Jörg CézanneDIE LINKE - Finanzkrisenprävention
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 und der dadurch ausgelösten internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist das internationale Finanzsystem von Stabilität immer noch weit entfernt. Bei allen Fortschritten der Regulierung im Einzelnen blieben die Maßnahmen insgesamt halbherzig, ihre Umsetzung wurde verwässert, oder sie sind gänzlich gescheitert. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008 hatten die führenden Industrie- und Schwellenländer in der Gruppe der G 20 beschlossen, dass kein Finanzplatz, kein Finanzprodukt und kein Finanzakteur unreguliert bleiben solle.
Heute dürfen neue Finanzinstrumente weiterhin ohne vorherige Risikoprüfung in Umlauf gebracht werden. Nach Angaben der BaFin wurden in Deutschland allein im Jahr 2016 3,2 Millionen neue Finanzprodukte auf den Markt gebracht. Das kann nicht so bleiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute hat die größte Schattenbank der Welt, der Vermögensverwalter BlackRock, das verwaltete Vermögen seit der Krise auf insgesamt 6 300 Milliarden US-Dollar fast verfünffacht, und das weitgehend außerhalb jeglicher Bankenregulierung. Das ist gefährlich und muss eingeschränkt werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Heute ist der Bestand der außerbörslichen Derivate – also der Kern des Finanzmarktkasinos: Spekulationen auf die Entwicklung von Zinsen, Währungen, Aktienkursen oder Kreditausfällen – laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich so hoch wie nie zuvor. Das ist noch viel gefährlicher und muss dringend zurückgedrängt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt also keinen Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen. Noch weniger Grund gibt es für die Behauptung, die Regulierung sei zu weit gegangen. Weitere Maßnahmen sind dringend geboten.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die Ursachen der globalen Finanzkrise lagen keineswegs nur im individuellen Versagen großer Teile der Führungseliten der Finanzindustrie, nicht einmal im Kern fehlender Regulierungen für die Finanzmärkte. Es waren politische Entscheidungen verschiedener, auch deutscher, Regierungen, die maßgeblich den Treibstoff der Finanzmarktkrise produziert haben. Steuersenkungen für hohe Einkommen, Unternehmensgewinne und Vermögen haben immer größere Privatvermögen der Reichen und Superreichen anwachsen lassen. Die Beiträge aus der teilprivatisierten Riester-Rente spülen täglich hohe Geldbeträge auf die Kapitalmärkte, die jeden Tag neu angelegt werden müssen. Schon in den 90er-Jahren wurde über Siemens als „Bank mit angeschlossenem Elektroladen“ gespöttelt. Die hohen liquiden Mittel großer Konzerne zeigen überdeutlich, dass hier Gewinne in einem Ausmaß erwirtschaftet werden, das gar nicht mehr sinnvoll in neue Produkte und Dienstleistungen mit gesellschaftlichem Nutzen investiert werden kann.
Das Gefährdungspotenzial, das von den internationalen Finanzmärkten für unser demokratisches Gemeinwesen ausgeht, wird wesentlich auch durch die Größenordnung des dort gehandelten Vermögens bestimmt. Daher ist jeder Euro, der durch Umverteilung von oben nach unten den Finanzjongleuren entzogen wird, auch ein Beitrag zur Entwaffnung der Finanzmärkte.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass diese enorme Anhäufung von Finanzkapital in den Händen weniger nicht nur Probleme im Finanzsystem verursacht, darauf hat der damalige Bundesbankpräsident Tietmeyer bereits 1996 hingewiesen. Sie erinnern sich sicher an seine Formulierung: „dass sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanzmärkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden“. Parlamente und Regierungen müssen das Primat der Politik wiederherstellen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Zentrale Eckpfeiler zur Überwindung des Kasinokapitalismus sind vorhanden; sie müssen nur eingesetzt werden. Dazu gehören die Entschleunigung und Schrumpfung der Finanzmärkte, zum Beispiel durch eine Finanztransaktionsteuer, die nach wie vor auf der politischen Tagesordnung stehen muss, und die Rückbesinnung auf solidarische und umlagefinanzierte Sozialversicherungssysteme. Diese haben sich in der Krise als stabil und widerstandsfähig erwiesen und einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die Krise besser meistern konnte. Die gescheiterte Riester-Rente gehört zurückgenommen. Selbstverständlich ist die Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten – zum Beispiel durch eine Vermögensteuer, zum Beispiel durch eine Neuregelung der Erbschaftsteuer – ein wichtiges und zentrales Mittel, um zu diesem Ziel zu kommen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Antje Tillmann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276772 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 53 |
Tagesordnungspunkt | Finanzkrisenprävention |