28.09.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 53 / Tagesordnungspunkt 26

Mathias SteinSPD - Planungs- u. Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Gerade sind die Emotionen ja ein bisschen hochgekocht. Ich will einmal den Grundsatz nennen, den wir bisher für Planungen verwandt haben. Wir haben immer gesagt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Ich kenne das aus meiner eigenen Tätigkeit. Ich habe lange bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung gearbeitet. Das war immer Maßgabe für unsere Genehmigungs- und Planungsverfahren. Aber leider dauert es manchmal dann tatsächlich Jahrzehnte, bis überhaupt die ersten Bagger rollen. Die Verfahren sind kompliziert, sie sind aufwendig. Die Planungsabteilungen bei Bund und Ländern bekommen die Projekte dadurch nicht schnell genug vom Tisch. Als Wirtschaftsstandort, als Technologieland, als zentrale Verkehrsachse in Europa können wir uns das nicht länger leisten. Es wäre gut, wenn wir da einen Konsens in diesem Haus herstellen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wie haben wir uns in diese Lage hineingeritten? Es war nicht eine zentrale Entscheidung, es war auch nicht die Konfrontation mit den Umweltverbänden. Vielmehr waren es viele Einzelentscheidungen. Ich will drei davon nennen.

Das Erste – es ist schon genannt worden –: Insbesondere seit den 1990er-Jahren sind in den Verwaltungen massiv Stellen eingespart worden. Wir haben die Verfahren komplexer gemacht. Insofern finde ich es schade – Herr Herbst unterhält sich jetzt gerade –,

(Torsten Herbst [FDP]: Ich höre Ihnen zu!)

dass die FDP diese Frage gar nicht angesprochen hat, weil ich sie für eine sehr zentrale halte. Da fehlen uns Menschen, da fehlt uns Personal. Wir müssen aufpassen, dass das nicht auch zukünftig eine Engstelle bleibt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist: Wir haben zu wenig in den Erhalt der Infrastruktur investiert. Die Daehre-Kommission, die Bodewig-Kommission haben das gesagt. Das müssen wir Stück für Stück auflösen.

Ein dritter Punkt ist, glaube ich, ganz zentral: die Einstellung der Menschen gegenüber großen Infrastrukturvorhaben. Wir haben Stuttgart 21 angesprochen. Ich glaube, da müssen wir mehr bei der Bevölkerung werben, damit es eine positive Einstellung zu großen In­frastrukturmaßnahmen gibt. Die Dänen haben dazu eine sehr positive Einstellung, die Schweden haben dazu eine sehr positive Einstellung. Man muss auch sehr deutlich sagen, dass am Ende 58 Prozent der Bevölkerung Stuttgart 21 zugestimmt haben. Das müssen auch die Linken einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Der vorliegende Gesetzentwurf wird nicht alle Herausforderungen der Planungsprozesse und erst recht nicht der Bauprozesse lösen können. Aber er ist ein erster wichtiger Schritt.

Zentrale Schritte sind aus meiner Sicht zum Beispiel: Wir wollen es ermöglichen, dass bestimmte Maßnahmen auch im Vorwege getroffen werden. Da sind wir anderer Auffassung als die Grünen; denn ich glaube schon, dass wir dann erfolgreich sein können. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Elbkonzept gibt es zum Beispiel Naturschutzverbände, die sagen: Können wir nicht die naturschutzrechtlichen Maßnahmen vorziehen oder die Kampfmittelbeseitigung?

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist okay! Aber nicht Rodung!)

– Genau, das geht ja auch nur dann, wenn man das in einem angemessenen Verfahren macht. Ich glaube schon, dass wir uns in dieser Frage einigen können.

Das Eisenbahn-Bundesamt ist angesprochen worden. Da sind wir uns mit den Grünen hundertprozentig einig, dass wir das auch ordentlich mit Personal ausstatten müssen,

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass wir da auch versuchen müssen, an den Schnittstellen das Know-how der Länder aufzugreifen.

Letzter Punkt. Die Frage der Ersatzneubauten ist, glaube ich, eine ganz zentrale. Angesichts einer bröckelnden Infrastruktur müssen wir, glaube ich, nicht bei jedem Brückenbauprojekt ein extra Planfeststellungsverfahren machen und auch nicht unbedingt eine obligatorisch vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung. Denn auch die Aarhus-Konvention sagt ausdrücklich, dass man bei diesen Maßnahmen nicht unbedingt eine Planfeststellung braucht, sondern auch eine Plangenehmigung machen kann.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch drei Punkte nennen, an denen wir über den Gesetzentwurf hinaus arbeiten müssen.

Da ist erstens das Stichwort „Bürgerbeteiligung“. Wir müssen versuchen, Bürgerbeteiligung so zu gestalten, dass wir große Bauvorhaben mit den Menschen planen und nicht gegen sie.

Wir müssen zweitens versuchen, bei den Planungsverfahren das Raumordnungs- und das Planfeststellungsverfahren gemeinsam zu gestalten und mit der Bürgerbeteiligung zu koppeln.

Drittens wäre es sinnvoll, dass wir mit Blick auf das Baugesetz tatsächlich auch noch einmal über Maßnahmegesetze sprechen, damit wir bei wichtigen großen Verkehrsprojekten von nationaler Bedeutung den Aushandlungsprozess gestalten können.

Ich freue mich auf die Diskussion. Ich freue mich auf die Anhörung. Vielleicht bekommen wir es ja hin, dass wir über die Koalition hinaus für unseren Gesetzesvorschlag Zustimmung bekommen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bevor ich die Aussprache schließe, erteile ich der Kollegin Sabine Leidig das Wort zu einer Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7276805
Wahlperiode 19
Sitzung 53
Tagesordnungspunkt Planungs- u. Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich
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