27.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 13

Josip JuratovicSPD - Enquete-Kommission - Afghanistan-Engagement

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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Afghanistan muss sicherer, demokratischer und friedlicher werden. Unser Ziel bei der Beteiligung am NATO-Einsatz Resolute Support ist es, ein Land zu unterstützen, das gravierende Sicherheits- und Stabilitätsprobleme hat. Konkret ist unser Auftrag, die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen. Deshalb sind wir vor Ort: um auszubilden und zu beraten. Wir tun dies zur Unterstützung des afghanischen Volkes, aber auch aus unserem eigenen außen- und sicherheitspolitischen Interesse. Und – man mag es bei der Schwarzmalerei, die die AfD in ihrem Antrag betreibt, kaum glauben – wir haben durchaus auch Erfolge vorzuweisen.

Unser 17 Jahre andauerndes Engagement gemeinsam mit der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft

(Zuruf von der AfD: Ihr hetzt doch sonst immer gegen das Militär!)

hat wichtige und greifbare Ergebnisse hervorgebracht.

(Zuruf von der AfD: Ist ja unerträglich!)

Zum einen ist Afghanistan nicht mehr das zentrale Ausbildungslager für weltweit agierende islamistische Terroristen. Außerdem wurden nach dem Sturz der Taliban die Lebensbedingungen in Teilen des Landes maßgeblich verbessert. Insbesondere Frauen werden in Berufs- und Weiterbildungskursen unterstützt. Es gibt vielfältige Medien und freie politische Debatten. Lebenswichtige Transport- und Versorgungsinfrastruktur wurde wiederhergestellt.

Und vor allem entwicklungspolitisch macht das Land große Fortschritte: Dank unserer Hilfe wurden seit 2013  30 000 Haushalte mit Wasser versorgt. 68 Krankenhäuser und Gesundheitszentren wurden gebaut oder saniert. Davon profitieren 3 Millionen Anwohner. 763 Kilometer elektrische Leitungen wurden eingerichtet. 405 Ausbildungsstätten wurden neu errichtet oder erweitert. Bildungsmöglichkeiten wurden durch neue Schulen und Universitäten und die Ausbildung von Lehrern verbessert. Schulbildung, Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung sind auf einem höheren Niveau, als es je zuvor in der afghanischen Geschichte der Fall war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Insgesamt 22 Millionen Menschen profitieren von der deutschen Zusammenarbeit mit Afghanistan. Das hat sicherlich auch zu den Migrationsbewegungen – das Lieblingsthema der AfD – beigetragen: Seit 2002 sind 6,5 Millionen Menschen in ihre Heimat Afghanistan zurückgekehrt, davon 4,7 Millionen über freiwillige Rückkehrprogramme des UNHCR. Afghanistan erlebt damit die größte Rückkehrbewegung der Welt. Daher halte ich es für an den Haaren herbeigezogen, wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, in Ihrem Antrag schreiben, es ließen sich derzeit keine belastbaren Aussagen über den politisch-militärisch-zivilen Einsatz Deutschlands in Afghanistan treffen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU])

Dies ist ein Affront gegenüber allen Hilfskräften vor Ort, die seit Jahren unter schwierigsten Bedingungen, ja unter Lebensgefahr alles dafür geben, dass Deutschland an Ansehen und Anerkennung gewinnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin dabei durchaus nicht blind für die schwierige innenpolitische Lage in Afghanistan. Und es gibt definitiv einige Bereiche, in denen noch Fortschritte erzielt werden müssen: Anschläge und bewaffnete Angriffe gehören in Teilen des Landes immer noch zum Alltag, ebenso Korruption und organisierte Kriminalität, die zu langsam bekämpft werden. Die Etablierung eines unabhängigen Justizsystems kommt nur schleppend voran. Daneben braucht Afghanistan dringend eine gut funktionierende Polizei. Deswegen ist es gut, dass Deutschland Trainingskurse für Polizeikräfte unterstützt und sein Know-how an den Flughäfen sowie bei der Bekämpfung illegaler Migration einbringt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Jahrzehnte bewaffneter Konflikte in Afghanistan und der dadurch entstandene Rückstand bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung lassen sich nicht ohne Weiteres aufholen. Und gerade die letzten Jahre haben gezeigt, wie brüchig auch bereits erzielte Ergebnisse noch sind. Doch all dies ist für uns kein Grund, in unseren Anstrengungen nachzulassen. Im Gegenteil: Wir haben eine Verantwortung, und wir lassen die Menschen in Afghanistan nicht im Stich. Denn auch das ist ganz wichtig: Die Bundesrepublik schickt ihre Soldatinnen und Soldaten nicht ohne Grund dorthin. Wir sind dort als Unterstützung unseres gemeinsamen Militärbündnisses und auf Wunsch der afghanischen Regierung.

Um das Land bei der Stabilisierung weiter zu unterstützen, haben wir im März dieses Jahres beschlossen, unser Engagement in Afghanistan zu verstärken und zu verstetigen. Und wir hören zu, wenn wir regelmäßig, in unzähligen Lageberichten, in der wöchentlichen Unterrichtung des Parlaments, in den Ausschüssen, durch die dortige Zivilgesellschaft und durch Menschenrechtsaktivisten, über die Lage in Afghanistan unterrichtet werden – mit allen Erfolgen und Rückschlägen. Dennoch fordern auch wir Sozialdemokraten eine darüber hinausgehende unabhängige Evaluation des Afghanistan-Einsatzes – eine Forderung, über die wir uns mit unserem Koalitionspartner im Gespräch befinden. Dazu brauchen wir keine Enquete-Kommission. Eine solche Kommission bedeutet enorm viel personellen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Es handelt sich hier offensichtlich um Effekthascherei, die wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Kolleginnen und Kollegen, polizeiliches und ziviles Engagement sind ohne militärischen Schutz nur schwer realisierbar. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten da einen unverzichtbaren Beitrag. Ich spreche heute allen Soldatinnen und Soldaten meinen herzlichen Dank für ihren hochprofessionellen Einsatz in Afghanistan aus,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

aber auch den Entwicklungshelfern und Polizisten, allen militärischen und zivilen Kräften, die vernetzt vor Ort arbeiten. Sie müssen wir unterstützen mit dem Ziel, Afghanistan so weit zu stabilisieren, dass sie bald mit dem Gefühl heimkehren können, dass sich ihre Leistung und ihr Opfer gelohnt haben. Dazu brauchen wir keine aufwendige Enquete-Kommission. Viel wichtiger ist, dass alle Beteiligten vor Ort die Gewissheit haben, dass wir, die Parlamentarier, hinter ihnen stehen und alles uns Mögliche tun, um ihnen den Einsatz zu erleichtern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Tobias Pflüger für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276625
Wahlperiode 19
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Enquete-Kommission - Afghanistan-Engagement
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