11.10.2018 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 55 / Tagesordnungspunkt 5

Pascal KoberFDP - SGB II - Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter lieber Herr Bundesminister Hubertus Heil, wenn man sich Ihren Gesetzentwurf im Detail ansieht, dann ist leider erkennbar, dass das Teilhabechancengesetz mehr auf Effekt als auf nachhaltigen Erfolg zielt. Das ist schade, und das ist zu kritisieren. Schaut man sich die Regelungen im Detail an, dann sieht man, dass es Ihnen vor allen Dingen um eine rasche Beschönigung der Arbeitslosenstatistik geht und nicht um die nachhaltige Vermittlung und die nachhaltige Verankerung im Arbeitsmarkt.

Natürlich werden die hohen Lohnzuschüsse von 100 Prozent in den ersten beiden Jahren Menschen sehr schnell, voraussichtlich bei sozialen Trägern, in Beschäftigung bringen; gar keine Frage. Das ist besser als nichts. Fünf Jahre Teilhabe ist auch schon was. Aber fünf Jahre gewährte Teil habe ist etwas anderes als Befähigung zur selbstbestimmten Teil nahme im Arbeitsleben. Dazu müsste man neben der Beschäftigung auch Qualifizierung ermöglichen. Da springen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf eindeutig zu kurz.

(Beifall bei der FDP)

Wichtig wäre, dass während der Beschäftigungsphase ausreichend Mittel zur Verfügung stehen würden, die eine berufliche Qualifikation oder zumindest eine Teilqualifikation ermöglichen. Wenn man das, was Sie hier an Mitteln zur Verfügung stellen, mit dem vergleicht, was gering qualifizierten Berufstätigen durch Programme wie beispielsweise WeGebAU zur Verfügung steht, dann sieht man, dass hier kein Schwerpunkt auf die tatsächliche Qualifikation und die nachhaltige Verankerung im Arbeitsmarkt gelegt ist. Das kritisieren wir sehr deutlich.

Nachhaltige Politik wäre es im Übrigen, wenn Sie einmal etwas gegen die chronische Unterfinanzierung der Hartz‑IV-Verwaltung tun würden. Jedes Jahr fehlen in der Verwaltung 1 Milliarde Euro, die Sie aus den Mitteln zur Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen entnehmen. Diese 1 Milliarde Euro jedes Jahr füllen Sie jetzt im Grunde mit der 1 Milliarde Euro aus dem neuen Programm. Diese Lücke müssen wir aber alle gemeinsam eines Tages einmal wirklich angehen; denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern ertrinken in Bürokratie. Sie haben Entlastung verdient. Wir wissen doch, dass mehr Zeit für die Menschen auch bessere Vermittlungschancen für die Menschen bedeutet. Deshalb müssen Sie sich auch diesem Problem stellen.

(Beifall bei der FDP)

Geradezu verantwortungslos ist es, dass Sie die Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets für bessere Bildungschancen der Kinder aus Hartz‑IV-Haushalten seit dessen Einführung nicht mehr erhöht haben, obwohl Schulhefte und andere Lernmaterialien in den letzten Jahren natürlich teurer geworden sind. Trotzdem verschieben Sie die Lösung dieser Herausforderung in die Zukunft, obwohl Sie sie als Erstes hätten in Angriff nehmen müssen.

Jedes Jahr verlassen 50 000 Jugendliche die Schule ohne Schulabschluss. Das heißt: In den vier Jahren, in denen Sie mit diesem neuen Programm 150 000 Menschen fördern wollen, werden voraussichtlich 200 000 junge Menschen die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Das sind die potenziellen Langzeitarbeitslosen von morgen. Wenn man nachhaltige Sozialpolitik machen würde, hätte man zunächst einmal hier angesetzt. Die Erhöhung der Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket wäre ein einfacher und leichter Schritt gewesen. Es ist unverständlich, es ist geradezu zynisch, dass Sie hier nicht gehandelt haben.

(Beifall bei der FDP – Katja Mast [SPD]: Machen wir doch demnächst! – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Nur kein Neid!)

Eine nachhaltige und vernünftige Sozialpolitik zeigt positive Ergebnisse in der Arbeitslosenstatistik vielleicht aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Deshalb ist mein Verdacht, dass es Ihnen um einen schnellen Effekt geht. 2019 werden Sie von der SPD Ihre Koalitionsergebnisse von Ihrer Mitgliederbasis evaluieren lassen und werden dort bestehen wollen. Aber Parteikalkül führt im Ergebnis noch nie zu guter Sozialpolitik. Deshalb glaube ich, lieber Hubertus Heil: Machen Sie sich endlich frei von der falschen Politik Ihrer SPD. Zeigen Sie, was Sie können – im Interesse der Chancen für Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der FDP – Katja Mast [SPD]: Und die Mittelkürzung von von der Leyen war damals gut, weil du die Hand dafür gehoben hast?)

Das Wort hat die Abgeordnete Katja Kipping für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Data
Source Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
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Electoral Period 19
Session 55
Agenda Item SGB II - Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose
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