Uli GrötschSPD - Aktuelle Stunde zum Agieren der Bundesregierung in Sachen Chemnitz und in der Causa Maaßen
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kubicki, ich will an dieser Stelle einmal klarstellen, dass es traurig genug ist, dass es zu den von Ihnen in aller Breite dargestellten Treffen überhaupt kommen musste. Der Grund dafür war, dass der Bundesinnenminister keine Konsequenzen daraus gezogen hat, dass sein Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Ereignisse von Chemnitz ganz offensichtlich verharmlost hat. Das war ja der Auslöser für diese Gespräche.
(Beifall bei der SPD – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Gar nichts verharmlost! Gar nichts!)
Ich sage Ihnen aber: Es ist durchaus bezeichnend, dass sich auch der Titel dieser Aktuellen Stunde vor allem mit der Personalie befasst und dass die Personalie die Ereignisse von Chemnitz, die ja der Auslöser dafür waren, auch hier wieder überstrahlt. Es ist bezeichnend, dass wir die Ereignisse von Chemnitz noch in keinem Gremium des Bundestages ausführlich erörtert haben. Es stimmt nämlich nicht, Herr Mayer, dass der Verfassungsschutzpräsident das im Innenausschuss dargelegt hat. Er hat vielmehr sein mediales Handeln gerechtfertigt. Das war es, was im Innenausschuss über weite Strecken passiert ist.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Er hat Ihre Fragen beantwortet!)
Diejenigen, die diesem Haus schon länger angehören, werden sich noch an die letzte Wahlperiode erinnern, als wir hier Aktuelle Stunden zu den Ereignissen von Clausnitz und anderswo hatten, in denen wir uns alle miteinander Gedanken darüber gemacht haben, wie wir als Vertreter der demokratischen Parteien dem erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland gemeinsam entgegentreten können. Mein Eindruck ist, dass es in diesem Haus inzwischen zu viele gibt, die nicht mehr darüber reden wollen, die es akzeptieren, dass so etwas in Teilen dieses Landes alltäglich geworden ist, und die, aus welchen Gründen auch immer, diesem Thema und solchen Ereignissen nicht die Aufmerksamkeit schenken, die dringend notwendig wäre.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE])
Wir haben auch nirgends darüber diskutiert, was denn eigentlich die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, nämlich die Vorfeldaufklärung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ganz gewiss gehört es nicht zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes, Politik zu machen, schon gar nicht tendenziöse Politik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])
Ich sage Ihnen: Die SPD-Bundestagsfraktion wird nicht zuschauen, wenn seitens der Führungsebene des Bundesamtes für Verfassungsschutz auch zukünftig weiter tendenziell Bericht erstattet wird. Es ist meiner Wahrnehmung nach in den letzten Wochen nicht zu leugnen, dass von den tatsächlichen Gefahren, aus welchen Gründen auch immer, abgelenkt wird. Die Gefahr in diesem Land kommt nämlich von rechts. Der Rechtsruck in diesem Land, der wiedererstarkte Rechtsextremismus ist eine Gefahr für den sozialen Frieden in diesem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die rechten Hetzer sind die Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das friedliche und moderne Zusammenleben in diesem Land und in ganz Europa, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will Ihnen sagen, was ich von dem neuen Präsidenten oder auch gerne der neuen Präsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwarte: Ich erwarte, dass die neue Hausspitze einen Geist im Amt etabliert, der dem rechtsnationalen Zeitgeist, den wir in Teilen dieses Landes haben, spürbar entgegenwirkt. Und es muss um die Wiederherstellung von Vertrauen im Verfassungsschutzverbund gehen. Das NSU-Desaster, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat uns gezeigt, was dabei herauskommt, wenn im Bereich des Verfassungsschutzes nicht vertrauensvoll und Hand in Hand zwischen Bund und Ländern zusammengearbeitet wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP])
Deshalb steht die SPD-Bundestagsfraktion für einen Verfassungsschutzverbund, in dem vertrauensvoll zusammengearbeitet wird zwischen dem Bundesamt als Zentralstelle und allen Bundesländern, für einen Verfassungsschutz, in dem ernsthafte Bedrohungen früh erkannt werden und der durch seine Arbeit dafür sorgt, dass der soziale Frieden, der Zusammenhalt im ganzen Land und am besten in ganz Europa gestärkt wird.
Am Ende will ich sagen: Die größte Gefahr für den Zusammenhalt in diesem Land sitzt neuerdings hier in diesem Haus. Wir wollen, dass ein Bundesamt für Verfassungsschutz das zukünftig erkennt. Deshalb fordern wir zukünftig die Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
(Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Jetzt kommt es raus: Sie haben Angst vor anderen Meinungen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erstarkende Rechtsnationalismus in Deutschland und in ganz Europa kann zum Ende des vielleicht größten Friedensprojekts in der Geschichte der Menschheit führen, zum Ende der Europäischen Union. Aber gegen den erstarkenden Rechtsnationalismus und für Europa wird es auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein Bollwerk geben, seien Sie sich dessen ganz sicher, und dieses Bollwerk sitzt hier.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der AfD)
Vielen Dank, Uli Grötsch. – Nächster Redner in der Debatte: Jan Korte für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276354 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum Agieren der Bundesregierung in Sachen Chemnitz und in der Causa Maaßen |