11.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 55 / Tagesordnungspunkt 3

Christian DürrFDP - Steuerliche Entlastung von Familien

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entlastung unserer Mitte ist für Angela Merkel seit 13 Jahren immer nur ein Wahlkampf-, aber kein Regierungsthema.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Wahrheit. Frau Staatssekretärin Lambrecht, Herr Kollege Steininger, Sie wollten uns heute Morgen wieder einmal weismachen – vorhin war die Rede von dem zentralen Entlastungsprojekt dieser Legislaturperiode –, dass es hier um die Entlastung von Familien in Deutschland geht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Quatsch.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD)

Bei der kalten Progression oder beim Kindergeld tun Sie das – und ausschließlich das –, was verfassungsrechtlich geboten ist.

(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Nein!)

Sie wollen sich heute dafür feiern lassen, dass Sie nicht gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Das, liebe Kollegen, ist bei der Entlastung der Mitte der Gesellschaft zu wenig, um das in aller Klarheit zu sagen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie schwimmen im Geld; Sie haben das ja vorhin nicht erwähnt. Der Gesamtstaat wird während Ihrer Regierungsverantwortung über 350 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode. Das, was Sie den Menschen hinwerfen – auch mit diesem Familienentlastungsgesetz –, sind allerhöchstens Brotkrumen. Statt einer echten Familienentlastung geben Sie, Frau Lambrecht, das Geld mit vollen Händen aus. Ein Beispiel wurde vorhin genannt: das Baukindergeld. Sie schaffen hier eine neue Subvention – diese hat übrigens eine schwarz-gelbe Bundesregierung in den 90er-Jahren unter Schmerzen abgeschafft –

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, die Große Koalition!)

mit dem Geld, das Sie den Familien zuvor weggenommen haben, und wollen sich dann dafür feiern lassen.

(Beifall bei der FDP)

Ihre Rentenpolitik wird dazu führen, dass der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung während dieser Legislaturperiode die 100‑Milliarden-Euro-Marke übersteigen wird. Dann kommt zusätzlich – das sage ich gerade an Ihre Adresse als SPD-Politikerin, Frau Staatssekretärin – die Rentengarantie von Olaf Scholz bis zum Jahr 2040.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sehr gut! Hervorragend!)

Das wird weitere dreistellige Milliardenbeträge kosten, liebe Kollegen von der SPD.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist jetzt aber keine Wahrheit mehr! Eben haben Sie gesagt, Sie würden die Wahrheit sagen!)

In Wahrheit lassen Sie die Menschen im Stich. Das ist doch keine Entlastung der Familien, Herr Kollege, sondern Sie belasten heute die Kinder der Familien, die später einmal das zahlen müssen, was Sie hier versprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD – Michael Schrodi [SPD]: Das ist generationengerecht, was wir machen!)

Wenn ich mir einmal die allgemeine politische Stimmungslage in Deutschland anschaue, dann habe ich den Eindruck: Für das Konzept der SPD in dieser Großen Koalition, sich durch Sozialleistungen bzw. durch zusätzliche soziale Versprechungen Wählerstimmen zu erkaufen, sind die Menschen in Deutschland schlicht und einfach zu schlau, um das an dieser Stelle auch einmal festzustellen.

(Beifall bei der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Bei der FDP läuft es auch gerade super!)

Dann will ich eine weitere Wählergruppe ansprechen, die Sie vermeintlich identifiziert haben, nämlich die alleinerziehenden Mütter und Väter in Deutschland. Auch diese sind beim Kindergeld angeblich angesprochen. Was hat eine alleinerziehende Mutter, die einen Unterhaltszuschuss bekommt, von Ihrer Kindergelderhöhung? Diese wird voll angerechnet. Für die Alleinerziehenden, die hart arbeiten und Kinder erziehen, tun Sie nichts in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der SPD.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Dabei könnte man etwas tun. Man könnte jetzt über einen Tarif auf Rädern nachdenken, wie ihn die FDP vorschlägt. Man könnte über einen Chancentarif nachdenken, der gerade untere Lohngruppen animiert, mehr zu tun, mehr zu arbeiten, Leistung zu erbringen. Für die Mitte, für die hart arbeitenden Menschen, tun Sie nichts mit diesem Regierungsentwurf, um das klar zu sagen.

