Klaus MindrupSPD - Aktuelle Stunde zu notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt seit Montag der Sonderbericht des Weltklimarates IPCC vor. Zwei Kernbotschaften sind besonders wichtig: Erstens. Ein blindes Weiter-so wird verheerende Folgen haben. Bleibt ein Umsteuern aus, wird sich die Erderwärmung weiter fortsetzen, mit verheerenden Auswirkungen für unsere Ökosysteme und für die Lebensgrundlagen vieler Menschen, besonders in den Ländern des globalen Südens, aber auch an den Küsten, und das auch bei uns. Zweitens. Ein Einhalten des 1,5‑Grad-Zieles ist physikalisch, technisch und wirtschaftlich möglich, setzt aber massive Anstrengungen voraus. Bis 2050 brauchen wir einen ausgeglichenen Kohlendioxidhaushalt auf der Erde, und es muss Schluss damit sein, dass die Atmosphäre als Deponie missbraucht wird.
(Beifall bei der SPD)
All denen, die jetzt sagen: „Das ist Unsinn“, sage ich das, was ich hier schon einmal gesagt habe: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen auch nicht darum herumreden: Deutschland kann und muss beim Klimaschutz besser werden. Jetzt ist die gesamte Bundesregierung gefordert, inklusive der Bundeskanzlerin, uns hier im Ergebnis der eingesetzten Kommissionen zum Strukturwandel, aber auch zum Verkehr und auf der Basis von eigenen Überlegungen Vorschläge zu machen, wie wir unsere Klimaschutzziele einhalten. Und dazu gehört auch der Entwurf des Klimaschutzgesetzes. Natürlich drängt die Zeit, ohne dass wir jetzt hektisch werden müssen. Wir haben nur ein bestimmtes CO 2 -Budget zur Verfügung. Je später wir handeln, umso schwieriger wird es. Deswegen müssen wir jetzt energisch werden. Deswegen gehe ich jetzt auf einige konkrete Punkte ein.
Am Sonntagabend gab es eine Talkshow in der ARD zum Thema Klimaschutz. Dort hat Herr Lindner von der FDP behauptet, dass das Abschalten von Kohlekraftwerken bei uns nichts bringen würde, weil die Emissionen anschließend in Polen anfielen. Das sei das Ergebnis des europäischen Emissionshandels. Da musste ich schon schwer durchatmen. Da hat die FDP wohl ein ganzes Jahr geschlafen.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Nächstes Jahr stimmt es doch!)
Im letzten Jahr ist der europäische Emissionshandel verändert worden. Unsere damals amtierende Umweltministerin, Barbara Hendricks, hat in Vorbereitung einer Jamaika-Koalition, die damals noch im Raum stand, verhandelt, dass man die Emissionsmengen herausnehmen kann, wenn wir in Deutschland Kohlekraftwerke selber stilllegen.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Aktuell stimmt das doch!)
– Nein, es stimmt eben nicht.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Passiert etwas?)
– Natürlich wird etwas passieren. Ansonsten macht es keinen Sinn. Warum hätten wir das denn verhandelt? Warum sagt Herr Lindner so etwas? Entweder weiß er es nicht besser,
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Weil es stimmt!)
oder er belügt die Bevölkerung. Was ist denn schlimmer? Da müssen Sie sich doch einmal entscheiden.
(Beifall bei der SPD)
Ich frage die Grünen: Ist euch denn gar nicht bei den Verhandlungen aufgefallen, dass sie gar nicht wissen, worüber sie reden?
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch!)
– Das erklärt, warum die Flotte, die nach Jamaika segeln wollte, so schnell gesunken ist.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das erklärt, warum die SPD so gut dasteht! Weil Sie so gut sind!)
– Offensichtlich ist es so, dass Sie, wenn man die Wahrheit sagt, schwer damit umgehen können.
Wir, die SPD, haben im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass wir mehr erneuerbare Energien ausbauen und dass wir deswegen Sonderausschreibungen brauchen. Ich freue mich, dass der Koalitionsausschuss dies auch bestätigt hat; denn das ist eine wichtige Sofortmaßnahme für den Klimaschutz.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt die?)
Wir müssen aber auch die Energiewende besser managen. Trotz des gesetzlichen Vorrangs für die erneuerbaren Energien wurden 2017 5 518 Gigawattstunden CO 2 -freien Stroms abgeregelt. Dabei kann man das vermeiden. Es gibt interessante Forschungsvorhaben, unter anderem das Projekt SINTEG des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Hochinteressant ist dort das Modellprojekt enera in Nordwestniedersachsen. Dort wird untersucht, wie man auf der Verteilnetzebene die Nutzung erneuerbarer Energien besser steuern kann. Es ist wichtig, dass wir eine Begleitforschung machen und auch prüfen, wie die SINTEG-Projekte dazu führen, dass wir Klimaschutz durchsetzen können. Das ist im Augenblick noch gar nicht vorgesehen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Eines ist heute schon klar: Es ist besser, den CO 2 -freien Strom zu speichern und dann zu nutzen, als ihn abzuregeln. Daher brauchen wir jetzt neben dem Netzausbau und neben Power to Heat sofort den Ausbau von Batteriespeichern als Kurzfristspeicher und Wasserstoff als Langfristspeicher. Es müssen die entsprechenden Abgaben anders geregelt werden, damit das möglich ist.
(Beifall bei der SPD)
Dann müssen wir in den Sektoren Wärme und Verkehr weiter vorankommen. Dafür ist es entscheidend, dass wir die Ausbaumengen nach vorne bringen, die dezentrale Energieerzeugung voranbringen, Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung weiter voranbringen und die bürokratischen Hemmnisse in diesem Bereich reduzieren. Wir müssen unser Regelwerk überprüfen, und zwar so, dass CO 2 -Einsparung sinnvoll wird. Da ist der Grundsatz „Efficiency first“ sinnvoll.
(Beifall bei der SPD)
Dann müssen wir zusehen, dass wir absurde Regeln beenden. Unternehmen, die im Augenblick von der EEG-Umlage befreit sind, müssen nur eine Zertifizierung vorlegen, ohne dass sie Maßnahmen umsetzen. Das kann doch nicht wahr sein. Zukünftig müssen sie wirtschaftliche Maßnahmen umsetzen. Das muss auch im Klimaschutzgesetz geregelt werden.
(Zuruf von der FDP: Das war doch Ihr Minister!)
Wir sind lernend, anders als andere. Wir wissen, dass es notwendig ist, zu handeln. Wenn wir nicht handeln – wir sind hier der Haushaltssouverän im Deutschen Bundestag –, dann kommen auf Deutschland Strafzahlungen allein aus den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft in einer Dimension von 30 bis 60 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Jahren zu. Europarechtlich ist das ganz klar und verbindlich geregelt. Wir als SPD wollen lieber in gute Arbeit, in gute Zukunftschancen und in den Klimaschutz investieren als unsinnige Abgaben zahlen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Lisa Badum.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7279931 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels |