27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 7

Jörg SchneiderAfD - Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! 53 Seiten Versichertenentlastungsgesetz – das ist ziemlich viel Papier für ziemlich wenig Entlastung.

(Beifall bei der AfD – Tino Sorge [CDU/CSU]: 8 Milliarden pro Jahr sind wenig?)

Und wenn Sie sagen: „Wir führen jetzt wieder die Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, wir entlasten dadurch die Versicherten“, dann ist das doch eine Mogelpackung. Den Entlastungen der Versicherten stehen quasi in gleicher Höhe Belastungen der Arbeitgeber gegenüber. Das mag vielleicht zunächst egal sein, aber es wird unter Umständen dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen, es wird vielleicht dazu führen, dass neue Arbeitsplätze nicht in dem Maße geschaffen werden. Zumindest aber wird es den Spielraum von Arbeitgebern bei zukünftigen Lohnabschlüssen einengen.

Auf der anderen Seite – ganz egal, wie sich das auf den Arbeitsmarkt auswirkt –: Wir haben noch andere Sozialversicherungen. Da drohen uns Erhöhungen. Für den Versicherten kommt unterm Strich eine Nullsumme heraus. Meine Damen und Herren, mehr Netto vom Brutto? Fehlanzeige! Eine Entlastung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten? Fehlanzeige, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der AfD)

Wir haben im Moment eine günstige Konjunktur. Die Sozialkassen sind relativ prall gefüllt. Das verleitet natürlich dazu, dass man Kosten, die eigentlich aus dem Steueraufkommen gedeckt werden sollten, über die Sozialkassen finanziert. Ich nenne einmal zwei Beispiele.

Es ist richtig, wenn wir die Selbstständigen durch Senkung der Beitragsbemessungsgrenzen entlasten. Es ist gesamtgesellschaftlich wünschenswert, dass Menschen den Weg in die Selbstständigkeit gehen. Nur, wenn dadurch auf der anderen Seite den Krankenkassen eine Lücke von 800 Millionen Euro entsteht: Wer trägt das? Nun, das tun die übrigen Versicherten. Das halte ich an dieser Stelle für nicht ganz fair.

Ein zweites Beispiel – das ist noch viel dramatischer –: Wir haben die Belastung durch die Arbeitslosengeld‑II-Empfänger. Für jeden Hartz‑IV-Empfänger werden monatlich knapp 100 Euro an die gesetzlichen Krankenversicherungen abgeführt. Das reicht aber längst nicht aus. Die tatsächlichen Kosten liegen mehr als dreimal so hoch. Das haben Sie im Koalitionsvertrag auch festgestellt. Das sind keine Peanuts. Da sprechen wir über eine Lücke von ungefähr 10 Milliarden Euro. Sie schreiben im Koalitionsvertrag: Das werden wir stufenweise abbauen. – In Ihrem Versichertenentlastungsgesetz finde ich dazu noch nicht einmal ein Stüfchen.

(Beifall bei der AfD)

Wissen Sie, Möglichkeiten für Entlastungen böte ein echter Wettbewerb. Nur, wo findet der Wettbewerb im Moment statt? Im Risikostrukturausgleich. Da werden dann von den Krankenversicherungen Listen eingereicht. Darauf finden sich Namen von Saisonarbeitern, die schon längst nicht mehr in Deutschland sind. Nun gut, diese kosten kein Geld und zahlen auch nichts ein. Aber die Krankenkassen bekommen dann über den Risikostrukturausgleich eine Kopfprämie. Wissen Sie, ich nehme den Krankenversicherungen nicht einmal übel, dass sie auf diese Art und Weise versuchen, einen Wettbewerb zu führen. Welche andere Möglichkeit zum Wettbewerb haben sie denn in diesem einschnürenden Korsett des Sozialgesetzbuchs V?

Ich mache Ihnen einmal einen Vorschlag. Ich persönlich bin privat krankenversichert. Das ist gar nicht so teuer, weil ich im Jahr bis zu 2 000 Euro selber bezahle. Das bedeutet: Wenn ich jetzt nicht gerade schwer erkranke oder einen Unfall habe, zahle ich sämtliche Arztrechnungen und Medikamente selber.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man sich halt leisten können!)

Warum bieten wir so etwas nicht auch gesetzlich Krankenversicherten an? Warum schaffen wir nicht tatsächlich eine Entlastung für die Versicherten und auch für die Kassen, indem wir den Versicherten passgenauere Lösungsmöglichkeiten anbieten? Dann könnten wir uns vielleicht diesen Pseudowettbewerb zwischen 110 verschiedenen gesetzlichen Krankenversicherungen sparen.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Sie jetzt sagen: „Nein, wir brauchen diese 110 Krankenversicherungen“, dann gucken Sie mal nach Österreich.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Krankenversicherung abschaffen, ja!)

Dort wurde Folgendes gemacht: von 21 Krankenversicherungen runter auf 4. Ersparnis für die Versicherten – das ist eine echte Ersparnis – von 1 Milliarde Euro pro Jahr. Wenn ich das vom kleinen Österreich auf das viel größere Deutschland übertrage, dann ist das ein Potenzial von 5 bis 10 Milliarden Euro, das wir hier haben.

Herr Minister Spahn, es wäre doch eine ehrgeizige Aufgabe, auf diese Art und Weise wirklich für eine Entlastung der Versicherten zu sorgen und nicht nur mit einem Gesetz, das gerade mal so heißt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Jörg Schneider. – Nächster Redner: Dr. Karl Lauterbach für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276372
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung
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