Johann SaathoffSPD - Schutz der Wälder vor Rodungen für Windkraft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir eigentlich? Wir reden über das Klimaschutzabkommen, das wir in Paris geschlossen haben.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, über Wald!)
Es ist eine internationale Verpflichtung, zu der wir gemeinsam stehen müssen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Darüber reden wir nicht! Wir reden über Wald!)
Deutsche sind letzten Endes immer stolz auf ihre Vertragstreue. Aber wenn wir jetzt schon anfangen, über solche Dinge zu sprechen, dann kann auch der ein oder andere in anderen Ländern auf die Idee kommen, dass wir vielleicht gar nicht mehr so vertragstreu sind, wie wir immer vorgeben.
Wir reden auch über den Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da steht drin: 65 Prozent erneuerbare Energien bis 2030.
(Frank Sitta [FDP]: Was hat denn das mit Naturschutz zu tun?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich finde es superinteressant, zu lesen, was Sie nicht wollen.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja!)
Die Begründung dafür fand ich dann schon weniger interessant. Beeindruckt hätten Sie mich, wenn Sie gesagt hätten, was Sie wollen, und wenn Sie uns ein Konzept vorgelegt hätten, wie man zum Beispiel die Klimaziele erreichen kann; das hätte mich beeindruckt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU] – Wolfgang Kubicki [FDP]: Das machen wir die ganze Zeit!)
In Ostfriesland würde man dazu sagen: Wenn’t drum geiht, dat een wat deiht sitt dor’n Uul. – Mit anderen Worten: Man kann mit dem Mund immer schnell irgendetwas behaupten; aber wenn es dann tatsächlich um Sachen geht, die man umsetzen muss, traut man sich nicht. Sie sollten nicht immer nur sagen, was Sie nicht wollen. Sagen Sie, was Sie wollen, und vor allen Dingen, wie Sie das erreichen wollen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Trotz der dürftigen Faktenlage in Ihrem Antrag beschäftigen wir uns mit ihm. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium haben wir 11,4 Millionen Hektar Wald in Deutschland – ein Drittel der Gesamtfläche. Das macht insgesamt 90 Milliarden Bäume, die in Deutschland stehen. In den letzten zehn Jahren hat die Waldfläche um 50 000 Hektar zugenommen. Nehmen wir einmal an, Ihre Aussage, dass man für eine Windenergieanlage einen Hektar Wald braucht, stimmt – ich stelle das infrage, aber nehmen wir es einmal an –, und gehen wir theoretisch davon aus, wir würden nur die Zuwachsfläche der letzten zehn Jahre nutzen, um sie mit Windenergie zu belegen, dann würde eine Kapazität von 150 Gigawatt allein auf der Zuwachsfläche der letzten zehn Jahre entstehen – dreimal so viel wie der Windenergiezubau in Deutschland seit 30 Jahren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubicki?
Aber selbstverständlich, Herr Präsident. – Herr Kollege Kubicki.
Lieber, sehr geschätzter Herr Kollege Saathoff, zum Ersten – da Sie ja aus Ostfriesland kommen –: Würden Sie freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass die FDP auch auf Offshorewindenergie setzt, die keine Abholzung von Wäldern zur Folge hat?
Zum Zweiten. Wie wollen wir denn glaubhaft in der Welt vertreten, dass wir uns gegen die Abholzung von Regenwäldern wehren und wenden, wenn wir beginnen, unsere eigenen Wälder abzuholzen?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir meinen ja die Abholzung in Baden-Württemberg! – Timon Gremmels [SPD]: Das ist unter Ihrem Niveau! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Kubicki [FDP]: Für Sie reicht das Niveau!)
Geschätzter Kollege Kubicki, ich freue mich über Ihr Engagement für Offshorewindenergie; ich freue mich, dass wir wenigstens in dieser Richtung gemeinsam unterwegs sind und biete Ihnen gerne an, da auch noch ein paar Fakten dazu zu liefern, dass wir gemeinsam in der richtigen Richtung unterwegs sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber Brandrodungen in tropischen Wäldern mit Rodungen für die Windräder in Deutschland zu vergleichen, ist einfach nicht in Ordnung. Aus meiner Sicht vergleichen Sie hier Äpfel mit Birnen und bauen eine Angst auf, die faktisch gar nicht vorhanden sein muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Weg ist weg!)
Das Fazit heißt: Der Wald ist durch Windenergie nicht in Gefahr; das darf man an dieser Stelle deutlich sagen.
Die FDP fordert in ihrem Antrag, Naturschutzgebiete für die Gewinnung von Windenergie auszuschließen und eine Abstandsregelung zu Brutstätten gefährdeter Vogelarten zu definieren. Ich sage Ihnen: Das gibt es alles schon.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich berichte mal aus der Praxis: Was brauchen Sie eigentlich, wenn Sie eine Windmühle bauen wollen? Sie brauchen eine Baugenehmigung oder eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dazu brauchen Sie zwingend ein ornithologisches Gutachten. Da wird zwölf Monate kontinuierlich geguckt, was sich dort aufhält, und zwar in allen Bereichen. Von der Wiesenweihe über den Rotmilan bis zum Weißsternigen Blaukehlchen wird da untersucht, und da, wo ornithologische Hindernisse sind, werden Sie keine Windenergieanlagen bauen können. Darüber hinaus brauchen Sie, wenn Sie überhaupt einen Bauantrag stellen wollen, einen Bebauungsplan der Gemeinde. Das heißt, der Rat muss sich damit auseinandergesetzt haben und wollen, dass dort Windenergie gewonnen wird. Sie brauchen einen Flächennutzungsplan der Gemeinde, für den das Gleiche gilt. Und Sie brauchen ein Regionales Raumordnungsprogramm des Landkreises und des Bundeslandes. – Es ist nicht so – wie Sie das suggerieren –, dass man eine Windenergieanlage aufgrund der Außenbereichsregelung einfach hinstellen kann, wo man will. Das ist faktisch nicht der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Energiewende mehr Fläche für Windenergie. Wir brauchen mehr Windenergie im Süden, und wir brauchen weniger Schaufensteranträge.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sicher nicht!)
Wir wollen eine umweltfreundliche, CO 2 -freie Stromerzeugung. Liebe FDP, unsere Stromerzeugung soll keine strahlenden Müllaltlasten hinterlassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Die Stromerzeugung, wie wir sie uns vorstellen, soll keine Ewigkeitskosten der Atommülllagerung beinhalten. Die Stromerzeugung, wie wir sie uns vorstellen, soll keine Folgekosten der kostenlosen CO 2 -Deponierung in der Atmosphäre beinhalten. Unsere Stromerzeugung soll nachhaltig sein, sie soll sozial gerecht sein und generationengerecht.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7276824 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 53 |
Tagesordnungspunkt | Schutz der Wälder vor Rodungen für Windkraft |