
Ein ganz aktuelles Beispiel für Frust sieht man an der aktuellen Debatte über Stickoxide. Dort gibt es genau das, was Sie wollen, nämlich einen knallharten Grenzwert, der auf europäischer Ebene verhandelt worden ist.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema sprechen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind beim Klimaschutz im Grundgesetz!)
Über Jahre hinweg haben die Gesellschaft und die Politik gemeinsam es verpasst, dafür zu sorgen, dass diese Grenzwerte eingehalten werden.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht bei Stickoxiden um Gesundheitsschutz für die Menschen! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wozu sind Grenzwerte sonst da?)
Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe die Städte und Kommunen verklagt und zwingt sie, diese Grenzwerte absolut einzuhalten. Gegen den Willen der Mehrheit dieses Hauses und gegen den Willen der Bevölkerung werden Millionen von Dieselfahrern enteignet. Das verstehen die Menschen nicht.
(Beifall bei der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Kollegin, Sie haben sich irgendwie verfahren!)
Zwang führt zu Frust. Die Menschen verstehen Europa in dem Bereich nicht, die Menschen verstehen den nationalen Gesetzgeber nicht, und vor allem verlieren die Menschen den Bezug zum Umweltschutz, den wir in diesem Bereich eigentlich brauchen.
(Beifall bei der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Thema kommt morgen, Frau Kollegin! Die Menschen verstehen Sie gerade nicht!)
Liebe Grüne, wir sind ja bei Ihnen, was die Ziele betrifft.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte nicht!)
Wir würden Sie aber gerne mit auf dem Weg zu sinnvollen Lösungsvorschlägen nehmen. Nehmen wir das Thema Verkehr. Hier haben wir vorgeschlagen, einen marktwirtschaftlichen Weg zu gehen und die Emissionen von CO 2 auf nationaler Ebene zu begrenzen, indem wir den Verkehr national in den ETS-Handel kostenneutral mit aufnehmen. Das würde bedeuten, dass die Menge an CO 2 , die wir in Deutschland emittieren, zum ersten Mal begrenzt würde. Wir würden uns wahnsinnig freuen, wenn Sie uns auf diesem Weg begleiten würden.
(Beifall bei der FDP)
Thema Landwirtschaft. Landwirtschaft kann effizienter gemacht werden, indem wir sie digitalisieren, indem wir moderne Anbauverfahren und neue Sorten und Arten zulassen würden. Wir möchten den Ausstoß von Methan und anderen Klimagasen einsparen.
Letztes Thema, die steuerliche Absetzbarkeit von Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebereich.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das würde die Menschen, die in die energetische Gebäudesanierung investieren wollen, endlich tatsächlich entlasten. Ganz ehrlich, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ist mehr als überfällig.
(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Zum Abschluss. Zwang führt zu Frust. Noch mehr Zwang führt zu noch mehr Frust. Deswegen ist die Einführung des Klimaschutzes ins Grundgesetz, wodurch noch mehr Druck und noch mehr Zwang ausgeübt würde, eben nicht dazu geeignet, CO 2 -Emissionen einzusparen, sondern am Ende nur dazu geeignet, den Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen.
(Beifall bei der FDP)
Wir laden Sie ein, gemeinsame Wege zu gehen, Klimaschutz neu zu denken, marktwirtschaftlich, auf neuen Wegen mit neuen Ideen. Wir werden Klimaschutz in Deutschland und vor allem international nur dann schaffen, wenn wir technologisch die Vorreiter sind, wenn wir bei originellen Ideen die Vorreiter sind. Wir dürfen nicht die Vorreiter sein mit den meisten Gesetzen, wir müssen die Vorreiter sein mit dem besten Weg. Da möchten wir mit Ihnen zusammenarbeiten. Klimaschutz neu denken, da stehen wir an Ihrer Seite, aber bei Ihrem Gesetzentwurf leider nicht.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Niema Movassat für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276152 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Verfassungsrechtliche Stärkung des Klimaschutzes |