Gökay AkbulutDIE LINKE - Änderung des Asylgesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll eine neue Mitwirkungspflicht von Geflüchteten im Widerrufsverfahren eingeführt werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)
Schon wieder hat die Bundesregierung sich eine neue Schikane
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das ist doch keine Schikane! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
und bürokratische Hürden für Geflüchtete ausgedacht.
Bei sogenannten Widerrufsprüfungen, die im Übrigen EU-weit nur in Deutschland und in Österreich existieren, wird der Schutzstatus von bereits anerkannten Flüchtlingen anlasslos erneut überprüft. Das bindet enorme Arbeitskapazitäten im BAMF und führt in der Regel zu nichts –
(Zuruf des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])
außer zur Verunsicherung der betroffenen Geflüchteten und ihrer Familien.
Ich will Ihnen das Ganze mal anhand einiger Zahlen erläutern. Bei 43 000 Entscheidungen in Widerrufsverfahren im ersten Halbjahr 2018 wurde in 99,3 Prozent der Fälle der Schutzstatus bestätigt. Ganz ähnlich ist die bisherige Bilanz bei den vorgezogenen Widerrufsprüfungen, die in Reaktion auf den Skandal um den rechtsextremen Soldaten Franco A., der sich als Flüchtling ausgab, eingeleitet wurden. In nur 1,2 Prozent der bislang überprüften 11 000 Anerkennungsbescheide gab es einen Widerruf oder eine Rücknahme. Wie viele davon anschließend einer gerichtlichen Überprüfung standhielten, ist nicht bekannt.
(Zuruf des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])
Anstatt mit diesem Unsinn Schluss zu machen, will die Bundesregierung die Überprüfung sogar noch ausweiten. Das grenzt doch schon an Bösartigkeit.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
In ihrem Gesetzentwurf kündigt die Bundesregierung für dieses und das folgende Jahr jeweils 250 000 Widerrufsprüfungen an.
(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Neu ist, dass Flüchtlinge künftig zur sogenannten Mitwirkung verpflichtet werden. Wer nicht mitwirkt, soll bestraft werden, bis hin zur Aberkennung des Schutzstatus.
(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Ganz genau!)
Bedenkt man, dass die allermeisten Verfahren den Schutzstatus erneut bestätigen, ist das doch reine Schikane für die Betroffenen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zur Begründung stellt die Bundesregierung die falsche Behauptung auf, viele Geflüchtete hätten in den Jahren 2015 und 2016 zu Unrecht einen Schutzstatus bekommen. Dazu hat der Deutsche Anwaltverein in einer Pressemitteilung vom 7. August treffend erklärt, der Gesetzentwurf stütze sich auf einen – ich zitiere – „gefühlten Rechtsmissbrauch“, der in keiner Weise belegbar ist. Auf Grundlage einer gefühlten Wahrheit darf aber keine Politik gemacht werden,
(Beifall der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
schon gar nicht, wenn damit die Rechte von Asylsuchenden weiter beschnitten werden sollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir alle haben doch gerade beim Fall BAMF Bremen gesehen, wie sich ein angeblicher Skandal, der wochenlang hochgekocht wurde, hinterher als schamlose Kampagne zur weiteren Demontage des Asylrechts entpuppte. Statt dumpfe Ressentiments von Flüchtlingsfeinden zu bedienen, sollten endlich die echten Probleme beim BAMF angegangen werden. Das Problem beim BAMF ist nicht die Anerkennung, sondern die Ablehnung von Asylanträgen. Während der erteilte Schutzstatus Überprüfungen fast immer standhält, erweisen sich jedoch Ablehnungen 10 000-fach als unrechtmäßig. 40 Prozent der inhaltlich geprüften BAMF-Bescheide haben die Verwaltungsgerichte im letzten Jahr einkassiert; das muss man sich doch mal vorstellen. Das ist doch der wahre Skandal.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die anlasslosen Widerrufsprüfungen gehören unserer Meinung nach abgeschafft. Stattdessen gilt es, endlich die Qualität der Entscheidungen im BAMF zu verbessern, und das Ganze im Sinne der Schutzsuchenden und nicht gegen sie.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Filiz Polat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276585 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 52 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Asylgesetzes |