Man hätte übrigens am heutigen Tag für alle Menschen in der Mitte etwas machen können. Man hätte heute für alle Familien etwas machen können. Nach den regulären Abläufen dieses Hauses hätte heute ein Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Abstimmung gestanden,

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die ist ja ziemlich schwach da, Ihre Fraktion! Wohl Kaffee trinken!)

der die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zu dem Termin, an dem es verfassungsrechtlich geboten ist, nämlich nach Auslaufen des Solidarpaktes II, vorsah. Dieser Gesetzentwurf ist gestern im Finanzausschuss entgegen den regulären Abläufen dieses Hauses gestoppt worden, damit Sie vor den Landtagswahlen sich nicht einer Abstimmung stellen müssen. Das ist die Wahrheit, und das ist das, was gestern passiert ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Reicht Ihre Fraktion eigentlich, oder warum ist da keiner da?)

Ich will Ihnen drei Sachen sagen. Kein Solizahler darf von der Senkung ausgeschlossen werden. Der Soli gehört in dieser Wahlperiode komplett abgeschafft. Der Soli gehört nicht in die Gehaltsabrechnung, er gehört in das Geschichtsbuch dieses Landes.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Da klatscht die AfD!)

Ich muss an dieser Stelle meine Rede kurz unterbrechen, weil ich, offen gestanden, wenig Verständnis habe, dass gerade meine Fraktion zu diesen drei Sätzen applaudiert hat. Wissen Sie, welche drei Leute diese drei Sätze in den letzten Wochen gesagt haben? Das war der Kollege Hans Michelbach von der Union, das war Alexander Dobrindt, und das war der bayerische CSU-Generalsekretär Markus Blume. Sie wollen die Menschen nicht entlasten, meine Damen und Herren. Es sind alles Wahlkampfversprechen. Aber die Entscheidung, das umzusetzen, was Sie im Wahlkampf ankündigen, Herr Dobrindt, hätten Sie heute treffen können. Aber Sie drücken sich vor dieser Entscheidung wenige Tage vor der bayerischen Landtagswahl. Das müssen auch die Menschen in Bayern wissen, Herr Dobrindt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Ich glaube, dass sich die Menschen nicht für dumm verkaufen lassen. Bei der Entlastung der Mitte unserer Gesellschaft, bei denen, die morgens früh aufstehen und hart arbeiten, haben Sie als Union mittlerweile kein Glaubwürdigkeitsproblem mehr. Sie haben bei diesen Menschen keine Glaubwürdigkeit mehr. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP)

Ich will ganz kurz zitieren, was am Tag der Deutschen Industrie die Bundeskanzlerin gesagt hat, nein, ich korrigiere mich: Die Parteivorsitzende der CDU hat zum Stichwort „Soliabschaffung“ gesagt, es sei einer der schwierigsten Kompromisse bei den Koalitionsverhandlungen gewesen, dass der Soli zwar für 90 Prozent der Zahler abgeschafft werde, aber für 10 Prozent nicht. Sie halte dies nicht für gerecht. Übrigens: Olaf Scholz lässt heute in einem Interview wissen, dass das großer Quatsch wäre, vielmehr habe man als SPD für die Abschaffung des Solis mehr getan als die Union. Wir haben das bei den Jamaika-Verhandlungen leidvoll erfahren müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ein anderer Kollege hat etwas gesagt, was die Dinge, glaube ich, perfekt auf den Punkt bringt. Der Kollege Carsten Linnemann von der Mittelstands-Union hat am Montag Folgendes gesagt: Der Soli gehört abgeschafft. Sonst glaubt uns doch keiner mehr. – Recht hat er, meine Damen und Herren! Ihnen glaubt keiner mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Michael Schrodi [SPD]: Rede mal zum Thema! Soli ist heute Abend!)

Nach fünf Wahlkämpfen, in denen es jedes Mal Entlastungsversprechen gab, die aber nach der Wahl nicht erfüllt wurden, bleibt eines festzuhalten – ich habe das bereits am Anfang meiner Rede gesagt –: Die Entlastung der Mitte in Deutschland ist für Sie seit 13 Jahren immer nur ein Wahlkampfthema, aber nie ein Regierungsthema.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7280188
Wahlperiode 19
Sitzung 55
Tagesordnungspunkt Steuerliche Entlastung von Familien
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