Jörg CézanneDIE LINKE - Solidaritätszuschlag
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch einen Geschäftsordnungstrick – das ist ja schon gesagt worden – reden wir jetzt noch mal über einen Gesetzentwurf und einen Antrag, die wir im Ausschuss schon beraten haben und die sogar in einer Anhörung von Sachverständigen schon beraten worden sind. Ein Gutes hat das natürlich: Man kann hier noch mal zeigen, dass die AfD zwar auf Protestpartei für die kleinen Leute macht, im Kern aber genauso eine Partei für Besserverdienende ist wie die FDP.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wobei ich der FDP noch zugutehalten würde, dass sie da ja mit sich im Reinen ist und das auch tatsächlich so sieht.
Jetzt also noch einmal zum Soli: Die beiden Parteien, die den Soli entweder früher als die Koalition oder am besten sofort abschaffen wollen, begründen dies damit, er sei nicht mehr verfassungsgemäß und die Abschaffung sei zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger notwendig. Der Haken bei dem Argument der Entlastung ist, dass 40 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland gar keinen Soli leisten. Da sind die 90 Prozent, von denen die Koalition spricht, einfach Schmu.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Menschen hätten durch eine Abschaffung des Soli überhaupt keinen Vorteil. Seien Sie also ehrlich, und sagen Sie, wen Sie mit der Abschaffung des Soli wirklich entlasten wollen. Von den 18 Milliarden Euro Steuereinnahmen, die der Soli jedes Jahr bringt, werden 11 Milliarden Euro von den reichsten 10 Prozent der Einkommensbezieher in Deutschland erbracht.
(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)
Das sind nicht die Durchschnittsfamilien. Das ist nicht die Mitte der Gesellschaft. Das sind nicht die Facharbeiter bei VW oder Daimler-Benz. Das sind Menschen, die diese Entlastung nicht brauchen und deren Leistung für die Gemeinschaft sinnvoller eingesetzt werden könnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Gegenteil träfen deren Entlastung und der Einnahmeausfall ja gerade jene Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Lage auf gute staatliche Leistungen – den Ausbau der sozialen Infrastruktur, kostenloses Schulessen, gebührenfreie Kitas oder eine vernünftige Schülerbeförderung – angewiesen sind. Für die wäre der Soli nach wie vor sinnvoll.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Soli ist eigentlich eines der letzten verbliebenen Instrumente nach der allgemeinen Steuersenkungsorgie, die von den Bundesregierungen aller farblichen Zusammensetzung seit Ende der 1990er-Jahre durchgeführt worden ist. Nur ein Beispiel – zugegeben keines für die Mitte der Gesellschaft –, damit man es noch einmal belegen kann: Ein Spitzenverdiener, der 1 Million Euro im Jahr versteuern muss, zahlt heute trotz Solidaritätszuschlag 12 Prozent weniger Einkommensteuer oder 53 000 Euro weniger, als derselbe Steuerzahler 1990 gezahlt hätte. Es gibt überhaupt keinen Grund, hier für Entlastung zu sorgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Und zu guter Letzt: Dass der Soli nach dem Ende des Solidarpakts nicht mehr verfassungsgemäß sei, wurde in der Anhörung unterschiedlich beurteilt. Einig waren sich die Sachverständigen aber, dass durch eine entsprechend begründete Neuauflage eines dritten Solidarpakts, zum Beispiel zur Sanierung und zum Ausbau der maroden Infrastruktur, dieser Makel leicht gelöst werden könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die Verfassungsgemäßheit des Solidaritätszuschlags unterstrichen. Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollanträge wurden in den letzten Jahren stets zurückgewiesen. Wir werden diese beiden Anträge ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Jörg Cezanne. – Nächste Rednerin in der Debatte: Lisa Paus für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7280801 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 55 |
Tagesordnungspunkt | Solidaritätszuschlag |