Kai WhittakerCDU/CSU - SGB II - Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Herr Kollege Springer hat am Anfang seiner Rede unseren Gesetzentwurf kritisiert, weil er Bürgerarbeit beinhaltet. Ich habe einmal im Wahlprogramm der AfD nachgeschaut und war ganz erstaunt. Da steht nämlich:
(Jürgen Braun [AfD]: Lesen Sie ruhig vor!)
Die AfD setzt sich ferner für die Schaffung eines Angebots zur Bürgerarbeit ein.
Unter Bürgerarbeit ist die Ausübung gemeinnütziger Arbeit durch Langzeitarbeitslose zu verstehen, die nicht in Konkurrenz zum Arbeitsmarkt steht. Bürgerarbeit soll ca. 30 Wochenstunden umfassen und sozialversicherungspflichtig entlohnt sein.
Herr Springer, Sie stellen sich hier hin und kritisieren genau das, was Sie in Ihrem Wahlprogramm fordern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich schlage vor: Wir machen als Große Koalition ein weiteres Beschäftigungsprogramm. Erster Tagesordnungspunkt: Sie beschäftigen sich einmal mit Ihrem Wahlprogramm. Ich glaube, das wäre eine gute Möglichkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Da können Sie sich, Frau Zimmermann, gerne anschließen, weil das, was bei der AfD im Wahlprogramm steht, schlicht und ergreifend nah an dem ist, was Sie als Linkspartei fordern. Das zeigt, dass Sie in Wahrheit gemeinsame Politik hier in diesem Haus und gemeinsame Sache in der Sozialpolitik machen.
(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Erst einmal lesen lernen!)
Im Übrigen, Frau Zimmermann: Laut dem BMAS sind potenziell 800 000 Langzeitarbeitslose berechtigt, an diesem Programm teilzunehmen. Ich weiß nicht, warum Sie sich hierhinstellen und sagen, das sei nur ein Programm für ganz wenige. Es stimmt schlicht und ergreifend nicht, Frau Kollegin.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was machen wir? Wir schaffen ein eigenes Instrument. Das ist ein starkes Signal an die Langzeitarbeitslosen; denn wir zeigen, dass wir sie nicht vergessen haben. Wir geben mehr Geld aus – 25 Prozent mehr im Eingliederungstitel; so viel wie noch nie –, und wir geben vor allem Zeit, Zeit für die Langzeitarbeitslosen, sich zu entwickeln und ihren Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu finden.
Warum machen wir das Ganze? Wir diskutieren in diesen Zeiten sehr häufig, auch von diesem Platz aus, das Thema Fachkräftemangel. Ja, wir wollen aus dem Ausland Fachkräfte nach Deutschland holen, weil wir sie dringend brauchen. Aber ich frage mich schon, wie das auf Langzeitarbeitslose wirkt, die seit Jahren hier in Deutschland keinen Arbeitsplatz kriegen. Uns als Union ist es wichtig, dass wir diese Gesellschaft zusammenhalten. Herr Minister Heil hat vor kurzem in einem Interview zu Recht gesagt: Wir dürfen auch die Leute hier in diesem Land nicht vergessen. – Die Antwort ist also, dass wir diese Menschen nicht aufgeben, sondern dass wir an sie glauben und sie in den ersten Arbeitsmarkt bringen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der erste Arbeitsmarkt brummt wie noch nie in diesem Land. Natürlich muss das auch für jemanden, der lange Zeit auf Arbeit wartet und sucht, deprimierend sein. Deshalb machen wir dieses Gesetz. Wir als Union haben immer gesagt: Wohlstand für alle. Heute heißt es vielleicht richtigerweise: Erfolg für alle. Das muss unsere Aufgabe sein, die dieses Gesetz erfüllt.
Allerdings, liebe Kollegen von der SPD, hoffe ich, dass wir in diesem parlamentarischen Verfahren zwei Punkte noch miteinander diskutieren und dabei zu einer Lösung kommen. Gerade heute war zu lesen, dass 469 000 SGB-II-Bezieher seit dem 1. Januar 2005 im System sind. Wir nennen sie manchmal etwas despektierlich „Gründungsmitglieder“. Ich muss sagen: SGB II war nie als Dauereinrichtung gedacht, sondern wir haben immer gesagt: Das ist nur eine Hilfe auf Zeit. – Wir müssen alles dafür tun, diese Menschen dort wieder herauszubekommen. Ich glaube, es wäre ein noch stärkeres Signal, wenn wir den Menschen sagen: Wir fangen exakt mit diesen Leuten an, die seit über zwölf Jahren im System Hartz IV sind, und nehmen sie zuerst in dieses Arbeitsmarktprogramm hinein. Ich glaube, das wäre ein noch stärkeres Signal. Ich finde, wir sollten das tun. Dass es möglich ist, zeigt unter anderem eine Arbeitsmarktintegrationsfirma in Stuttgart, Metis, die das genau so gemacht hat und die doppelt so hohe Integrationsquoten hat als im Bundesdurchschnitt. Das zeigt, dass wir da noch ganz viel Potenzial haben.
Der zweite Aspekt ist das Thema Betreuungsschlüssel. Im Gesetz steht, dass sich ein Jobcentermitarbeiter um 150 Arbeitslose kümmern soll. In der Realität sind es 131. Das bedeutet ganz konkret: Ein Mitarbeiter hat 80 Minuten im Monat Zeit, um sich um einen Arbeitslosen zu kümmern. Davon benötigt er die Hälfte der Zeit für die Bearbeitung des Auszahlungsbetrags. Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn wir diesen Betreuungsschlüssel verbessern, das heißt doppelt so viele Mitarbeiter wie bei anderen. Ich glaube, wenn wir Coaching machen, wenn wir mehr Personal zur Verfügung stellen, dann muss der Fallmanager auch die Zeit haben, um sich mit diesen langzeitarbeitslosen Menschen auseinanderzusetzen und sie an die Hand zu nehmen, um sie in den ersten Arbeitsmarkt zu begleiten, sonst wird es scheitern. Das ist genau das, was uns das IAB letzte Woche noch einmal als die Empfehlung Nummer eins an die Hand gegeben hat.
(Pascal Kober [FDP]: Also: Auf geht’s!)
Deshalb bitte ich Sie, liebe Kollegen von der SPD: Lassen Sie uns das angehen; denn ich will mich nicht dafür feiern lassen, dass wir die Pro-Kopf-Ausgaben pro Arbeitslosen gesteigert haben. Ich möchte uns dafür feiern, dass wir die Zahl der Langzeitarbeitslosen gesenkt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Abgeordnete Stephan Stracke für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7280258 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | SGB II - Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose |