27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 9

Albrecht GlaserAfD - Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz trägt das Etikett „Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen“ und beinhaltet eine ganze Fülle von Maßnahmen. Es hat mehr als 15 Ziffern und betrifft neun völlig unterschiedliche Gesetze, vom Einkommensteuerrecht bis zur Grunderwerbsteuer. Deshalb ist es kaum möglich, über das Gesetz in sinnvoller Breite zu diskutieren. Die Vorlage ist erst am Montag erschienen. Deshalb war bis heute eine Befassung in der notwendigen Tiefe kaum möglich.

Ich will trotzdem versuchen, zwei, drei Aspekte he­rauszunehmen und aufzuspießen. Zum einen geht es um den § 6 Einkommensteuergesetz – Sie haben es dankenswerterweise aufgespießt, Frau Lambrecht –, konkret um die unterschiedliche Behandlung bei der privaten Nutzung von Unternehmensfahrzeugen, je nachdem, ob einer ein Hybridauto oder ein anderes Auto fährt.

Apropos Verfassung: Es fällt einem viel zu der Frage ein, ob man diese Art der Verhaltenslenkung über das Einkommensteuerrecht machen kann oder – vorsichtiger ausgedrückt – machen soll. Das ist eine ganz komplizierte Geschichte. Nach dem Religionsunterricht zur Klimakatastrophe von Herrn Hofreiter heute Morgen müsste man sich eigentlich umbringen. Denn der Untergang wird so fest vorhergesehen, da helfen auch die Dienstwagenregelungen nicht.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht verstanden, was Herr Hofreiter gesagt hat! Man kann doch etwas dagegen tun! Das ist der Punkt!)

Wir gehen davon aus, dass die Privilegierung dieses Fahrzeugtyps gegenüber allen anderen, somit eine Form der Verhaltenslenkung, wie es sie früher schon einmal für den Weg zum Arbeitsplatz gab, weder gerichts- noch verfassungsfest ist. Spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht wird sie nicht standhalten.

Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, den Sie relativ verharmlosend dargestellt haben. Es war wieder viel von der Freiheit der Persönlichkeit die Rede. § 25e Umsatzsteuergesetz im Gesetzentwurf lautet:

Der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes … haftet für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung eines Unternehmers …

Es ist – apropos scharfes Schwert – ein sehr scharfes Schwert, wenn man einen Menschen, eine Organisation, ein Unternehmen für die Steuerlast eines anderen in Steuerhaftung nimmt. Der Unternehmer, der eine Plattform zum Handeln zur Verfügung stellt, hat mit diesem Steuerverhältnis gar nichts zu tun, sondern die Umsatzsteuer schuldet nun einmal der Unternehmer, der handelt, und sonst niemand. Dieses Instrument unter dem Aspekt der Freiheitsrechte so locker einzusetzen: „Du zahlst die Steuern, weil ein anderer etwas nicht richtig gemacht hat“, das ist schon starker Tobak.

(Beifall bei der AfD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, wir kommen zur Kontrolle. Die Kontrolle besteht keineswegs, wie geschildert, so dicht nach dem Motto: „Du musst aber Daten einsammeln.“ – Jedes Unternehmen muss sehr viele Daten einsammeln, bis zum Geburtsdatum desjenigen, der da handelt, wenn er keine gesellschaftsrechtliche Form hat, also keine Kapitalgesellschaft, sondern Einzelunternehmer ist. Dann muss dem Plattformbetreiber die Geburtsurkunde vorgelegt werden.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist komplett falsch! – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ein privater Anbieter!)

– Wenn es ein privater Anbieter ist, klar.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Lesen Sie es noch mal!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie im Gesetzentwurf lesen, welche Verpflichtungen in § 22f Umsatzsteuergesetz stehen,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie sollten es lesen!)

die Sie dem Plattformbetreiber zumuten, dann müssen Sie sich klarmachen: Es gibt etwa 130 Plattformbetreiber, die in größerem Stil Handel betreiben. Denen bürden Sie das alles auf. Wir haben also wieder, wie mir Fachleute aus der EDV erklärt haben, das Problem „großes Unternehmen – kleines Unternehmen“. Alle kleinen Unternehmen bekommen dieselben Bürokratiepflichten aufgedrückt wie vielleicht Amazon, der das kann und der eine ganze Abteilung aufbaut, um all dies zu erledigen. Der kleine Betreiber muss beispielsweise die Umsatzsteuernummern der Unternehmer, die bei ihm handeln, einsehen und gucken, wie lange sie gelten.

(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Die gelten zwei Jahre!)

Um ein plastisches Beispiel zu nennen: Auch wenn er das alles macht, kann er sich noch nicht einmal von der Haftung freizeichnen. Denn wenn er beispielsweise die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns nicht beachtet, § 25e Absatz 2, und sich keine Kenntnisse darüber verschafft, ob es sich um einen soliden Unternehmer handelt, wenn er also nicht jeden Morgen das Konkursverzeichnis oder das Handelsregister liest, dann haftet er. Er muss praktisch seine gesamten Anbieter und Akteure ständig im Fokus haben, jenseits der Frage, ob er die Mitteilungen gesammelt hat oder nicht.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist leider komplett falsch!)

Das ist ein starker Eingriff in das Geschäft eines am Steuerverhältnis zunächst nicht Beteiligten. Wir gehen davon aus, dass das in der Anhörung, die wir durchführen werden, kritisch beleuchtet wird, sowohl von Wirtschaftspraktikern als auch von Juristen, und dass diese Vorschrift kaum halten wird.

Das Etikett: „Wir wollen Steuerhinterziehung vermeiden“, ist immer gut, da sind wir alle einer Meinung. Klar, das muss man. Sie reden dauernd von Wettbewerbsverzerrung. Sie werden sich erinnern, dass ich gefragt habe: Gibt es empirisches Material zu der Frage, ob dies ein Thema ist?

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Darauf haben Sie ehrlicherweise geantwortet: Nein, es gibt kein empirisches Material dazu.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt Schätzungen!)

– Es soll Schätzungen geben, ja. Wer die gemacht hat und wie die ausgefallen sind, das wissen wir nicht so genau. Derzeit ist es die Bekämpfung eines Übels, das wir noch gar nicht kennen.

(Beifall bei der AfD)

In diesem Sinne melden wir große Skepsis im Hinblick auf die Regelung an und werden uns wahrscheinlich dagegen aussprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Fritz Güntzler das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276569
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen
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